Gesundheit

Wie man ein RSI-Syndrom erkennt und behandelt

Wie man ein RSI-Syndrom erkennt und behandelt

Wie man ein RSI-Syndrom erkennt und behandelt

Waltraud Messmann/shz.de
Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Die immer gleichen Bewegungen der Hände und Finger bei der Bildschirmarbeit in oft ungesunder Körperhaltung können zu chronischen Schmerzen führen. Foto: imago images/ingimage

Mausarm, Laptopnacken und Handydaumen: Was steckt hinter chronischen Schmerzen, die als RSI-Syndrom bezeichnet werden?

Im englischen Sprachraum wird der Mausarm unter den Oberbegriff „RSI-Syndrom“ eingeordnet. Dabei steht RSI steht für Repetitive Strain Injury, zu deutsch: „eine Verletzung durch wiederholte Belastung“. Hinter diesem Begriff verbergen sich eine ganze Reihe unterschiedlicher, schmerzhafter Probleme an Sehnen, Muskeln und Nerven, die alle am Oberkörper verortet sind. Neben Ellenbogen, Unterarme, Handgelenke und Hände sind oft auch Nacken, Schultern und Rücken betroffen.

Typische Symptome für einen Mausarm sind:

  • steife Gelenke in Schultern, Armen und Händen
  • Schmerzen in Gelenken, Handrücken, Unterarm und Ellenbogen
  • Kraftlosigkeit

Nach den Ergebnissen einer Umfrage klagen etwa 60 Prozent der Personen, die mehr als drei Stunden pro Tag am Computer sitzen, über solche oder ähnliche Beschwerden. Durch den Corona bedingten Rückzug ins Homeoffice könnten es bald sehr viel mehr sein, befürchten Experten. „Im Homeoffice leidet nicht nur der Rücken, sondern wir beobachten auch eine Zunahme von Hand- und Armbeschwerden“, warnt auch Eva-Maria Baur, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie (DGH).

Leichtes Kribbeln

Die Beschwerden äußern sich zunächst nur als leichtes Kribbeln beziehungsweise Kraftverlust in Hand und Unterarm während der Arbeit mit der Computermaus und der Tastatur. Nach mehreren Monaten oder Jahren Computertätigkeit entwickeln sich Beschwerden, die trotz Entlastung anhalten und nur bei längeren Pausen, wie zum Beispiel Urlaub, abklingen. Später treten Schmerzen auch in Ruhepausen und bei geringfügiger Belastung auf, zum Beispiel wenn man eine Tasse Kaffee hält.

Nach Angaben von Baur liegt bei vielen Patienten aber zunächst keine Entzündung vor. Durch die chronische Überlastung werde das Sehnengewebe zunächst degeneriert und die Kollagenfasern geschädigt. „Bleibt dann zu wenig Zeit für die Regeneration, wird kein Kollagen zum Ausgleich nachgebildet“, so die Expertin. Mitunter könne es dann insbesondere im Bereich der Hand zu chronischen Entzündungen der Sehnen beziehungsweise Sehnenscheiden kommen.

Anwenderfreundliche Software

Neben regelmäßiger Bewegung kann ein ergonomischer Arbeitsplatz dem entgegenwirken. Besonders entlastend für den Arm und die Hände ist neben einer ergonomischen Tastatur sowie Maus und Mauspad ein Bürostuhl mit höhenverstellbaren Armlehnen. Gleichzeitig sollte auf die Höhe des Bildschirms geachtet werden, damit der Nacken- und Schulterbereich entspannt bleibt.

Um dem Mausarm vorzubeugen, schlägt die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) drei Übungen vor:

  • Hände schütteln: Beim Schreiben mehrmals pro Stunde die Hände und/oder Arme ausschütteln.
  • Hände dehnen: Eine Faust machen, dabei den Daumen in die Faust nehmen. Kurz halten und die Hand dann wieder öffnen und Finger spreizen. Übung zehnmal wiederholen.
  • Hände kreisen: Kreisende Bewegungen mit der Hand machen, abwechselnd mit gespreizten Fingern und geballter Faust, dabei mehrfach die Richtung wechseln.

Im Homeoffice wird häufig auch am Laptop gearbeitet, was die schlechte Sitzhaltung noch verstärkt, meint Baur. Denn ist die Tastatur auf der richtigen Höhe, ist der Bildschirm zu niedrig oder aber der Bildschirm ist auf der richtigen Höhe, dann ist die Tastatur zu hoch. Um einen sogenannten Laptop-Nacken zu vermeiden, empfiehlt die Expertin, eine externe Tastatur und Maus zu verwenden. Der Laptop sollte dann für einen geraden Rücken erhöht positioniert werden. Noch besser sei die Verwendung eines extra Monitors. Wolfgang Panter, Präsident des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte, empfiehlt zusätzlich auf eine Software zu achten, die bei der Anwendung nicht so viele Klicks erfordert.

Handy-Daumen

Als die neueste „orthopädische Zivilisationskrankheit" gilt übrigens der „Handy-Daumen“, im englischen Sprachraum auch „WhatsApp Disease", also „WhatsApp Krankheit" genannt. Wer es mit dem Tippen und Wischen auf dem Smartphone übertreibt, riskiert eine schmerzhafte Sehnenscheidenentzündung des langen Daumenbeugers, der am Unterarm entlang läuft, warnt Baur.

In einigen deutschen Arztpraxen und auch im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMas) stoßen die Begriffe RSI-Syndrom und Mausarm auf Skepsis. So weist das BMas darauf hin, dass es keine international allgemein anerkannte Definition des Repetitive Strain Injury-Syndroms (RSI) gebe. Stattdessen stehe RSI für eine Vielzahl von Beschwerden und Symptomen, die sich zum Teil als eigenständige abgrenzbare Krankheitsbilder, zum Teil aber auch als unspezifische, klinisch nicht näher differenzierbare Beschwerden darstellten.„Da es sich bei RSI nicht um eine eigenständige Krankheitsentitität handelt, enthält die deutsche Berufskrankheiten-Verordnung auch keine entsprechende Berufskrankheit“, heißt es weiter. Bestimmte Erkrankungen des Beschwerdebildes RSI könnten aber - je nach den individuellen Gegebenheiten - als Berufskrankheit anerkannt werden.

Sekretärinnenkrankheit?

„Der Ärztliche Sachverständigenbeirat empfiehlt dem Bundesarbeitsministerium, welche Krankheiten auf die Liste der Berufskrankheiten gehören und hat das RSI-Syndrom offenbar nicht auf dem Schirm", meint DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Die Erkrankung könne aber der gesetzlichen Unfallversicherung gemeldet werden. „Da die näheren Bestimmungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und die Merkblätter eine wichtige Rolle im Anerkennungsverfahren spielen, sollten sie zeitnah um das RSI-Syndrom ergänzt werden“, fordert sie. Das RSI-Syndrom sei früher oft als ‚Sekretärinnenkrankheit‘ verharmlost und diskreditiert worden, meint Piel. „Dass Erkrankungen, die in von Frauen dominierten Berufen entstehen, seltener im System der Berufskrankheiten repräsentiert sind, ist allerdings ein tiefer gehendes Problem. 

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