Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew/Moskau/London
Zuletzt aktualisiert um:
Ein ukrainischer Soldat geht am Stadtrand von Kiew in Schussposition. Foto: Vadim Ghirda/AP/dpa

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Bei Kämpfen im Süden scheint Kiew mit einer Gegenoffensive Fortschritt zu machen. In den USA macht derweil eine hohe Schätzung zur Zahl getöteter russischer Soldaten von sich reden. Die Entwicklungen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert die Welt dazu auf, Russland klar als staatlichen Unterstützer von Terrorismus zu benennen.

Niemand auf der Welt investiere mehr in Terrorismus als Russland, sagte er in einer Videobotschaft. Dies erfordere eine «rechtliche Antwort auf globaler Ebene»: Russland solle als «staatlicher Sponsor des Terrorismus» anerkannt werden.

In den USA haben US-Senatoren bereits eine entsprechende Resolution auf den Weg gebracht. Die Entscheidung darüber liegt aber beim US-Außenministerium, das auch die offizielle Liste der Terrorismus unterstützenden Staaten führt. Sie umfasst derzeit die Länder Syrien, Iran, Kuba und Nordkorea. Sie werden von den USA mit strikten Sanktionen belegt.

Gegenoffensive der Ukraine

Die Ukraine macht nach eigenen Angaben und nach Einschätzung eines westlichen Geheimdienstes Fortschritte bei ihren Bemühungen um die Rückeroberung von Teilen der Südukraine. Im Gebiet Cherson sei es dem ukrainischen Militär dank vom Westen gelieferter Artilleriegeschütze gelungen, mindestens drei Brücken über den Dnipro zu beschädigen. Das erklärte das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Das erschwere Moskau die Versorgung der besetzten Gebiete und mache die russische 49. Armee, die am Westufer des Dnipro stationiert sei, äußerst verwundbar.

Auch die Stadt Cherson als politisch bedeutendste Stadt in der Region unter russischer Kontrolle sei vom Rest der besetzten Gebiete nun so gut wie abgeschnitten, hieß es weiter. «Ihr Verlust würde die russischen Versuche, die Besatzung als Erfolg darzustellen, ernsthaft untergraben», betonte das britische Verteidigungsministerium.

Ukraine zielt offenbar aus Moskaus Nachschubrouten

Der ukrainische Generalstab teilte bei Facebook mit, im Gebiet Cherson gebe es aktuell Positionskämpfe, und russische Truppen seien zu Gegenangriffen an der Grenze zum Gebiet Dnipropetrowsk übergegangen. Kiew nährt seit Wochen Hoffnungen auf eine baldige Rückeroberung von Teilen der Südukraine. Der Donnerstag war der 155. Tag seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Bereits am Mittwoch war aus westlichen Sicherheitskreisen verlautet, die Ukraine mache bei ihrer Gegenoffensive im Gebiet Cherson Fortschritte. Angesichts der zerstörten oder beschädigten Brücken, verliere Moskau wichtige Nachschubrouten. Auf russischer Seite gebe es ernsthafte Probleme bei der Versorgung und der Moral der Streitkräfte. «Unserer Ansicht nach ist eine operative Pause unausweichlich», sagte ein hochrangiger westlicher Beamter.

Selenskyj verspricht Wiederaufbau

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer Videoansprache mit Blick auf die von ukrainischen Streitkräften bombardierte Brücke über dem Fluss Dnipro im Gebiet Cherson, dass nach der Rückeroberung alles wieder aufgebaut werde. «Wir werden unser ganzes Land mit militärischen, diplomatischen und allen anderen zugänglichen Instrumenten befreien.»

Die Ukraine hat Selenskyj zufolge bisher die Kontrolle über rund 20 Prozent ihres Staatsgebietes verloren. Er forderte vom Westen mehr schwere Waffen, um russische Angriffe zu stoppen und besetzte Gebiete zu befreien.

Womöglich bereits Zehntausende Opfer auf russischer Seite

Nach Schätzungen aus den USA gehen die Opferzahlen auf russischer Seite längst in die Zehntausende. «Wir wurden darüber informiert, dass mehr als 75.000 Russen entweder getötet oder verletzt wurden, was enorm ist», zitierte der Sender CNN Elissa Slotkin, eine demokratische Abgeordnete aus dem Repräsentantenhaus, die zuvor an einem geheimen Briefing der US-Regierung teilgenommen hatte.

Der Kreml in Moskau wies die in den USA genannten Zahlen als «Fake» zurück. Dies seien auch keine Angaben der US-Regierung, sondern lediglich Medienberichte, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Aktuelle Angaben der offiziellen Stellen in Russland zu Totenzahlen gibt es nicht. Zuletzt wurde die Zahl von 1351 Toten genannt. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hatte zuletzt geschätzt, dass auf russischer Seite bereits 15.000 Menschen ums Leben gekommen seien. In der Ukraine gelten die eigenen Verluste als Staatsgeheimnis. Präsident Selenskyj zeichnete allerdings bis Mitte Juli rund 3500 tote Soldaten postum mit Orden aus. Präsidentenberater Olexij Arestowytsch bezifferte die Verluste Anfang Juni auf «bis zu 10.000».

Tote durch russische Angriffe

Durch russische Angriffe in der Ukraine sind laut Medienberichten am Donnerstag mehrere Menschen ums Leben gekommen. Bei einem Raketenangriff auf die zentralukrainische Stadt Kropwnizkyj wurden mindestens fünf Menschen getötet und 26 weitere verletzt, wie ukrainische Medien unter Berufung auf den Leiter der dortigen Militäradministration, Andrij Rajkowitsch, berichteten. Unter den Verletzten seien auch Zivilisten. Bei weiteren Raketenangriffen in der Region Kiew wurden nach Angaben der Online-Zeitung «Ukrajinska Prawda» mindestens 15 Menschen verletzt. Auch hier seien Zivilisten betroffen.

In der Region Donezk wurden laut Medienberichten mindestens vier Menschen durch russischen Beschuss getötet. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs nähern sich die Kämpfe zwischen den Truppen Kiews und Moskaus im östlichen Kriegsgebiet Donezk weiter den Städten Bachmut und Soledar. Bei Werschyna, südöstlich von Bachmut, habe der Gegner Teilerfolge erzielt, teilte der ukrainische Generalstab mit. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen. Die Ukraine wehrt seit mehr als fünf Monaten eine russische Invasion ab.

Lawrow spricht mit Blinken, «wenn es die Zeit erlaubt»

Russlands Außenminister Sergej Lawrow will ein Gespräch mit seinem US-Kollegen Antony Blinken führen, sobald er Zeit dafür hat. Derzeit habe er einen vollen Terminkalender mit internationalen Kontakten, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Agentur Tass zufolge. Lawrow werde der Bitte um ein Gespräch nachkommen, «wenn es die Zeit erlaubt».

Blinken hatte am Mittwoch mitgeteilt, bei einem Telefonat «in den kommenden Tagen» mit Lawrow solle es um die Freilassung der in Moskau inhaftierten US-Basketballerin Brittney Griner und ihres Landsmanns Paul Whelan gehen. Griner muss sich derzeit wegen eines Drogendelikts vor einem russischen Gericht verantworten. Whelan ist wegen Spionage im Juni 2020 zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Nach russischen Angaben konnten sich die beiden Seiten bislang nicht auf einen Gefangenenaustausch einigen.

Ukraine will EU in Energiekrise mit Strom unterstützen

Mit Blick auf die Energiekrise in Europa bot Selenskyj der EU eine Unterstützung mit Strom aus seinem Land an. «Wir bereiten uns auf die Erhöhung unseres Stromexports für die Verbraucher in der Europäischen Union vor», sagte er. «Unser Export erlaubt es uns nicht nur, Devisen einzunehmen, sondern auch unseren Partnern, dem russischen Energiedruck zu widerstehen», sagte er mit Blick auf die von Russland deutlich reduzierten Gaslieferungen.

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