Nationalsozialismus
Schreibarbeit im KZ Stutthof war Beihilfe zum Massenmord: Das sind die Reaktionen auf das BGH-Urteil
Urteil wegen Beihilfe zum Mord im KZ Stutthof: die Reaktionen
Die Reaktionen auf das Stutthof-Urteil
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Kann sich eine zivile Sekretärin in einem Konzentrationslager mitschuldig am Massenmord gemacht haben? Diese Frage hat der Bundesgerichtshof eindeutig im Fall einer Frau aus Quickborn in Schleswig-Holstein mit Ja beantwortet.
Es ist eine historische Grundsatzentscheidung, die der Bundesgerichtshof getroffen hat: Auch eine zivile Sekretärin kann mitschuldig an einem Massenmord in einem Konzentrationslager sein. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BHG) in Leipzig hatte am Dienstag (20. August) eine Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Itzehoe verworfen.
Die inzwischen 99-jährige Irmgard F., die in einem Seniorenheim in Quickborn im Kreis Pinneberg lebt, war im Dezember 2022 in Itzehoe wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen sowie zum versuchten Mord in 5 Fällen zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Diese Entscheidung ist jetzt rechtskräftig.
Irmgard F. war in Leipzig nicht anwesend
Eine Reaktion der Angeklagten gibt es nicht. Sie war nicht nach Leipzig gekommen und hatte auch bei der Verhandlung am Landgericht Itzehoe überwiegend geschwiegen. Nur am Ende der Verhandlung hatte sie sich damals kurz zu Wort gemeldet und gesagt:
Das sagen Verteidiger und Nebenkläger
Einer ihrer Verteidiger, der Rechtsanwalt Wolf Molkentin sagte nach dem BGH-Urteil in Leipzig, er bewerte es positiv, dass der BGH ein Grundsatzurteil gefällt habe. Anwälte der noch verbliebenen 23 hochbetagten Nebenkläger in dem Verfahren äußerten sich nach der Verkündung des Urteils zufrieden. Ihr in Israel lebender Mandat werde sicherlich erleichtert und froh sein, sagte Rechtsanwältin Christine Siegrot:
Das sagt der Zentralrat der Juden
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßte die Entscheidung ebenfalls:
Gegenüber der Jüdischen Allgemeine sagte Schuster zudem, dass er das Urteil gegen Irmgard F. als richtig empfinde. Es gehe nicht darum, die heute 99-Jährige für den Rest ihres Lebens hinter Gitter zu stecken. Es gehe darum, dass sich eine Täterin für ihre Taten verantworten und Worte finden muss, für das, was geschehen ist und für das, woran sie beteiligt war, zitiert das Portal den Präsidenten des Zentralrats der Juden.
Die Tagesschau kommentiert, dass es wichtig sei, dass der Bundesgerichtshof jetzt festgestellt habe, dass auch eine zivile Schreibkraft wie Irmgard F. eine Gehilfin des Holocaust gewesen ist. Das Urteil komme aber viele Jahrzehnte zu spät.