Folketingswahl 2022

Mette Frederiksen will Regierung über die Mitte bilden

Mette Frederiksen will Regierung über die Mitte bilden

Mette Frederiksen will Regierung über die Mitte bilden

Apenrade/Kopenhagen
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Mette Frederiksen ließ sich nach einem langen Wahlabend von ihrer Partei feiern – und kündigte dann an, eine Regierung bilden zu wollen. Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

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Spannung bis zum letzten Wahllokal: Erst spät in der Nacht stand fest, dass die Staatsministerin mit einer roten Mehrheit in die Verhandlungen um eine neue Regierung gehen kann. Die Sozialdemokratie selbst strebt eine breit aufgestellte Regierung an – also ein Ende der Minderheitsregierung mit Duldung der Linksparteien.

Noch nie war es so spannend bei einer Folketingswahl. Bis spät in die Nacht warteten Bevölkerung, Medien und Politik, bis das letzte Wahllokal ausgezählt war. Denn das Außergewöhnliche: Von diesem einen Wahllokal in Kopenhagen hing ab, ob der rote Block seine parlamentarische Mehrheit behalten würde – oder nicht. Am Ende reichte es knapp für 87 Mandate für den roten Block – und damit voraussichtlich für eine Mehrheit durch drei rote Mandate aus Grönland und von den Färöern.

Zwölf Parteien gehören dem neuen Folketing an – eine historisch hohe Zahl. Die Sozialdemokratie wurde schließlich mit Abstand zur größten Fraktion im Folketing, was weniger an den leichten Zugewinnen lag als vielmehr an den großen Verlusten, die der traditionelle Gegenspieler Venstre im bürgerlichen Lager hinnehmen musste.

„Wir sind eine Partei für ganz Dänemark“, so die bisherige und möglicherweise künftige Regierungschefin Mette Frederiksen bei ihrer Dankesrede vor der eigenen Partei in der Nacht zu Mittwoch.

Lars Løkke Rasmussen – einst Regierungschef und Parteivorsitzender von Venstre, heute Zünglein an der Waage zwischen den politischen Blöcken Foto: Martin Sylvest/Ritzau Scanpix

Entscheidende Rolle für die Moderaten – trotz roter Mehrheit

Fest stand schon früh am Wahlabend, dass die vom ehemaligen Regierungschef Lars Løkke Rasmussen gegründete Partei, Die Moderaten, eine entscheidende Rolle dabei spielen würde, wer das Land in Zukunft regiert. Løkke positionierte seine Partei zwischen rotem und blauem Block und bekam für seine Strategie als Brückenbauer zwischen den Lagern große Zustimmung von Wählerinnen und Wählern.

Seine Partei wurde nach Sozialdemokratie und Venstre zur größten Fraktion. Dazu beigetragen hat unter anderem auch Tonderns ehemaliger Bürgermeister Henrik Frandsen, der wie Løkke einst Venstre-Mitglied war und der in Südjütland viele Stimmen erhielt.

In ihrer Rede nach Veröffentlichung des vorläufigen Wahlergebnisses machte Mette Frederiksen erneut deutlich, dass sie eine Zusammenarbeit über die politische Mitte hinweg anstrebe. „Ich hoffe, es kann jetzt zu einer Zusammenarbeit führen“, sagte sie über Lars Løkke Rasmussens Moderate, ohne zu vertiefen, ob dies eine gemeinsame Regierung bedeutet.

90 Mandate müssen es sein

Für eine Regierungsmehrheit sind in Dänemark 90 Mandate notwendig. Vier davon kommen aus Grönland und von den Färöer Inseln, die jeweils zwei Abgeordnete entsenden. Hier ist jeweils ein Mandat für jeden Block bereits sicher – die zwei Mandate aus Grönland gehen Prognosen zufolge wahrscheinlich an den roten Block. Somit hätte der rote Block 90 Mandate.

Doch es ist nicht sicher, dass der rote Block in bisheriger Konstellation weiterregieren wird. Das machte Finanzminister Nicolai Wammen am späten Abend noch einmal deutlich. Seine Partei strebe ungeachtet des Endergebnisses der Folketingswahl eine Regierung über die Mitte hinweg an. „Das wäre das Beste für Dänemark“ so Wammen zu „DR“.

Sofie Carsten Nielsen
Radikalen-Chefin Sofie Carsten Nielsen sprach am Wahlabend zu ihrer Partei. Man habe das Recht über Macht gestellt und zu den eigenen Werten gestanden. Von den Wählerinnen und Wählern wurde die Partei dafür abgestraft, die sozialdemokratische Regierung beendet zu haben. Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

Das vorläufige Ergebnis in sechs Punkten

90 Mandate: Für eine Regierungsmehrheit werden durch die 4 „nordatlantischen Mandate“ aus Grönland und von den Färöer Inseln 90 Mandate benötigt. Deshalb muss eine Regierung voraussichtlich mindestens 87 Mandate aus der Wahl in Dänemark bekommen. Dies hat der rote Block erreicht. Die Wählerinnen und Wähler der Färöer Inseln haben jedem Block ein Mandat gegeben – aus Grönland werden zwei rote Mandate erwartet.

Ende der Blockpolitik? Auch eine Regierung aus Sozialdemokratie, Moderaten und Venstre würde laut vorläufigem Endergebnis 90 Mandate erreichen. Damit wäre die seit Jahrzehnten verfestigte Blockpolitik in Dänemark überwunden.

Ende der Minderheitsregierung? Die bisher allein regierende Sozialdemokratie wird eine mögliche Regierung nicht erneut allein auf die Mandate aus dem roten Block stützen. Das bestätigte Finanzminister Nicolai Wammen (Soz.) am späten Abend. Somit steht die Tür für Lars Løkkes Moderate offen. Der Vorsitzende der Konservativen, Søren Pape Poulsen, hat derweil einer Regierungsbeteiligung unter Mette Frederiksen eine Absage erteilt.

Die Neuen im Parlament: Die neuen Parteien Die Moderaten und Die Dänemarkdemokraten ziehen mit großen Fraktionen ins Parlament ein. Während den Moderaten eine zentrale Rolle zugeschrieben wird, ist unklar, ob es für Inger Støjbergs Dänemarkdemokraten zu mehr als Opposition reichen wird.

Bewegung im roten Block: Die Alternative zieht erneut ins Folketing ein und bringt dem roten Block bereits verloren geglaubte Mandate. Die Radikale Venstre halbiert jedoch ihre Mandatszahl.

Erdbeben im blauen Block: Die liberalistische Liberale Allianz verzeichnet starke Stimmenzuwächse, während sich die Dänische Volkspartei nur sehr knapp ins Folketing rettet.

Der Artikel wird laufend aktualisiert.

 

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Nordschleswig braucht den Schulterschluss“