Pflegeskandal

TV2 darf vermutlich umstrittenen Dokumentarfilm zeigen

TV2 darf vermutlich umstrittenen Dokumentarfilm zeigen

TV2 darf vermutlich umstrittenen Dokumentarfilm zeigen

Aarhus/Kopenhagen
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Vermutlich kann die Bevölkerung demnächst sehen, was sich im Pflegeheim „Kongsgården“ abgespielt hat. Foto: Henning Bagger/Ritzau Scanpix

Die Kommune Aarhus besteht nicht mehr auf einem Verbot der versteckten Aufnahmen vom Pflegeheim „Kongsgården“.

Die kurzen Ausschnitte, die von einem Dokumentarfilm über das Pflegeheim „Kongsgården“ in Aarhus stammen, haben bereits für eine intensive Debatte über die Seniorenpflege gesorgt. Nun kann TV2, aller Voraussicht nach, den gesamten Film ausstrahlen.

Die Kommune Aarhus hat eine Kehrtwende vollzogen und fordert nun nicht mehr ein Verbot des Filmes.

Der Film ist zum Teil mit versteckter Kamera aufgenommen und zeigt den Umgang mit der 90-jährigen Else. Die Kommune argumentierte, dass sie die demente Frau schützen müsse, da sie nicht selbst zu den Aufnahmen Stellung beziehen könne. Daher erwirkte die Kommune zunächst beim Gericht in Aarhus und dann beim Landesgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Film.

Der Vormund der 90-Jährigen, eine Enkelin und auch die übrige Familie haben die Aufnahmen ausdrücklich befürwortet, da sie den entwürdigenden Umgang mit der 90-Jährigen aufzeigen wollten.

TV2 sieht Sieg für Angehörige

Auch wenn der neue Schritt der Kommune noch nicht bedeutet, dass die einstweilige Verfügung aufgehoben ist, so schätzt eine Expertin ein, dass dem nun nichts mehr im Wege steht.

„Da die Kommune Aarhus nun sagt, man wolle das Verbot, das man selbst erwirkt hat, nicht verfolgen, ist es in der Realität ja aufgehoben. Dann ist es nur eine Formalität, es rein formal auch aufzuheben“, sagt Vibeke Borberg, Anwältin im Bereich Medienrecht zu TV2.

Nachrichtendirektor Mikkel Hertz bei TV2 freut sich über die Entscheidung der Kommune, die sowohl Ratsherrin Jette Skive (DF) als auch Bürgermeister Jakob Bundgaard (Soz.) tragen.

„Das ist ein wichtiger Sieg, nicht nur für TV2, sondern auch für die demente Frau und ihre Angehörigen, die dafür gekämpft haben, auf die Verhältnisse aufmerksam zu machen“, sagt Hertz zu Ritzau.

Mette F. möchte mehr Mittel für die Pflege

„Ekstra Bladet“ hatte sich entschieden, dem Verbot zu trotzen und hat einige wenige Minuten der versteckten Aufnahmen veröffentlicht. Sie zeigen, wie die 90-jährige Frau in einer Schlinge über ihrem Bett hängt, während zwei Pflegerinnen erzwingen wollen, dass sie ihren Stuhlgang verrichtet.

Die Aufnahmen haben eine intensive Debatte über die Seniorenpflege ausgelöst, und Montag meldete sich auch Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) auf Facebook zu Wort. Sie meint, dass die Pflege vielerorts mit der nötigen Professionalität und Menschlichkeit ausgeübt werde. Es gebe jedoch auch fehlenden Respekt und Trostlosigkeit.

„Glaube die Probleme kommen aus verschieden Ecken und haben unterschiedliche Ursache. Ganz einfach gesagt, fehlt es an Mitteln. Händen und Köpfen. Zeit und menschlichem Überschuss. Wir haben angefangen der Wohlfahrt wieder höheren Rang beizumessen, aber es wird Zeit brauchen“, schreibt sie.

Bürgerliche Kritik

Es sei jedoch falsch, die Ursache der Probleme ausschließlich bei fehlenden Mitteln zu verorten, lautet die Reaktion der Opposition.

„Es ist zu einfach zu sagen, es fehlen Mittel. Was hier fehlt, ist Empathie, Verantwortungsbewusstsein, gute Leitung und  etwas so Grundsätzliches wie Ordentlichkeit und Menschlichkeit“, schreibt Venstre-Chef Jakob Ellemann Jensen auf Twitter.

Der konservative Vorsitzende Søren Pape Poulsen sieht das ähnlich.

„Nicht alles kann mit einem Scheck gelöst werden. Es standen zwei Mitarbeiterinnen neben Else. Es geht um schlechte Leitung und um gewisse Mitarbeiter, die sofort von ihrem Job befreit werden sollten. Menschlichkeit und Respekt kosten keine einzige Krone extra“, schreibt er auf Twitter.

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