Dansk-Tysk med Matlok

Wie Holger K. und Kirsten aus Lügumkloster im Jahr 1992 neue Weichen für Europa stellten

Wie Holger K. und Kirsten aus Lügumkloster im Jahr 1992 neue Weichen für Europa stellten

Wie Holger K. und Kirsten aus Lügumkloster im Jahr 1992 neue Weichen für Europa stellten

DN
Kopenhagen
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Holger K. Nielsen und Siegfreid Matlok. Foto: dk4.dk

Interview mit dem langjährigen dänischen Spitzenpolitiker Holger K. Nielsen über die Parallelen zwischen 1992 und heute mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Das „Gleichgewicht zwischen Zusammenhalt und Unterschieden“ sei ihm wichtig, so der Volkssozialist.

Interview mit dem langjährigen dänischen Spitzenpolitiker Holger K. Nielsen über die Parallelen zwischen 1992 und heute mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Das „Gleichgewicht zwischen Zusammenhalt und Unterschieden“ sei ihm wichtig, so der Volkssozialist.

1992 schockierte Dänemark die EU, als die Dänen bei einer Volksabstimmung den Maastrichter Vertrag ablehnten. Der Slogan „Holger og konen siger nej til unionen“ erteilte der EU eine erste demokratische Lehrstunde. Holger K. Nielsens damalige Frau hieß Kirsten und stammte aus Lügumkloster. Inzwischen ist „Holger K.“, wie er in Dänemark nur genannt wird, längst wieder neu verheiratet – und auch die EU präsentiert sich längst in einem anderen Gewande als 1992. Und doch hat das Ergebnis von 1992 noch heute Folgen für Dänemark – und ganz aktuell auch für die gesamte EU nach dem Brexit.

Die dänische Politik erreichte – nicht zuletzt durch die Handschrift des Siegers Holger K. – auf einem EU-Gipfel in Edinburgh die berühmten vier Vorbehalte, wobei sich besonders Bundeskanzler Helmut Kohl für die dänischen Sonderregelungen einsetzte.

Die Vorbehalte bedeuteten in Wirklichkeit, dass für Dänemark als EU-Mitglied unterschiedliche Geschwindigkeiten in einigen Politikbereichen erlaubt wurde. „Das Nein von damals war den Mitgliedsländern aber nur schwer zu erklären“, erinnert sich Holger K. Nielsen beim DK4-Fernsehinterview mit Siegfried Matlok in seinem Abgeordnetenbüro auf dem Mittelgang im Folketing. Kürzlich feierte die EU in Rom den 60. Jahrestag der Römischen Verträge und formulierte dabei eine neue Option: ein Europa mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten!

Die Diskussion mit dem Volk überraschte die anderen Mitgliedsländer

Sieht der „Vater“ der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Holger K., Parallelen zwischen 1992 und 2017? „Ja, denn es war damals charakteristisch für die dänische Volksabstimmung, dass wir, was die anderen Mitgliedsländer so überraschte, eine Diskussion über die EU-Politik mit der Bevölkerung geführt hatten. Es schockierte viele in Europa, dass es bei uns Leute gab, die mit der geführten Politik nicht zufrieden waren und die sich deshalb eine andere Zusammenarbeit wünschten. Die Staats-und Regierungschefs wollte damals nicht das Volk nicht befragen. Irgendwie war es doch gesund, dass die Politiker nun erfahren mussten, dass man dieses EU-Projekt nicht ohne Rücksicht auf die Bevölkerungen einfach so weiterfahren kann. Die EU bekam einen dänischen Denkzettel (wörtlich „huskekage“) und zu wissen, dass das Volk mitgenommen werden muss. Darum ging es uns 1992. Die EU bestand damals nur aus wenigen Mitgliedern, aber es ist ein Riesen-Unterschied, ob man 6 oder 27, 28 Mitglieder hat, wenn Europa mit den vielen unterschiedlichen Kulturen und Politiken funktionieren soll. Das galt nach meiner Meinung bereits vor der Erweiterung, denn es sind ja die Nationalstaaten, die noch immer die Grundlage der EU bilden. Die EU von heute ist gelähmt auch wegen der so stark unterschiedlichen Interessen. Deshalb ist es notwendig zu erkennen, dass wir nicht alle auf allen Gebieten in allen Fragen immer einig sein müssen. Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten – auch variable Geometrie genannt, ist – glaube ich – der richtige Weg, um die Krise zu überwinden. Aber mit Vernunft, damit die Schreckensvision eines Zusammenbruchs vermieden wird. Es geht jetzt um ein Gleichgewicht zwischen Zusammenhalt und Unterschieden.“

Deutschland ein „positiver Anker“ in Europa

Holger K. Nielsen, der in seiner kurzen Zeit als Außenminister in Berlin mit Frank-Walter Steinmeier zusammentraf, bezeichnet Deutschland als „sehr positiven Anker in der europäischen Zusammenarbeit“. Er habe schon damals für eine engere Zusammenarbeit mit Deutschland plädiert und bedauert, dass Dänemark sich unter Anders Fogh zu sehr auf das transatlantische Bündnis mit den USA festgelegt habe. „Das deutsch-dänische Verhältnis sollte ein zentraler Teil der dänischen Außenpolitik sein – so wie einst in den Zeiten von Uffe Ellemann und Hans-Dietrich Genscher“, sagt der Volkssozialist.

Der SF-Politiker hofft, dass Martin Schulz zusammen mit den Grünen bei der Bundestagswahl an die Macht kommen kann – auch mit der Linken. „Ein Machtwechsel ist auch gesund für die deutsche Demokratie“, so Holger K., der die Euro-Politik von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble als „zu hart“ kritisiert. Da hat Berlin nach seinen Worten „zu wenig Rücksicht“ auf Griechenland genommen, Deutschland müsse die Nachfrage stärker als bisher stimulieren.

Gleichzeitig betonte er jedoch, „froh“ darüber zu sein, dass Bundeskanzlerin Merkel „so flexibel und offen stets die europäische Perspektive und den Zusammenhalt der EU in den Vordergrund gestellt hat. Merkel hat es gut gemacht“, lobt Holger K. und stellt erfreut und beruhigt fest, dass es in Fragen der Europa-Politik eine hohe Übereinstimmung zwischen CDU/CSU, SPD und den Grünen gibt.

 

Das Interview von DK4 in der Senderreihe „Tysklands valg – Europas skæbne“ mit Holger K. Nielsen wurde am Mittwochabend ausgestrahlt und am Donnerstag, 11. Mai um 17 Uhr wiederholt.

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