Corona-Impfungen

Arztpraxen: Wachsende Belastung und Beschimpfung

Arztpraxen: Wachsende Belastung und Beschimpfung

Arztpraxen: Wachsende Belastung und Beschimpfung

Rebecca Nordmann/shz.de
Kappeln
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Seit drei Wochen impft Dr. Michael von Hobe mit seinem Team die Patienten gegen das Coronavirus. Foto: Marcus Dewanger

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Drei Wochen nach dem Impfstart in Praxen spricht Dr. Michael von Hobe von steigendem Druck der Patienten.

Gestern war wieder so ein Tag. Als Dr. Michael von Hobe anfängt zu erzählen, fällt es schwer, ihn zu bremsen. Das, was er erlebt, muss erzählt werden. Weil er etwas ändern will, ändern muss, damit der Allgemeinmediziner und Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums von Vamed, und vor allem sein Team weiter durchhalten. In der dritten Woche nach dem Impftstart gegen das Coronavirus in den Arztpraxen steigt der Druck in den Praxen, so sagt es von Hobe, ins Unerträgliche. Weil er aber weiterimpfen will, ist er darauf angewiesen, dass die Patienten mitziehen. Von Hobe sagt: „Ein bisschen mehr Verständnis und Rücksicht würden uns gut tun.“

Nach Ostern legten die niedergelassenen Ärzte mit der Corona-Schutzimpfung los, die Zahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen war zum Start überschaubar, und es galt die Devise, dass die Patienten nicht von sich aus in den Praxen nachfragen sollten, stattdessen die Ärzte ihre Patienten einbestellen würden. Allein: Es halten sich nicht alle daran, so berichtet es Michael von Hobe. In seiner Leitungsfunktion hat er Einblick in drei Praxen, und aus allen empfängt er nach eigenen Worten identische Hilferufe.

Die Teams in den Arztpraxen bereiten die Corona-Schutzimpfungen sorgfältig vor. Foto: Marcus Dewanger

Demnach sehen sich die Praxis-Teams immer wieder mit Patienten konfrontiert, überwiegend am Telefon, die offenbar unerlaubte Wege beschreiten, um einen Impftermin zu erhalten. „Bedrohung, Beschimpfung, Bestechung – es kommt alles vor“, sagt Michael von Hobe. „Es ist unglaublich. Und meine Mitarbeiter tun mir so leid.“

Der Kappelner Arzt betont, dass die Immunisierungen neben dem Tagesgeschäft liefen, also auf das tägliche Tun noch oben drauf kämen. Das wiederum bedeute, dass die Praxen ganz anders als bisher gesteuert werden müssten. Der logistische Aufwand sei enorm und nicht so simpel wie bei einer regulären Grippeschutzimpfung. Die Teams hätten zudem im Vorwege Resilienzschulungen absolviert, von Hobe sagt: „Wir versuchen wirklich unser Bestes. Und wir schaffen das auch, aber ich bitte um Verständnis und darum, dass impfwillige Patienten nicht in den Praxen anrufen.“

Zu entscheiden, welcher Patient wie dringlich geimpft wird, machen wir uns nicht leicht. Das schütteln wir nicht mal eben so aus dem Ärmel. Bitte nicht noch mehr Druck von außen oben drauf.

Dr. Michael von Hobe, Allgemeinmediziner

Der Allgemeinmediziner macht deutlich, dass allen Praxen große Verantwortung auferlegt worden sei. „Zu entscheiden, welcher Patient wie dringlich geimpft wird, machen wir uns nicht leicht“, sagt Michael von Hobe. „Das schütteln wir nicht mal eben so aus dem Ärmel.“ Auch deshalb erneuert er seinen Appell: „Bitte nicht noch mehr Druck von außen oben drauf.“

Mehr Impfdosen ab Mai

Ab Mai wird die Anzahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen in den Arztpraxen steigen, das bestätigt der Allgemeinmediziner – „dann wird das Impfen Fahrt aufnehmen“, verspricht er. Im Moment aber ginge es in den Praxen mitunter untragbar zu. „Wir kommen uns manchmal vor wie an der Frankfurter Börse“, sagt von Hobe. „Meine Mitarbeiter haben drei Telefone gleichzeitig in der Hand.“ Dabei sei ein reibungsloser Ablauf einer Impfung stark mit seinen Mitarbeitern verknüpft. „Meine Angestellten sind kostbar“, sagt er. „Und wenn es weiterläuft wie bisher, sind sie nah am Burnout.“

Der Kappelner Arzt berichtet aber auch von Patienten, denen ihr Glück nach einer Corona-Schutzimpfung nicht nur anzusehen ist, sondern die es auch zeigen. Dankbare Patienten, die den Aufwand in den Praxen registrieren und honorieren. Auch deshalb werden Michael von Hobe, sein Team und die Ärzte in anderen Praxen weiterimpfen – und auf verständnisvolle Patienten hoffen.

 

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