Familie

Kontaktabbruch nach Trennung: Auch Großeltern sind betroffen

Kontaktabbruch nach Trennung: Auch Großeltern sind betroffen

Kontaktabbruch nach Trennung: Auch Großeltern sind betroffen

Silke Schlüter/shz.de
Schleswig/Flensburg
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Je enger das Verhältnis, desto schwerer fällt Großeltern die Trennung von den Enkeln. Foto: dpa

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Wenn nach einer gescheiterte Beziehung ein Partner den Umgang mit dem Kind verweigert, leiden oft auch Oma und Opa.

„Der Bericht eines Vaters über seine leidvolle Geschichte und seine Entscheidung, das Umgangsrecht zum Schutz seines Sohnes nicht weiter durchzusetzen, hat mich sehr berührt. Zum einen, weil er den Mut hatte, an die Öffentlichkeit zu gehen, zum anderen, weil ich die Situation als Großmutter in meiner Familie selbst seit vielen Jahren erlebe“, sagt Andrea B., für die bei jeder Trennung auch der Kontaktabbruch zur restlichen Familie ein wichtiges Thema ist. „Als Großeltern sind wir doch ganz genauso betroffen“, sagt sie und möchte nun ihre Geschichte erzählen, in der zum Schutz aller Beteiligten die Namen geändert wurden.

Für alle in der Familie war das emotionale Schleuderprogramm kaum auszuhalten.

Andrea B., Großmutter

2008 lernte ihr Sohn Paul seine spätere Frau Lisa kennen, die eine zweijährige Tochter mit in die Beziehung brachte und ganz offen damit umging, dass sie selbst in einem schwierigen Umfeld aufgewachsen war. Misshandlungen und massiver Alkoholkonsum waren täglich präsent und um sie hat sich niemand gekümmert.

„So wurden wir zu der Familie, die Lisa immer vermisst hatte, und auch die kleine Ida fand schnell den Weg in unsere Herzen“, erinnert sich Andrea B. an die Anfänge dieser Geschichte. 2009 heirateten Paul und Lisa. Kurz darauf wurde Charlotte geboren.

Mehrfach musste Gericht entscheiden

Doch die Beziehung war sehr belastet und so kam es 2011 zur Trennung. Obwohl das Sorge- und Umgangsrecht beiden Eltern zuerkannt wurde, musste seitdem wiederholt das Gericht bemüht werden, um den Kontakt zwischen Charlotte, ihrem Vater und den Großeltern zu ermöglichen. „Immer wieder war es Lisa, die bestehende Absprachen aus uns nicht nachvollziehbaren und vermutlich konstruierten Gründen nicht einhielt“, erzählt die Großmutter.

Quälende Gedanke und große Sorge

Auf zeitweise regelmäßige Besuche seien immer wieder Monate der Kontaktverweigerung gefolgt. „Für alle in der Familie war das emotionale Schleuderprogramm kaum auszuhalten“, sagt sie.

Vor allem aber: „Wie verkraftet dies ein kleines Kind? Was passiert mit der Seele eines Kindes, das solchen Ambivalenzen ausgesetzt ist? Diese quälenden Gedanken und die Sorge begleiteten uns ständig in den Phasen der Kontaktverweigerung.“

Zeitweise schien die Welt in Ordnung

2013 entspannte sich die Situation. Über einen Zeitraum von sechs Jahren holte Paul regelmäßig beide Töchter, die mit ihrer Mutter inzwischen im südlichen Schleswig-Holstein leben, zu sich und auch für die Ferienzeiten gab es eine großzügige Regelung. 2014 wurden er und seine neue Lebensgefährtin Eltern einer kleinen Tochter. Charlotte und Ida freuten sich sehr über ihre kleine Schwester. Die Welt schien für alle in Ordnung zu sein.

Aggressive Mutter, weinendes Kind

Doch die Idylle endete in dem Moment, als Paul in die Nähe seiner Eltern zog: „Zunächst genossen wir alle die unkomplizierten Besuche, die durch die fußläufig erreichbare Nachbarschaft möglich wurden. Doch dann teilte Lisa uns unverhofft mit, dass Charlotte keinen Kontakt mehr wolle“, erzählt Andrea B. Erneut wurde das Familiengericht eingeschaltet, Besuche so wieder möglich. „Als wir wenige Wochen später unsere Enkeltöchter abholen wollten, trafen wir auf eine aggressive Mutter und eine weinende Charlotte, die uns herzlich umarmte, dann aber aufgelöst zurück in die Wohnung lief. Ihre Zerrissenheit zu erleben, war furchtbar. Woher soll ein elf Jahre altes Kind die Kraft nehmen, sich gegen die Entscheidung der Mutter zu stellen? Ihre Reaktion, bei der Mutter zu bleiben, ist allzu verständlich. Uns blieb nur ein stiller Rückzug, um weitere Eskalationen zu verhindern“, sagt die Großmutter, die Charlotte seitdem nicht mehr gesehen hat. „Wir sind jederzeit für lösungsorientierte Gespräche offen“, betont sie. „Was aber können wir tun, wenn Gespräche seitens der Mutter nicht gewollt sind?“

Für die ganze Familie vergeht kein Tag, an dem nicht an Charlotte gedacht wird.

Andrea B.

Während der Besuche sei immer wieder deutlich geworden, dass Charlotte sich bei den Großeltern wohl fühlt. „Sie war fröhlich und genoss gemeinsame Rituale“, sagt die Großmutter, der es wichtig ist, ihrer Enkeltochter eine gewisse Kontinuität zu ermöglichen. Zumal Charlottes große Schwester Ida weiterhin gerne zu Besuch kommt. „Dabei wird uns allen immer wieder vor Augen geführt, dass ein wichtiger Mensch fehlt. Für die ganze Familie vergeht kein Tag, an dem nicht an Charlotte gedacht wird. An den Feiertagen und zu Geburtstagen bleibt ihr Platz am Tisch unbesetzt“, sagt Andrea B., die sich machtlos fühlt.

Mutter ist in der Lage, den Kontakt zu unterbinden

Denn: „Selbst wenn wir ein Umgangsrecht einklagen würden und es zugesprochen bekämen, bedeutet dies nicht, dass es auch umgesetzt wird. Die Mutter hat in den letzten Jahren häufig gezeigt, dass sie in der Lage ist, Kontakte – trotz anders lautender Entscheidungen des Gerichts – zu unterbinden.“

Unendliche Schmerzen

Ein vom Gericht beigeordneter Umgangspfleger soll nun das Kindeswohl und den Kindeswillen erkennen. „Es ist ihm bis heute nicht gelungen, mit Charlotte und Lisa in Kontakt zu treten. Wie soll er da erkennen, was das Kind möchte? Meine Befürchtung ist, dass unsere Enkelin ihre innere Freiheit bereits verloren hat und sich mit dem Kontaktabbruch zu ihrem Vater und zu uns arrangiert, um so der Zerrissenheit zu entkommen. Was können wir tun? Kämpfen, akzeptieren? Uns ist es wichtig, dass es Charlotte gut geht. Es schmerzt aber unendlich, wenn dies zur Konsequenz hat, sie auch weiterhin nicht sehen zu können.“

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