Kinderschutzbund

Recht auf gewaltfreie Erziehung ist in Gefahr

Recht auf gewaltfreie Erziehung ist in Gefahr

Recht auf gewaltfreie Erziehung ist in Gefahr

Eckard Gehm/shz.de
Kiel
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Das Logo des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB). Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

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Der Kinderschutzbund verzeichnet einen dramatischen Zuwachs bei Eltern, Kindern und Jugendlichen, die Hilfe suchen.

Zum Tag der gewaltfreien Erziehung am Freitag hat der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein gewarnt, dass die Corona-Pandemie das Recht auf gewaltfreie Erziehung auf eine harte Probe stellt. „Häusliche Isolation und räumliche Enge können familiäre Konflikte schnell verstärken – vor allem, wenn weitere Belastungsfaktoren wie Geldsorgen hinzukommen“, sagt Geschäftsführerin Susanne Günther. Leidtragende in so einer Krisensituation seien häufig auch die Kinder. „Selbst Familien ohne entsprechende Vorbelastungen spüren teils immensen Stress und Überbelastung.“

Dramatischer Zuwachs bei den Hilferufen

Der Kinderschutzbund verzeichnete 2020 einen dramatischen Zuwachs von Anrufen bei der „Nummer gegen Kummer“. Beim Elterntelefon gab es knapp 18.000 Anrufe, eine Steigerung von 64 Prozent. Die Anrufe am Kinder- und Jugendtelefon blieben relativ konstant (97.000), dafür stiegt die Zahl bei der Online-Beratung für Kinder und Jugendliche um 31 Prozent auf gut 14.000.

Polizeistatistik bestätigt Zunahme der Gewalt gegen Kinder

Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik bestätigen die Erkenntnisse aus den Kinderschutz-Zentren. Bei sexueller Gewalt gegen Kinder gab es vergangenes Jahr in Schleswig-Holstein eine Zunahme von fast 16 Prozent, bei Misshandlung eine Zunahme von fast vier Prozent. Günther: „Das sind erschreckende Zahlen, die nur die Spitze des Eisberges darstellen, denn hier werden nur Taten erfasst, die der Polizei tatsächlich gemeldet werden.“

„Frühwarnsysteme“ funktionieren nicht mehr

Das Problem: Durch die Corona-Schutzmaßnahmen fallen viele der bisherigen „Frühwarnsysteme“ ganz oder teileweise weg – darunter Schulen, Kindergärten und Sportvereine. „Da bleibt vieles unentdeckt oder wird erst mit starker Verzögerung gemeldet“, so Günther. Lidija Baumann, Leiterin des Kieler Kinderschutz-Zentrums bestätigt: „Die aktuelle häusliche Isolation erleichtert es, Gewalt gegen Kinder zu verheimlichen.“

„Es ist kein Makel, sich Hilfe zu holen

Was tut der Kinderschutzbund, um die Situation zu verbessern? „Wir wollen klarmachen, dass es kein Makel ist, sich Hilfe zu holen, ermuntern und ermutigen Eltern dazu“, erklärt Günther. „Beim Kinderschutzbund stehen professionelle Pädagogen und Psychologen für Gespräche bereit.“ Und für Familien in extremen Schwierigkeiten gebe es auch einen Nothilfe-Fond.

Appell an die Politik: Bei Hilfsangeboten nicht Rotstift ansetzen

Der Gesetzgeber hat das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Jahr 2000 festgeschrieben. Seitdem ist laut Kinderschutzbund das Bewusstsein deutlich gestiegen, dass alle Formen von Gewalt und Vernachlässigung Kindern in ihrer Entwicklung massiv schaden. „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Kinder keine Gewalt erleben. Und da haben wir noch nicht über psychische Gewalt und Vernachlässigung gesprochen“, betont Günther. „Dafür, dass diese ebenfalls als Formen der Gewalt zu betrachten sind, gibt es immer noch zu wenig Bewusstsein.“

An die Politik appelliert der Kinderschutzbund, wegen der vielen mit Corona verbundenen Kosten bei den Hilfsangeboten künftig nicht den Rotstift anzusetzen.

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