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Wikinger hatten häufiger dunkles Haar als heutige Skandinavier

Wikinger hatten häufiger dunkles Haar als heutige Skandinavier

Wikinger hatten häufiger dunkles Haar als Skandinavier heute

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Kopenhagen/Apenrade
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Das Maskottchen der Minnesota Vikings bedient so ziemlich alle Klischees, die es noch immer über Wikinger gibt. Dabei waren sie ein bunt gemischtes Volk und meist wohlfrisiert, wie die Forschung heute weiß. Foto: Tim Mielke/Unsplash

Das durchgängig blonde Haar kann ebenso in die Mythenkiste gesperrt werden wie der Helm mit Hörnern, zeigen umfassende neue DNA-Analysen. Die Wikinger waren nicht nur längst nicht alle Seefahrer – sie waren auch kein homogenes Volk.

Frauen und Männer in Dänemark und Skandinavien insgesamt haben heute häufiger blondes Haar, als dies zur Zeit der Wikinger, also etwa von 750 bis 1050, der Fall war. Das zeigen die umfassendsten Analysen, die jemals an fossiler DNA vorgenommen worden sind, berichtet das Wissenschaftsmagazin „videnskab.dk“.

Die Wikinger waren häufiger genetisch disponiert, dunkles Haar zu haben, als dies heute in Skandinavien der Fall ist. Diejenigen unter ihnen, die auf Reisen gingen, haben ihr Erbgut mit der Bevölkerung in Südeuropa gemischt, und Menschen mit Herkünften aus aller Welt mischten sich mit und wurden zu Wikingern.

Größte Studie ihrer Art aller Zeiten

Der wissenschaftliche Leiter Eske Willerslev und seine Kolleginnen und Kollegen von der Universität Kopenhagen haben es mit ihrer neuen Studie zuletzt bis auf die Titelseite der angesehenen Wissenschaftszeitschrift „Nature“ gebracht. Schließlich ist sie in ihrem Umfang einzigartig.

Sie haben die Überreste von 298 Menschen, die in einem Zeitraum von ungefähr 4.000 Jahren  in Nordeuropa lebten, untersucht. Die DNA-Profile reichen somit von der Bronzezeit bis etwa ins Jahr 1600.

442 Knochenreste aus Gräbern in Skandinavien und den Zielländern der Wikinger wurden untersucht. Noch nie zuvor wurde eine solche Menge an sogenannten Ganzgenomsequenzierungen für eine Studie vorgenommen.

Genetischer Schmelztiegel: Wikinger waren viele Ethnien

Die Analysen zeigen, dass die Wikingerzeit einen Wendepunkt in Europas Geschichte darstellte. Der Kontinent wurde zum genetischen Schmelztiegel – und gerade Menschen aus den Regionen im heutigen Dänemark und Schweden mischten ihr Erbgut mit Menschen aus ganz Europa.

„Ab dem Ende der Eisenzeit und durch die gesamte Wikingerzeit hindurch kam ein gewaltiger Genfluss nach Dänemark und Südschweden, aus Süd- und Osteuropa und in geringerem Maße auch aus Asien“, sagt Willerslev, Professor am Lundbeckfondens Center for Geogenetik im Globe Institute an der Uni Kopenhagen.

Woher der große Strom an Erbgut genau kam, können die Forscher nicht sagen, sie vermuten die Region um Süddeutschland und Frankreich.

Die Wikinger waren also ein ethnisch äußerst durchmischtes Volk, eine vielfältige Gruppe von Menschen mit höchst unterschiedlicher DNA.

„Die Wikinger waren ein extrem diverses Phänomen, was die Ethnizität anbelangt“, sagt Willerslev.

Bart
Dunkles Haar, hinten kurz, vorne lang, gepflegter Bart: So könnte auch ein Wikinger ausgesehen haben. Nur die Jeansjacke gab es damals wohl noch nicht. Foto: Joackim Weiler/Unsplash

Schon damals gab es homogene Provinz und vielfältigen Austausch nebeneinander

In küstennahen Gebieten Dänemarks, sowie auf Öland und Gotland, hat die Diversität im Laufe der Wikingerzeit zugenommen. „Dänemark und Südschweden waren Handelszentren. Es gab regen Austausch, wahrscheinleich auch Handel mit Sklaven, es überrascht also nicht“, sagt Ashot Margaryan, Assistent an der Universität Kopenhagen und Mitverfasser der Studie.

Eine überraschende Erkenntnis: Die Wikinger, die im Bereich des heutigen Norwegen lebten, waren zurückhaltender. Ihre DNA hat sich im Laufe der Jahrtausende kaum verändert. „Als wir Knochen aus der Wikingerzeit, die in Norwegen gefunden wurden, sequentierten, zeigte sich, dass sie genetisch so aussahen, wie die der Skandinavier vor 6.000 Jahren“, so Willerslev.

Auch Funde aus Jütland und Småland in Schweden zeigen, dass die Menschen dort sich ebenfalls nicht sonderlich häufig mit Menschen anderer Ethnizität vermischten. Die Durchmischung in Skandinavien fand also offensichtlich in recht begrenzten küstennahen Gebieten statt.

„In der Wikingerzeit gab es drei Hauptzentren: Dänemark, Öland und Gotland. Der Rest Skandinaviens scheint Provinz gewesen zu sein, wo nicht sonderlich viel vor sich ging“, so Willerslev weiter.

Zahlreiche Mythen werden von der Forschung widerlegt

In weiteren, dänischsprachigen, Artikeln (Links siehe unten) räumt „videnskab.dk“ neben dem durchgängig blonden Haar auch mit anderen Mythen rund um die Wikinger auf.

Zum Beispiel waren die Menschen in Skandinavien damals durchaus nicht die Raubeine, zu denen sie in Filmen und Comics gerne gemacht werden. Die Männer hatten gepflegtes, kurzes Haar – wenn sie auf Raubzüge gingen, waren sie sogar kahl geschoren. Bärte trugen sie – aber auch diese waren gepflegt und gestutzt. Sie wuschen sich auch öfter als Menschen anderswo, zum Beispiel auf den britischen Inseln. So kultiviert wie die Araber, denen sie begegneten, waren sie aber nicht.

Die Wikingermänner waren, verglichen mit Menschen heute, nicht sonderlich groß und ihre Gesichtszüge waren deutlich femininer als die heutiger männlicher Skandinavier, zeigen Skelettfunde. Und die Frauen von damals, sie sahen männlicher aus, von Statur und Gesicht her, als Frauen von heute es tun.

Auch die Hörner auf den Helmen gab es bei den Wikingern nicht – das wäre viel zu unpraktisch gewesen. Die Kostümierung in der Uraufführung der berühmten Wagner-Oper „Ring des Nibelungen“ von 1876 war schuld an dem Bild der Wilden aus dem Norden – das sich dann bis nach Skandinavien ausbreitete, wo der gehörnte Helm später zum Beispiel bei Fußballfans populär wurde.

 

 

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