Corona-Krise

Pandemie: Gewinner bei Ärzten - Existenznot bei Kinderärzten

Pandemie: Gewinner bei Ärzten - Existenznot bei Kinderärzten

Pandemie: Gewinner bei Ärzten - Existenznot bei Kinderärzten

Margret Kiosz/shz.de
Schleswig-Holstein
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Gegen Corona wird nun fleißig geimpft Foto: Sven Hoppe/dpa

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Ärzte sollen für die Corona-Impfung doppelt so viel wie üblich bekommen. Die Kinderärzte erleiden große Verluste.

Das Virus bringt das finanzielle Gefüge im Gesundheitswesen arg durch einander. Kliniken berichten über Millionenlöcher in ihren Etats, weil die Versorgung der Corona-Patienten kostspielig ist. Krankenkassen beklagen milliardenschwere Schieflagen und drohen mit Beitragserhöhungen.

Und Kinderärzte fürchten inzwischen sogar um ihre Existenz. Weil die Jüngsten wochenlang wenig Kontakt zu anderen Kindern hatten, konnten sie sich auch nicht mit den üblichen Krankheiten anstecken. Kaum Hustenpatienten, keiner schnieft und zu allem Überfluss verschieben Eltern auch noch die Vorsorgetermine, weil sie sich vor Infektionen im Wartezimmer fürchten.

Empfindlicher Stellenabbau droht

Die Folge: 52 Prozent der niedergelassenen Kinderärzte denken über den Abbau von Personal nach, 84 Prozent über die Reduktion von Stunden. Das ergab eine Umfrage des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte BVKJ. Seit der Corona-Krise seien die Fallzahlen dramatisch eingebrochen – allein in diesem Januar gab es im Vergleich zum Vorjahresmonat 14,2 Prozent weniger Vorsorgeuntersuchungen und 26,2 Prozent weniger Impfungen. Es wird nach Hilfe gerufen.

„Wir können uns keine weiteren Praxisaufgaben leisten“, schreibt Verbandschef Dr. Thomas Fischbach an den Gesundheitsminister. Schon seien „Sprachentwicklungsverzögerungen, Übergewicht und eine Zunahme häuslicher Gewalt bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen zu beobachten“. Deshalb müssten Schulen und Kitas sofort komplett geöffnet werden. Lehrerverbände sind entsetzt. Ihr Sprachrohr „News4 Teachers“ findet die Forderung der Medizinerlobby zumindest „pikant“ vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Kinderärzte.

Umsatz-Krise und Impf-Hoffnung

Fast alle niedergelassenen Ärzte melden Rückgänge. Da erscheint manchem die bevorstehende Massenimpfung gegen das Corona-Virus in den Arztpraxen ein willkommenes Betätigungsfeld. 50.000 niedergelassene Ärzte – vom Allgemeinarzt bis zum HNO-Arzt und Kinderarzt – stehen nach Angaben ihrer Verbandschefs bereit, um täglich jeweils bis zu 20 Impfungen durchzuführen. Seit Wochen warnen die Kassenärztlichen Vereinigungen auf Bundes– und Landesebene vor dem drohenden Impfstau, der sich nur in den Praxen auflösen lasse, zumal die Ärzte vor Ort ihre Patienten besser kennen als die Impfärzte in den Zentren.

Nun kann man davon ausgehen, dass die meisten Mediziner ein ehrliches Interesse daran haben, die Pandemie in den Griff zu bekommen und die Bürger zu schützen. Das hartnäckige Trommeln der Verbände deutete jedoch darauf hin, dass auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Im Gespräch sind 20 Euro pro Pieks – macht bei 20 Impfungen pro Tag immer hin 400 Euro zusätzlich zu den laufenden Praxiseinnahmen. Für eine Influenza-Impfung ist die Vergütung nicht einmal halb so hoch.

Ärzte in den Imfpzentren

Lukrativ ist auch die Entlohnung der Impfärzte in den Zentren. Hier ist Schleswig-Holstein mit einem Stundensatz von 110 Euro Schlusslicht. Auskömmlich scheint der Satz, der bei Spät- und Wochenenddiensten entsprechend erhöht und durch Wegepauschalen ergänzt wird, dennoch zu sein. Bewerbermangel gab es nach Auskunft der KV in Bad Segeberg nie. Im Gegenteil, man war selbst überrascht über die hohe Bereitschaft, mitzumachen. Zumal der Staat Corona-Hilfsdienste noch versüßt: Einnahmen aus dem Impfeinsatz sind in Höhe der Übungsleiterpauschale bei Sportvereinen (3000 Euro) steuerfrei.

Schade ist, dass all diejenigen, die tatsächlich ehrenamtlich und unentgeltlich im Corona-Einsatz sind –  wie zum Beispiel die THW-Kräfte – von dieser Großzügigkeit nichts haben. Wer nichts verdient, kann auch keine Steuern sparen.

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