Bauprojekt

Andreas Scheuer greift Grüne wegen Belttunnel an

Andreas Scheuer greift Grüne wegen Belttunnel an

Andreas Scheuer greift Grüne wegen Belttunnel an

Henning Baethge/shz.de
Berlin/Kiel
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Legt sich mit den Grünen an: Andreas Scheuer Foto: Michael Kappeler

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Der CSU-Politiker wirft der Ökopartei wegen ihrer Kritik an dem Bauwerk eine Doppelmoral vor – die will jetzt im Kieler Landtag ihren Frieden mit dem Projekt machen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die Grünen wegen ihres Widerstands gegen den deutsch-dänischen Fehmarnbelt-Tunnel kritisiert und ihnen Doppelmoral vorgeworfen. Im Bundestag höre man von den Grünen „sehr oft den Grundsatzappell, mehr für die Schiene zu tun“, sagte der CSU-Minister diese Woche in Berlin. „Aber wenn man dann vor Ort ist, ist die Meinung plötzlich eine andere – nämlich, dass man dann dagegen ist wie bei der Fehmarnbeltquerung.“ Scheuer hielt den Grünen vor, dass sie gegen den per Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark vereinbarten Straßen- und Schienentunnel „seit Jahren ankämpfen“.

Die Grünen im Bundestag lehnen den Tunnel bisher ab

Allen voran der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz aus Mölln hat im Bundestag wiederholt einen Stopp des gut sieben Milliarden Euro teuren Tunnels gefordert. Zwar bezahlt Dänemark das 18 Kilometer lange Bauwerk allein, doch muss Deutschland die Anbindung des Hinterlands auf Schiene und Straße aufwändig ausbauen – und dafür werden nach aktuellem Stand weitere vier Milliarden Euro fällig.
 
„Sie verbuddeln vier Milliarden Euro für die Anbindung eines vor über 30 Jahren im Kalten Krieg geplanten Tunnels für lächerliche 10.000 Autos am Tag“, wetterte Notz daher in der bisher letzten Bundestagsdebatte über den Fehmarnbelt im Juli gegen Scheuer. Und er bezweifelte, dass durch den Tunnel mehr Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene verlagert werde.

Auch Schleswig-Holsteins Grünen-Chef Steffen Regis hat sich sehr kritisch zum Belttunnel geäußert. „Nicht nur finanziell, sondern auch ökologisch ist das Projekt der größte anzunehmende Unsinn, der in diesem Land betrieben wird“, sagte er vor einem Jahr.

Selbst nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im November alle Klagen gegen das Projekt abgewiesen hatte, akzeptierte Regis zwar das Urteil, nannte den Tunnelbau aber weiterhin „aus ökologischer und wirtschaftlicher Perspektive falsch“. Der grüne Landeschef sorgt sich ebenso wie die zwei vor Gericht gezogenen Naturschutzverbände um die Schweinswale im Belt und die schützenswerten Riffe. Beide Verbände erwägen daher sogar noch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das Urteil aus Leipzig.

Die Grünen-Fraktion im Kieler Landtag macht dagegen jetzt ihren Frieden mit dem Ostseetunnel. Schon im Koalitionsvertrag des Jamaika-Bündnisses mit CDU und FDP hatten die Grünen vor vier Jahren wohl oder übel anerkannt, dass „das Land die notwendigen Maßnahmen des Bundes durchzuführen hat“ und „die neuen Möglichkeiten nutzen“ wolle, „die mit dem Projekt verbunden sind“. Nun gehen die Grünen heute einen Schritt weiter und bringen in den Landtag gemeinsam mit ihren Koalitionspartnern einen Antrag ein, der in einem Zehn-Punkte-Katalog vor allem die Chancen des Belttunnels betont.

Die Grünen im Landtag setzen jetzt auf „positive Effekte“

„Der Landtag erkennt, dass die feste Fehmarnbeltquerung eine zusätzliche verkehrliche Anbindung Skandinaviens an Zentraleuropa leistet, durch die Europa stärker zusammenwachsen und eine neue deutsch-dänische Grenzregion entstehen wird“, heißt es in dem Antrag der Jamaika-Koalition.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht grünes Licht für den Tunnelbau gegeben habe, gelte es nun „bei allen unterschiedlichen Auffassungen zur Vergangenheit und Entstehung des Projekts, das Gesamtvorhaben zu realisieren, die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten und zugleich die positiven Effekte bestmöglich zu heben“. Unter anderem hoffe man, dass „möglichst viele lokale Unternehmen“ beim Bau des Tunnels mithelfen können.

Der Landtag erkennt, dass die feste Fehmarnbeltquerung eine zusätzliche verkehrliche Anbindung Skandinaviens an Zentraleuropa leistet, durch die Europa stärker zusammenwachsen wird.
Aus dem Antrag der Kieler Jamaika Koalition
Vor allem aber will das Jamaika-Bündnis durch eine „zukunftsgerichtete Landesplanung“ die Region an der Strecke zum Belt stärken. Dazu sollen „attraktive, auch interkommunale Gewerbeflächen“ in beschleunigten Planungsverfahren entwickelt werden – „damit zu erwartende Ansiedlungen im größtmöglichen Maße in Schleswig-Holstein realisiert werden.“
 
Zudem plant die Koalition einen „Wasserstoff-Korridor“, der den Aufbau einer „durchgängigen Wasserstofftankstellen-Infrastruktur entlang der Verkehrsachse von Hamburg über Kopenhagen bis nach Oslo vorsieht“. Auch das Glasfasernetz soll an der Vogelfluglinie ausgebaut werden. Nicht zuletzt will die Landesregierung die regionale Kooperation mit Dänemark verbessern – in Bildung, Forschung, Arbeitsmarkt, Kultur, Sport und Tourismus.
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