„Marsch des Lebens“

Gedenken an Deportationen nach Flensburg im Frühjahr 1945

Gedenken an Deportationen nach Flensburg im Frühjahr 1945

Gedenken an Deportationen nach Flensburg im Frühjahr 1945

Ove Jensen/shz.de
Flensburg
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Gedenkzug mit Abstand und Masken: Der Marsch des Lebens startete am früheren Bahnhof Flensburg-Weiche. Foto: Ove Jensen

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In den letzten Tagen des 2. Weltkriegs trafen hunderte KZ-Häftlinge in Flensburg ein. Ein Gedenkmarsch erinnert an sie.

Der „Marsch für das Leben“ war eigentlich schon vor einem Jahr geplant, zum 75. Jahrestag eines grauenvollen und heute in Flensburg kaum noch bekannten Geschehens: Hunderte KZ-Häftlinge erreichten ausgemergelt die Stadt – per Bahn, per Schiff oder zu Fuß. Getrieben von SS-Aufsehern, die die Häftlinge nicht den vorrückenden alliierten Truppen überlassen wollen.

Holocaust-Gedenktag am 8. April

Aufgrund der Corona-Pandemie hatten die Initiatoren von der Evangelischen Allianz, einem Zusammenschluss verschiedener christlicher Kirchen, den Marsch im vergangenen Jahr abgesagt. Corona prägt den Alltag ein Jahr später zwar immer noch. Am Donnerstag aber fand der Marsch nun statt. Am 8. April, dem israelischen Holocaust-Gedenktag Jom Haschoa.

„Wir wollten Marsch nicht noch einmal absagen“, sagte Mitorganisator Hans-Dieter Schaeffer. „Wir haben uns mit dem Ordnungsamt abgestimmt, und mit Hygiene-Auflagen die Genehmigung für die Veranstaltung bekommen.“

So versammelten sich am frühen Nachmittag rund 50 Teilnehmer zwischen Penny-Markt und Bahngleisen am Ort der einstigen Verladerampe am Bahnhof Weiche. Unter den Teilnehmern war auch Stadtpräsident Hannes Fuhrig (CDU), der in seinem Grußwort dazu aufrief, auch in der Gegenwart „Judenhass und Anti-Israel-Polemik entschieden entgegenzutreten“.

 

Stadtpräsident Hannes Fuhrig bei seinem Grußwort. Foto: Ove Jensen

Horst Otte gab den Teilnehmern einen historischen Einblick in die Ereignisse vom April 1945 in der Stadt. Dann brach die Gruppe auf zu ihrem Erinnerungsmarsch durch die Stadt. Nach Stationen am Gedenkstein für die namenlosen NS-Opfer auf dem Friedhof Friedenshügel und auf dem Hof der jüdischen Gemeinde sollte der Marsch um 17.30 Uhr mit einer Kundgebung an der Hafenspitze unter anderem mit Bürgermeister Henning Brüggemann enden.

250.000 Häftlinge kamen ums Leben

Für Flensburg war es der erste „Marsch des Lebens“. Die Märsche finden seit 2007 an zahlreichen Orten in der ganzen Welt statt.

Rund 700.000 KZ-Häftlinge, die bis zum Frühjahr 1945 überlebt hatten, wurden quer durch Deutschland getrieben. Viele von ihnen in langen Fußmärschen vor den Augen der Zivilbevölkerung. Nach Recherchen von Historikern kamen dabei 250.000 dieser Häftlinge ums Leben. Überlebende aus den KZs Riga und Stutthof erreichten Flensburg über die Ostsee. Mit der Bahn kamen mehrere hundert Häftlinge aus dem KZ Neuengamme nach einer Odyssee quer durch Norddeutschland in Weiche an. Sie wurden dann auf einem Schiff am Flensburger Hafen eingesperrt und erst zwei Tage nach dem Kriegsende von britischen Soldaten befreit.

 

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