Wahlkampf

Wie die Regierung vielen Steuerzahlenden mehr Geld geben will – und warum manche das ungerecht finden

Regierung will Steuerzahlenden mehr Geld geben – manche finden das ungerecht

„Ungerecht“: Linke kritisieren Bonus für Steuerzahlende

Kopenhagen
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Die Regierungschefin (Mette Frederiksen, rechts) und die Spitzen ihrer bisherigen Unterstützerparteien (Archivfoto). Beim Thema Steuersenkung herrscht Uneinigkeit. Von links: Sofie Carsten Nielsen, Mai Villadsen und Pia Olsen Dyhr. Foto: Jens Dresling/Ritzau Scanpix

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Die regierende Sozialdemokratie zieht mit dem Versprechen von höheren Freibeträgen auf Löhne und Gewinne in den Wahlkampf. Ihren linken Verbündeten schmeckt das nicht – bei anderen kommt der Plan jedoch gut an. Wir erklären, was es mit dem Plan und der Kritik daran auf sich hat.

Jetzt sei nicht die Zeit für Steuersenkungen. Das schreibt die Vorsitzende der Sozialistischen Volkspartei (SF) am Sonntag auf Twitter, nachdem die Regierung einen Entwurf vorgelegt hat, laut dem die Steuern auf Arbeit indirekt gesenkt werden sollen, indem der Beschäftigungsfreibetrag erhöht wird. Vier Milliarden Kronen sind dafür veranschlagt.
 

Baustelle
Wer für seine Arbeit Einkünfte erzielt, von denen die Steuerbehörde Skat den sogenannten AM-Beitrag abzieht, soll künftig weniger Steuern zahlen, schlägt die Regierung vor (Symbolfoto). Foto: Cornelius von Tiedemann

Was ist der Beschäftigungsfreibetrag?

• Der Beschäftigungsfreibetrag ist ein Bonus für alle, die ihr Einkommen durch selbstständige oder beschäftigte Arbeit verdienen, anstatt es durch öffentliche Transferleistungen (also Sozialleistungen wie Sozialhilfe usw.) zu beziehen.

• Der Satz beträgt 2022 10,65 Prozent des zu versteuernden Einkommens und maximal 43.500 Kronen.

• Alleinerziehende, die zusätzliche Kinderzuschüsse erhalten, dürfen zusätzliche 6,25 Prozent des zu versteuernden Abkommens abziehen – und bekommen maximal 23.700 Kronen zusätzlich.

• Neben dem Beschäftigungsfreibetrag gibt es noch den Jobfreibetrag für alle wie oben beschrieben Arbeitstätigen. Dieser beträgt 4,5 Prozent des Einkommens ab den ersten 202.700 Kronen und beträgt maximal 2.700 Kronen.

• Faustregel: Wer auf seiner Gehaltsabrechnung Geld für den AM-Beitrag (Arbeitsmarktbeitrag, mit dem u. a. das Arbeitslosengeld finanziert wird) abgezogen bekommt, dem wird auch der Beschäftigungsfreibetrag angerechnet.

Quelle: skat.dk

Pia Olsen Dyhr ist kritisch, was die Steuerpläne der Sozialdemokratie angeht. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Der Beschäftigungsfreibetrag aktuell

Höhe des zu versteuernden Monatseinkommens

Monatlicher Betrag, der nicht besteuert wird

32.551 Kronen und mehr

3.467 Kronen

30.000 Kronen

3.195 Kronen

25.000

2.663 Kronen

20.000

2.130 Kronen

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Weniger Steuern für die, die Geld verdienen

„Unser Gesundheitswesen und die Altenpflege gehen in die Knie, Kindern und Jugendlichen geht es schlecht“, schreibt Olsen Dyhr weiter. Statt für Steuergeschenke sei es „Zeit für Zusammenhalt“.  Dieser könne sich zum Beispiel dadurch ausdrücken, dass die Umlage von Energiequellen finanziert und dass den finanziell Schwächsten durch die Inflation geholfen werde.

Der Plan der Regierung sieht vor, dass alle, die Geld verdienen, das nicht aus öffentlichen Transferleistungen (Sozialhilfe usw.) stammt – also die meisten, die selbstständig oder angestellt arbeiten – in Zukunft mehr Einkommen nicht versteuern müssen (Beschäftigungsfreibetrag, siehe oben). Das bedeutet, dass sie weniger Steuern bezahlen müssen und mehr Einkommen für sich behalten können.

Weniger Bürokratie in Jobcentern und Steuern auf Aktiengewinne

Doch wie will die Regierung das finanzieren? Schließlich würden dem Staat so mehrere Milliarden Kronen an Steuereinnahmen fehlen. Die Sozialdemokratie will die Milliardenrechnung für den Bonus für die arbeitende Bevölkerung damit bezahlen, dass bei den Jobcentern im Lande die Bürokratie und das Regelwerk abgebaut werden soll.

Die Jobcenter-Beschäftigten sollen zum Beispiel weniger hinter kranken Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern her sein – dies könnten die Arbeitgebenden selbst übernehmen. Außerdem sollen die Jobcenter selbst entscheiden können, wie sie den Menschen in ihrem Zuständigkeitsbereich am besten helfen wollen.

Drei Milliarden Kronen sollen so zusammenkommen.

Weiteres Geld soll dadurch eingenommen werden, dass ausländische Fonds künftig Steuern zahlen sollen, wenn sie Aktien in Dänemark verkaufen und damit Profit machen.

Pernille Skipper von der Einheitsliste Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix

Auch die Einheitsliste findet es ungerecht, wenn nicht alle profitieren

Die Einheitsliste (EL), die im Folketing neben den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf der linken Seite sitzt, stimmt mit ihren anderen Sitznachbarinnen und -nachbarn von SF darin überein, dass Steuersenkungen jetzt nicht angebracht seien. Das sagt unter anderem die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Pernille Skipper. Auf Twitter schreibt sie: „Wenn man den Beschäftigungsfreibetrag anhebt, gibt man allen Geld in die Hände. Außer jenen, die von der Inflation am schwersten getroffen werden.“

Sie nennt besonders Rentnerinnen und Rentner, Menschen ohne Arbeit, Kranke und Menschen mit Behinderung. Die würden leer ausgehen, schreibt sie.

Die Parteien positionieren sich vor der Wahl

Seit der Wahl 2019, nach der die Sozialdemokratie eine Alleinregierung ohne eigene Parlamentsmehrheit gestellt hat, haben SF und EL die Regierung mitgetragen – gemeinsam mit der sozialliberalen Radikale Venstre.

Ob dies auch nach der Wahl am 1. November noch so sein wird, ist nicht nur wegen des ungewissen Wahlausganges unklar. Die Sozialdemokratie hat laut Regierungschefin Mette Frederiksen das Ziel einer Regierung über die Mitte hinweg.

Das könnte theoretisch zur Folge haben, dass die rechts der Mitte angesiedelten Parteien Venstre oder Konservative einer neuen Regierung unter Frederiksen angehören würden. Eine Idee, die diese jedoch strikt zurückweisen.

Radikale Venstre begrüßen die Idee – Venstre will Jobcenter privatisieren

Die Radikale Venstre jedoch würde eine solche Regierung gerne sehen – und auch die Steuersenkungen, die jetzt vorgeschlagen wurden, begrüßt Parteichefin Sofie Carsten Nielsen. Wichtig sei es „kein Benzin in die Inflation zu schütten“, so Nielsen.

Troels Lund Poulsen, finanzpolitischer Sprecher der rechtsliberalen Venstre, nannte die Idee der Regierung unterdessen einen „guten Anfang“. Es sei doch erfreulich, dass die Sozialdemokratie begriffen habe, dass Steuern auf Arbeit gesenkt werden könnten, „ohne dass dies Auswirkungen auf unsere Wohlfahrtsgesellschaft hat“.

Er ärgert sich jedoch zugleich darüber, dass die Regierung den Jobcentern mehr freie Hand geben will, anstatt sie aufzulösen und durch privatwirtschaftlich organisierte Agenturen zu ersetzen, wie Venstre dies vorhat.

 

 

 

 

 

 

 

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