Häusliche Gewalt

Volle Schutzwohnungen und kein Frauenhaus in Sicht

Volle Schutzwohnungen und kein Frauenhaus in Sicht

Volle Schutzwohnungen und kein Frauenhaus in Sicht

Jonna Marlin Lausen/shz.de
Nordfriesland
Zuletzt aktualisiert um:
Erleben Frauen und deren Kinder häusliche Gewalt, sind sie vielfach auf den Schutz von Frauenhäusern angewiesen. Foto: dpa

Seit einem halben Jahr gibt es in NF Frauenschutzwohnungen, die im Dezember vollbesetzt waren, aber ein Frauenhaus ist noch nicht in Sicht.

Häufig braucht es mehrere Anläufe, bis Frauen sich dazu durchringen können, der Gewalt zu entfliehen, der sie zuhause schutzlos ausgeliefert sind. Es kann mehrere Monate, häufig auch viele Jahre dauern, bis sie sich Hilfe holen und die Flucht ergreifen.

Teilweise mit ihren Kindern und den nötigsten Habseligkeiten stehen sie dann an einem verabredeten Ort, wo Mitarbeiterinnen der Awo sie schließlich abholen und in die Frauenschutzwohnungen, deren Ort streng geheim ist, bringen. Dort wollen die erschöpften Frauen erstmal nur eines: Schlafen! So erzählt es Birgit Zimmer von der Awo Schleswig-Holstein, die seit einem halben Jahr das Angebot, das im August vergangenen Jahres aus dem Boden gestampft wurde, leitet. „Sie sind so erschöpft und fühlen sich teilweise nach langer Zeit erstmals wieder sicher“, sagt Zimmer.

Sie sind so erschöpft und fühlen sich teilweise nach langer Zeit erstmals wieder sicher.

Birgit Zimmer, Awo Schleswig-Holstein

Das Angebot wird rege genutzt: „Kurz vor Weihnachten waren wir zwei Wochen voll besetzt, zum Glück mussten wir in der Zeit keine Frau abweisen“, sagt Zimmer. Der nächste Anruf sei erst gekommen, als wieder ein Platz frei war. Zufall und Glück. Abgewiesen werde ohnehin niemand. So würden die Schutzsuchenden im Frauenhaus Flensburg oder Dithmarschen untergebracht, wenn die Schutzwohnungen voll sind.

Birgit Zimmer hat gerade eine Stellenausschreibung veröffentlicht. Sie sucht dringend eine Sozialpädagogin, die das Team verstärkt, das sich um die Frauen kümmert. „Das ist aber schwierig, wenn die Stelle befristet ist“, so Zimmer. Ausschreiben kann sie auch erst, seitdem sie weiß, dass die Finanzierung der Frauenschutzwohnungen für ein weiteres Jahr gesichert ist. Die lief nämlich zunächst Ende Januar aus. Politik und Verwaltung entschieden aber, dass es weitergehen muss. Am 28. Januar verlängerte der Landrat das Angebot per Eilentscheidung. „Die 150.000 Euro Eigenfinanzierung teilen sich in 125.000 Euro für die Awo zur Sicherstellung der psychosozialen Begleitung der Frauen und 25.000 Euro für Wohneck für die Mietkosten“, erklärt der Kreis auf Nachfrage.

Männer haben keinen Zugang

Christian Grelck, Leiter des Fachbereichs Soziales und Arbeit, erläutert, dass die Wohnungen in erster Linie für Frauen aus Nordfriesland gedacht seien, allerdings werde keine Schutz suchende Frau abgewiesen. Vier Wohnungen wurden durch das Wohneck angemietet. Eine Wohnung dient als Besprechungszimmer und Büro für die Mitarbeiterinnen, in drei weiteren Wohnungen sind Schlafplätze für bis zu sieben Frauen mit ihren Kindern eingerichtet und ausgestattet. Männer und andere Personen haben keinen Zugang und der Ort ist weitestgehend geheim.

Derzeit würden eine Frau mit zwei Kindern sowie drei einzelne Frauen in den Wohnungen leben, so Grelck. Dass die Kapazitäten allerdings nicht ausreichen, zeigt nicht nur die Tatsache, dass das aktuelle Angebot rege in Anspruch genommen wird, sondern auch, dass zu Hochzeiten Frauen aus den Häusern in Flensburg oder Heide in Nordfriesland untergebracht werden mussten – schlicht, weil dort die Kapazitäten erschöpft waren, weiß Zimmer. So wird, je nach Belegung, hin und her geschoben, in der Hoffnung, dass der Platz reicht.

Ein Frauenhaus muss her

In der Tat sind auch Politik und Verwaltung davon überzeugt, dass ein Frauenhaus als langfristige Variante her muss, und das nicht erst seit letzter Woche. Eine Interessensbekundung liegt dem Sozialministerium in Kiel vor. Im September vergangenen Jahres hatten die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg den Bedarf für ein Frauenhaus nochmals deutlich gemacht. Um dieses zu ermöglichen, bedarf es aber einer „Aufstockung der Platzzahlen und der Finanzausgleichmittel (FAG-Mittel) seitens des Landes“, so Grelck. Ein Gesprächstermin mit Ministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) zum Thema, der im Dezember stattfinden sollte, sei aber kurzfristig von der Ministerin abgesagt worden. Einen neuen gebe es noch nicht. Dieser sei aber zugesagt, so Grelck.

Das Ministerium für Gleichstellung hatte zudem im November 2019 eine Bedarfsanalyse bezüglich des Hilfsangebots für von Gewalt betroffene Frauen beauftragt, die Ende November fertig gestellt wurde. „Die Ergebnisse liegen dem Kreis noch nicht vor“, so Grelck. Und: Ohne vorliegende Bedarfsanalyse mit entsprechenden Aussagen gebe es auch keine Förderung oder die Zusage für zusätzliche Plätze, habe das Innenministerium gegenüber dem Kreis deutlich gemacht. Bleibt also nur die „Bedarfsanalyse“ von Birgit Zimmer. Und die ist eindeutig: „Dass wir ein weiteres Frauenhaus für die Region brauchen, beweisen ja die Frauenschutzwohnungen.“

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