Gesundheit

Sozial benachteiligte Menschen sterben in Dänemark deutlich früher

Sozial benachteiligte Menschen sterben in Dänemark deutlich früher

Sozial benachteiligte Menschen sterben deutlich früher

ghe/Ritzau
Kopenhagen
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Geringes Einkommen, Obdachlosigkeit und Gesundheit: Es gibt viele Gründe, warum Menschen sozial ausgegrenzt werden. /Symbolbild Foto: Erik Petersen

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Die Ungleichheit im Gesundheitsbereich ist in Dänemark nach wie vor ein großes Problem. Zwar steigt die Lebenserwartung sozial benachteiligter Menschen, doch sterben sie im Durchschnitt immer noch 17 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung.

Menschen, die in sozialer Ausgrenzung leben, leben zwar länger als noch vor ein paar Jahren, sterben aber immer noch viel zu früh im Vergleich zum Rest der Bevölkerung. Das zeigt die neue SUSY-Udsat-Studie des Rates für sozial Benachteiligte (Rådet for Socialt Udsatte). 

Die Ungleichheit müsse mit fundamentalen Veränderungen im Gesundheitssystem bekämpft werden, fordert der Rat. Mit der Gesundheitsstrukturkommission der Regierung gebe es die einmalige Chance, diese Veränderungen zu schaffen, heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung.

„Dies ist in einem Land wie Dänemark inakzeptabel und deutet leider auf ein Gesundheitssystem hin, das nicht in der Lage ist, sozial benachteiligten Menschen ausreichend zu helfen“, sagt Kira West, Vorsitzende des Rates.

Unterversorgung mit medizinischem Fachpersonal

Die vom staatlichen Institut für öffentliche Gesundheit (SIF) erstellte Studie zeigt unter anderem, dass sozial benachteiligte Menschen deutlich seltener zu Fachärztinnen und Fachärzten und gehen und nur leicht häufiger zur eigenen Hausärztin und dem eigenen Hausarzt, obwohl sie in allen Parametern einen schlechteren Gesundheitszustand haben als der Rest der Bevölkerung.

Gleichzeitig werden sozial Benachteiligte sehr viel häufiger als die übrige Bevölkerung in Krankenhäuser und in die Psychiatrie eingewiesen, und sie nehmen in hohem Maße Notdienste in Anspruch.

Dies ist in einem Land wie Dänemark inakzeptabel und deutet leider auf ein Gesundheitssystem hin, das nicht in der Lage ist, sozial benachteiligten Menschen ausreichend zu helfen.

Kira West, Vorsitzende des Rates für sozial Benachteiligte

Betroffene müssen notwendige Hilfen bekommen

„Es hat schwerwiegende menschliche und gesellschaftliche Folgen, wenn versäumt wird, Menschen in sozialer Ausgrenzung zu erkennen und zu behandeln, bevor es akut wird“, sagt Kira West. Es sei daher ein Anliegen des Rates, dass die Gesundheitsstrukturkommission und die Psychiatriereform zu grundlegenden Veränderungen führen. Sozial benachteiligte Menschen benötigten einen echten Zugang zu und Nutzen aus der Behandlung.

„Wir haben die einmalige Chance, die Reformschienen zusammenzuführen und ein System zu schaffen, das sektor- und verwaltungsübergreifend funktionieren kann. Sozial benachteiligte Menschen haben komplexe Probleme und brauchen oft Hilfe bei der Gesundheitsversorgung sowohl in den Kommunen als auch in den Regionen. Das funktioniert heute nicht“, sagt Kira West.

Die Gesundheitsstrukturkommission solle nach dem „Keine falsche Tür“-Prinzip arbeiten. Dies stelle sicher, dass die Personengruppe die notwendige Hilfe bekommt – unabhängig davon, ob sie über die Notaufnahme, die Psychiatrie, die Ärztin, den Arzt oder die Kommunalverwaltung mit dem öffentlichen Sektor in Kontakt kommen. Außerdem solle es verpflichtend sein, dass niemand der Bürgerin oder dem Bürger die Unterstützung entzieht, bis die richtige Behörde oder das richtige Behandlungsprogramm gefunden ist.

Es seien die Unterstützungssysteme und nicht die gefährdeten Menschen selbst, die dafür verantwortlich seien, die richtige Hilfe zu finden, sagt Kira West. Auch die Rahmenbedingungen für Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner sollten geändert werden, damit sie sich besser auf sozial benachteiligte Menschen einstellen können.

„Eine 15-minütige Konsultation zu einem einzigen Problem ist beispielsweise nicht sinnvoll, wenn man mehrere komplexe soziale und gesundheitliche Probleme hat“, sagt Kira West.

Der Rat empfiehlt zudem, das Wissen des Fachpersonals im Gesundheitswesen zu verbessern und mehr Anlaufstellen einzurichten. Diese Einrichtungen, sogenannte „Half-Way-Houses“ können sicherstellen, dass die Behandlung nach einem Krankenhausaufenthalt und einer psychiatrischen Einweisung fortgesetzt wird, sie können aber auch dazu dienen, einen Krankenhausaufenthalt zu verhindern.

Mehr über die Empfehlungen des Rates und den SUSY-Udsat-Bericht gibt es im Internet unter www.udsatte.dk.

Daten zu der Studie

  • Sozial benachteiligte Menschen sterben im Durchschnitt 17 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung. Im Jahr 2021 lag die durchschnittliche Lebenserwartung für sozial benachteiligte Menschen bei 64 Jahren, während sie für die übrige Bevölkerung 81 Jahre betrug.
  • Sozial benachteiligte Menschen haben bei allen Parametern einen schlechteren Gesundheitszustand als die übrige Bevölkerung. So werden sozial benachteiligte Männer fünfmal häufiger – und sozial benachteiligte Frauen 15-mal häufiger – mit Infektionskrankheiten ins Krankenhaus eingeliefert als Männer und Frauen der übrigen Bevölkerung.
  • Trotz ihres schlechten Gesundheitszustands ist die Wahrscheinlichkeit, dass sozial benachteiligte Menschen eine Hausarztpraxis aufsuchen, nur etwa 1,5-mal höher als bei der übrigen dänischen Bevölkerung.
  • Umgekehrt nehmen sozial benachteiligte Menschen andere Gesundheitsdienste wie Fachkliniken und Zahnärztinnen oder -ärzte deutlich seltener in Anspruch. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass sozial benachteiligte Männer und Frauen einen Facharzt aufsuchen, um 45 bzw. 42 Prozent geringer als bei Männern und Frauen der Allgemeinbevölkerung.

SUSY Udsat wird vom staatlichen Institut für öffentliche Gesundheit (SIF) an der Universität Süddänemark (SDU) erstellt und gibt Aufschluss über den Gesundheitszustand, die Morbidität und die Mortalität von sozial benachteiligten Menschen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung. Die Erhebung, die auf Analysen dänischer öffentlicher Register basiert, wird seit 2007 alle fünf Jahre veröffentlicht.

 

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