Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
New York/Kiew/Moskau
Zuletzt aktualisiert um:
Ein Flugabwehrschütze der ukrainischen Nationalgarde. Foto: -/Ukrinform/dpa

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Raketen auf ein Atomkraftwerk - das ruft jetzt auch den UN-Sicherheitsrat auf den Plan. Die Sorgen vor einer neuen Atomkatastrophe in der Ukraine nehmen zu. Präsident Selenskyj fordert vom Westen noch mehr Waffen. Deutschland will liefern. News i...

Die Sorge um einen atomaren Zwischenfall in Europas größtem Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine beschäftigt jetzt auch die Vereinten Nationen. Auf Antrag Russlands steht heute in New York eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats auf dem Programm.

Das Atomkraftwerk geriet derweil nach Angaben der russischen Besatzer erneut unter Beschuss. Das Kraftwerk sei mit schwerer Artillerie und Raketenwerfern angegriffen worden, teilte der Vertreter der Besatzungsbehörden, Wladimir Rogow, im Nachrichtenkanal Telegram mit. Geschossen werde aus Ortschaften, die unter ukrainischer Kontrolle stünden. Überprüfbar waren die Angaben nicht.

Der ukrainische Kraftwerksbetreiber Enerhoatom informierte bei Telegram über insgesamt zehn Einschläge in der Nähe des größten europäischen Atomkraftwerks im Süden der Ukraine. «Die Situation im Kraftwerk ist gerade unter Kontrolle», teilte der Konzern mit. Nach diesen Angaben gab es keinen Brand und auch keine erhöhten Radioaktivitätswerte.

Die Ukraine wirft den russischen Truppen vor, das AKW als Festung für Angriffe zu nutzen. Die prorussischen Separatisten wiederum beschuldigen die ukrainischen Streitkräfte, mit Beschuss den Westen zum Eingreifen in den Konflikt bewegen zu wollen. Russlands Staatsfernsehen zeigte Bilder, die Raketeneinschläge am Kraftwerk zeigen sollen.

Rogow lehnte Forderungen der Gruppe sieben führender Industrienationen (G7) - darunter Deutschland - ab, das Kraftwerk wieder unter ukrainische Kontrolle zu geben. «Das wäre, als wenn man einem Affen eine Handgranate in die Hand gibt», sagte Rogow der russischen Staatsagentur Tass.

Warnung vor Katastrophe

UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer neuen Katastrophe. Im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl hatte sich 1986 der schlimmste atomare Unfall auf europäischem Boden ereignet. International gibt es zunehmend Befürchtungen, dass sich in Saporischschja durch Raketenangriffe etwas ähnlich Schlimmes ereignen könnte. Der russische Krieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen schon mehr als fünfeinhalb Monate.

Das Kraftwerk im Süden der Ukraine, das seit Monaten unter russischer Kontrolle steht, war schon am Wochenende mehrfach mit Raketen beschossen und teils beschädigt worden. Die kritische Infrastruktur soll aber weiter intakt sein. Am Mittwoch griffen russische Einheiten mit Raketenwerfern Ortschaften in der Nähe an. Dabei starben nach ukrainischen Angaben mindestens elf Menschen. Unabhängig zu überprüfen war dies nicht.

UN-Generalsekretär fordert Ende aller Kämpfe

Guterres äußerte sich vor der Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums zutiefst besorgt. «Bedauerlicherweise gab es in den letzten Tagen keine Deeskalation, sondern Berichte über weitere zutiefst besorgniserregende Vorfälle. Wenn sich diese fortsetzen, könnte dies zu einer Katastrophe führen.» An beide Kriegsparteien appellierte er, die militärischen Aktivitäten sofort einzustellen. Vor dem Rat soll auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, Auskunft geben. Russland verwehrt internationalen Experten bislang allerdings den Zugang.

Geberkonferenz sammelt 1,5 Milliarden Euro für Ukraine

Auf einer internationalen Geberkonferenz in Kopenhagen kamen mehr als 1,5 Milliarden Euro an Unterstützung für die Ukraine zusammen. Zu dieser Summe hätten sich die Teilnehmer am Donnerstag auf der Konferenz verpflichtet, sie könne noch steigen, gab der dänische Verteidigungsminister Morten Bødskov anschließend bekannt. Das Geld sei für dieses und nächstes Jahr vorgesehen. Es kann beispielsweise in Waffen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten fließen. Polen, die Slowakei und Tschechien erklärten sich den Angaben zufolge zudem bereit, die Produktion von Artilleriesystemen, Munition und weiterer Ausrüstung auszuweiten.

In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich die Staaten zur weiteren und nachhaltigen militärischen Unterstützung für die Ukraine. Ein nächstes Treffen ist im September online geplant.

Bei der Konferenz in der dänischen Hauptstadt ging es vor allem um Waffen, die Ausbildung von ukrainischen Soldaten und Hilfe bei der Minenräumung. 26 Länder schickten Delegationen nach Kopenhagen, für Deutschland war Staatssekretär Benedikt Zimmer aus dem Bundesverteidigungsministerium dabei. Zum Auftakt der Konferenz hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschalte vom Westen abermals Waffen und Munition gefordert.

Scholz verspricht weitere Hilfe

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte weitere massive Unterstützung zu. Deutschland liefere bereits «sehr, sehr viele, sehr weitreichende, sehr effiziente» Waffen, sagte Scholz bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin. «Und das werden wir auch die nächste Zeit weiter tun.» Konkreter wurde der Kanzler allerdings nicht. Ein Einreiseverbot für russische Touristen nach Europa, wie dies von Estland und Finnland gefordert wird, lehnte er ab. «Das ist Putins Krieg, und deshalb tue ich mich mit diesem Gedanken sehr schwer.»

Satellitenbilder sollen zerstörte Kampfjets zeigen

Nach den schweren Explosionen auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim veröffentlichte ein US-Unternehmen Satellitenbilder, die den beschädigten russischen Militärstützpunkt zeigen sollen. Entgegen Moskauer Darstellung belegen diese Aufnahmen US-Berichten zufolge die Zerstörung mehrerer russischer Kampfjets. Die Zeitung «The New York Times» berichtete von mindestens acht abgebrannten Flugzeugen. Russland hatte von einem Brand auf der Basis und explodierter Munition wegen Fahrlässigkeit berichtet, allerdings nicht von zerstörter Militärtechnik.

Die Führung in Kiew hat offiziell nicht die Verantwortung für die Explosionen übernommen. Trotzdem gehen viele Beobachter aufgrund der Zahl und Wucht der Explosionen von einem gezielten ukrainischen Angriff aus. Unterdessen wurde bekannt, dass die Ukraine ihre Interessen in Russland nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die Schweiz vertreten lassen will. Die Verhandlungen für ein solches Mandat seien abgeschlossen, teilte das Außenministerium in Bern auf Anfrage mit. Allerdings fehlt aus Russland bislang die Zustimmung. Ob es dazu kommt, ist fraglich.

Unterschiedliche Einschätzungen in Kiew zu Kriegsdauer

Aus Kiew kamen unterschiedliche Einschätzungen, wie lange der Krieg noch dauern wird. Der Chef des Präsidialamtes, Andrij Jermak, sagte, die Kämpfe müssten dringend noch vor der Heizperiode beendet werden. Ansonsten bestehe das Risiko, dass Russland die Infrastruktur für Wärme und Energie zerstöre. «Das ist einer der Gründe, warum wir maximale Maßnahmen ergreifen wollen, um den aktiven Teil des Kriegs bis Ende Herbst zu beenden.» Selenskyj sagte hingegen, die Kriegsdauer hänge von den russischen Verlusten ab. «Je höher die Verluste der Okkupanten sind, desto schneller können wir unser Land befreien.»

Neue Angriffe im Osten

Im Donbass in der Ostukraine setzten russische Truppen ihre Vorstöße begleitet von massivem Artilleriefeuer fort. Dabei wurden in der Stadt Bachmut am Mittwoch sieben Zivilisten getötet, wie die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. In Donezk beklagten die von Russland unterstützten Separatisten, dass durch ukrainischen Beschuss mehrere Zivilisten getötet worden seien. Durch Treffer auf eine Brauerei sei giftiges Ammoniak ausgetreten.

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