Arbeitsbedingungen versus Klimawandel

Forscher warnen: Grüne Umstellung erfordert viele Rohstoffe

Forscher warnen: Grüne Umstellung erfordert viele Rohstoffe

Forscher warnen: Grüne Umstellung erfordert viele Rohstoffe

nb/videnskab.dk
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
„Die Rohstoffgewinnung hat Konsequenzen für die Natur. Wir sind gezwungen, zu diesen Bedingungen Stellung zu beziehen“, sagt Per Kalvig. Er arbeitet als Chefberater am Wissenszentrum für Mineralische Rohstoffe und Materialien bei GEUS. Foto: Adam Rhodes/unsplash.com

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Wenn die Welt nachhaltiger werden soll, werden dafür jede Menge Rohstoffe benötigt. Doch ihre Gewinnung findet oftmals unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen statt. Forscher fordern deshalb Absprachen für eine verantwortungsvolle Rohstoffgewinnung sowie die Einführung eines Recyclingsystems für wertvolle Elemente.

Rohstoffe wie Lithium und Kobalt sind zentrale Elemente, die zur Herstellung von wiederaufladbaren Batterien benötigt werden. Diese finden in einer wachsenden Zahl von Elektroautos Einsatz oder werden zum Speichern von Strom aus Wind- und Solarenergie benötigt.

Jedoch hat die umfassende Jagd nach wertvollen Elementen wie Kobalt Konsequenzen für die Umwelt und den Menschen. Davor haben mehrere Forscher auf einem vor Kurzem vom Dänischen Institut für Internationale Studien (DIIS) durchgeführten Seminar aufmerksam gemacht.

Rohstoffgewinnung in Minen ohne Arbeitsschutz

In mehreren Fällen liegen Dokumentationen dafür vor, wie Kobalt, das zur Herstellung von Lithiumbatterien benötigt wird, in kleinen, deregulierten Minen in der Demokratischen Republik Kongo von Kindern ohne Helme, Masken und mit primitiven Hilfsmitteln wie Schaufeln gewonnen wird.

„Teile der Rohstoffgewinnung sind heutzutage auf der Südhalbkugel der Erde konzentriert. Die Rohstoffe werden von den Arbeitern unter extrem schlechten Arbeitsbedingungen gewonnen. Dabei wird in der Regel nicht auf die umliegende Natur oder die Umwelt im Allgemeinen Rücksicht genommen“, sagt Peer Schouten, Seniorforscher bei DIIS.

Massiver Nachfrageanstieg nach Rohstoffen

Der große Bedarf nach nachhaltigen, grünen Technologien sorgt für einen massiven Anstieg der Rohstoff-Gewinnung. So kann allein die Nachfrage nach Kobalt in den kommenden 20 Jahren 6- bis 30-mal höher ausfallen, vermutet die Internationale Energieagentur.

Die Förderung hat Konsequenzen für die Natur. Wir sind gezwungen, zu diesen Bedingungen Stellung zu beziehen, da wir die mineralischen Rohstoffe, die wir so dringend für die grüne Umstellung benötigen, anderweitig nicht herstellen können. Aber wie sollen wir das gegeneinander aufrechnen? Wir können auch nicht einfach die fossile Energiepolitik mit ihrem umfangreichen Ausstoß an Kohlendioxid fortsetzen.

Per Kalvig, Chefberater am Wissenszentrum für Mineralische Rohstoffe und Materialien bei GEUS

Über 60 Prozent des Kobalts, das zur Leistungssteigerung von Batterien verwendet wird, kommt aus der von Unruhen geprägten Demokratischen Republik Kongo, ein Land, das besonders reich an Rohstoffen ist.

Die Nachfrage nach Rohstoffen wird bereits in den kommenden 20 Jahren enorm in die Höhe schnellen, dazu zählen die zur Produktion von Batterien verwendeten Elemente Kobalt, Lithium und Kohlenstoff in Form von Graphit.

Mangelnde Infrastruktur in der westlichen Welt

Allerdings hält die Erde ausreichend Seltene Erden und andere Rohstoffe vor, die für eine grüne Umstellung benötigt werden, versichert Per Kalvig. Er arbeitet als Chefberater am Wissenszentrum für Mineralische Rohstoffe und Materialien bei GEUS.

Jedoch gibt er zu bedenken, dass die westliche Welt überhaupt nicht über die nötige Infrastruktur verfügt, um die Rohstoffe zu verarbeiten, die die Umstellung auf eine nachhaltigere Welt erfordert. Aus diesem Grunde komme es immer wieder zu Versorgungsengpässen.

China hat inzwischen eine Führungsposition eingenommen und produziert einen Großteil der weltweiten Rohstoffe, während es zugleich auch immer mehr Minen in der Demokratischen Republik Kongo betreibt.

Dabei ist das Land allerdings bei Weitem nicht das einzige, in dem es an ausreichender Kontrolle bei der Rohstoffgewinnung mangelt, die mit spürbaren Konsequenzen für Umwelt und die lokale Bevölkerung einhergeht. Per Kalvig fordert, dass diese Zustände geändert werden.

Dilemma zwischen Arbeitsbedingungen und Klimakrise

Gleichzeitig verweist er allerdings auch darauf, dass die Welt sich bereits mitten in einer Klimakrise befindet, die mit einer Zunahme an Hitzewellen und anderen extremen Wetterverhältnissen einhergeht.

„Die Förderung hat Konsequenzen für die Natur. Wir sind gezwungen, zu diesen Bedingungen Stellung zu beziehen, da wir die mineralischen Rohstoffe, die wir so dringend für die grüne Umstellung benötigen, anderweitig nicht herstellen können. Aber wie sollen wir das gegeneinander aufrechnen? Wir können auch nicht einfach die fossile Energiepolitik mit ihrem umfangreichen Ausstoß an Kohlendioxid fortsetzen", sagt Per Kalvig.

„Wenn man beides gegeneinander aufwiegt und Rohstoffgewinnung als schädlich brandmarkt, dann muss man dies auch im Verhältnis zur Alternative betrachten, nämlich den Klimawandel, der mit großen Konsequenzen für die Erde einhergeht.“

Alternative Grundstoffe zur Herstellung grüner Technologien

Die steigende Nachfrage unterstreiche den Bedarf, neue Lösungen zu finden, sagt Innovationsforscherin Lykke Margot Ricard, die an der Süddänischen Universität zum Thema Nachhaltigkeit forscht.

Derzeit besteht die Herausforderung darin, dass es günstiger ist, neue Produktkomponenten zu kaufen, als die alten wiederzuverwerten. Deshalb müssen wir uns den Designprozess genau anschauen; außerdem muss es einfacher werden, Rohstoffe aus technischen Geräten zurückzugewinnen, sodass wir mehr Teile wiederverwerten können.

Lykke Margot Ricard, Innovationsforscherin an der Süddänischen Universität

Es sei ungeheuer wichtig, die Verwendung alternativer Grundstoffe und Materialien zur Herstellung grüner Technologien zu erforschen, während man gleichzeitig wesentlich besser darin werden müsse, die Rohstoffe wiederzuverwerten, als das heutzutage der Fall sei.

„Derzeit besteht die Herausforderung darin, dass es günstiger ist, neue Produktkomponenten zu kaufen, als die alten wiederzuverwerten. Deshalb müssen wir uns den Designprozess genau anschauen; außerdem muss es einfacher werden, Rohstoffe aus technischen Geräten zurückzugewinnen, sodass wir mehr Teile wiederverwerten können, und dies zu einem höheren Wert“, sagt Lykke Margot Ricard.

Pfandsystem für eine zirkuläre Wirtschaft

Schaut man sich das Kobald in den Lithiumbatterien genauer an, gibt es gute Neuigkeiten: Das Material kann wiederverwertet werden. Daran wird intensiv geforscht, und Autohersteller haben mit der Einführung von Programmen begonnen, die eine Wiederverwertung von Kobalt unterstützen oder seine Verwendung zumindest reduzieren.

Lykke Margot Ricard schlägt zudem die Idee eines Pfandsystems vor, bei dem die Unternehmen Geld dafür erhalten, wenn sie gebrauchte Elektronik zurückliefern, sodass die Rohstoffe in einem zirkulären Kreislauf verbleiben können.

„Je mehr wir wiederverwerten können, desto weniger müssen wir neue Rohstoffe gewinnen“, sagt sie.

Mehr lesen