Streitkräfte

Verteidigungsminister will mehr Wehrpflichtige – Außenminister lehnt ab

Verteidigungsminister will mehr Wehrpflichtige – Außenminister lehnt ab

Verteidigungsminister will mehr Wehrpflichtige – Außenminister lehnt ab

cvt/Ritzau
Kopenhagen
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Die Wehrpflicht ist in Dänemark auch für Frauen zugänglich – aber nicht verpflichtend. Foto: Værnsfælles Forsvarskommando/Forsvarsgalleriet.dk

Die dänischen Streitkräfte müssen mehr leisten, sagt Verteidigungsminister Claus Hjort Frederiksen (Venstre). Er wünscht sich deshalb, dass die Zahl der Wehrpflichtigen deutlich aufgestockt wird. Die Dänische Volkspartei ist begeistert – die Soldatengewerkschaft spricht von "nationalromantischem Quatsch".

 

Wehrpflicht in Dänemark

Alle Männer sind wehrpflichtig. In dem Jahr, in dem sie 18 Jahre alt werden, werden sie zum „Tag der Streitkräfte“ („Forsvarets Dag“) einberufen.

Wer für wehrtauglich oder eingeschränkt wehrtauglich erklärt wird, muss ein Los ziehen.

Wessen Los die Einberufung bedeutet, dem wird ein Dienstort zugewiesen.

Der Wehrdienst kann beim Militär oder bei der Bereitschaftsbehörde (Technisches Hilfswerk, Feuerwehren etc.) abgeleistet werden.

Der Wehrdienst kann aus Gewissensgründen verweigert werden.

Frauen unterliegen nicht der Wehrpflicht, haben aber das Recht dazu, sie abzuleisten.

Derzeit gibt es etwa 4.200 Wehrpflichtige.

Die dänischen Streitkräfte müssen mehr leisten, sagt Verteidigungsminister Claus Hjort Frederiksen (Venstre). Er wünscht sich deshalb, dass die Zahl der Wehrpflichtigen deutlich aufgestockt wird.

Die dänischen Streitkräfte brauchen mehr Wehrpflichtige. Das sagte Verteidigungsminister Claus Hjort Frederiksen (Venstre) in einem Interview mit TV2. Er schlägt vor, die derzeitige Zahl von 4.200 Soldaten auszuweiten. „Ich könnte mir durchaus einige Wehrpflichtige mehr vorstellen“, so Hjort. „Wir leisten einiges mehr mit den Streitkräften. Es ist eine Frage der Kapazität und Belastbarkeit, wenn es zu Konflikten kommen sollte“, meint der Minister. Als Beispiel nennt Hjort Russland als größte Bedrohung der dänischen Sicherheit.

Es gebe einen „gewaltigen“ Truppenaufbau im westlichen Russland und in der Enklave Königsberg würden Raketen stationiert. Eine akute Gefahr gebe es zwar nicht, doch schon ein Missverständnis könne einen Konflikt auslösen.

Eine Zahl, wie viele Wehrpflichtige mehr seiner Meinung nach benötigt werden, wollte Hjort in dem Interview allerdings nicht nennen. Bei der Gewerkschaft der Soldaten, Hærens Konstabel- og Korporalforening, kommen die Pläne unterdessen überhaupt nicht gut an: „Ich denke, wir haben schon genug Wehrpflichtige. Acht von zehn, die einberufen werden, werden nach beendetem Dienst heim geschickt, weil für sie in den Streitkräften kein Platz ist“, sagt Gewerkschaftschef Flemming Vinther zu Ritzau. Es gebe also bereits heute mehr als genug Wehrpflichtige, aus denen das professionelle Heer rekrutieren könne.

Gewerkschaftsboss: Wehrpflicht „nationalromantischer Quatsch“

Die Ressourcen sollten lieber dafür genutzt werden, mehr professionelle Soldaten auszubilden. „Es ist nationalromantischer Quatsch, zu glauben, dass Wehrpflichtige die Herausforderungen von heute lösen könnten“, sagt er. „Die Einsätze, an denen wir weltweit teilnehmen, verlangen professionelle Soldaten, die komplexe Einsatzmuster, fortgeschrittene Waffensysteme und Kommunikationsmittel beherrschen“, sagt er.

Der Verteidigungsminister will nicht nur mehr Wehrpflichtige, sondern auch mehr Geld für sein Ressort haben. Ende des Jahres läuft der derzeitige Streitkräfte-Vergleich, der parlamentarische Vertrag über die Verteidigungspolitik, aus – die beteiligten Parteien müssen deshalb an den Verhandlungstisch. Neben den Regierungsparteien sind dies die Sozialdemokratie, die Dänische Volkspartei und die Radikale Venstre.

Dänische Volkspartei begeistert, Sozialdemokraten ablehnend

„Das ist eigentlich unser Vorschlag“, sagt die verteidigungspolitische Sprecherin der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, Marie Krarup, zu Hjorts Idee. „Wieviele mehr es werden, kommt auf eine Verhandlung drauf an. Aber wir könnten meiner Meinung nach gut auf um die 10.000 Wehrpflichtige verdoppeln„, sagt sie. “Unsere Streitkräfte sind seit langem zu schwach.“

DF meint, auch an der deutsch-dänischen Grenze müsse gekämpft werden

„Wir brauchen nicht nur eine Streitkraft, die in Afghanistan kämpft. Wir müssen auch in der Køge Bucht und an der dänisch-deutschen Grenze kämpfen. Wir müssen unser eigenes Territorium jederzeit verteidigen können und das können wir heute nicht“, sagt sie. Deshalb müsse es nicht nur mehr Wehrpflichtige, sondern auch mehr Berufssoldaten geben.

Henrik Dam Kristensen, verteidigungspolitischer Sprecher der Sozialdemokratie, ist durchaus bereit, mehr Geld in die dänischen Streitkräfte zu investieren – so, wie es die Nato von Dänemark auch verlangt. Doch, sagt er, dies solle „so klug wie möglich“ geschehen. „Die Wehrpflicht ist eine sehr teure Veranstaltung. Wir wissen, dass acht von zehn der Wehrpflichtigen, die wir heute haben, nach der Wehrpflicht verschwinden“, sagt er. „Ich bin nicht davon überzeugt, dass es klug ist, unverhältnismäßig viel Geld für mehr Wehrpflichtige auszugeben“, sagt er, schließlich gelte es, dem internationalen Terrorismus und eine neue Situation an der Ostsee möglichst professionell zu begegnen.

Außenminister Samuelsen lehnt Hjorts Vorschlag rundweg ab

„Es kann durchaus sein, dass sich Claus Hjort mehr Wehrpflichtige vorstellen kann. Aber das ist nicht die Politik der Regierung“, sagt schließlich Außenminister Anders Samuelsen von der Liberalen Allianz am Nachmittag zu der Debatte. Ja, meint Samuelsen, die dänischen Streitkräfte müssten deutlich verbessert werden. Aber dies solle nicht dadurch geschehen, dass die Zahl der Wehrpflichtigen erhöht wird. Hjort habe möglicherweise „laut gedacht“, sagt Samuelsen, dabei aber lediglich seine private Ansicht zum Ausdruck gebracht – und nicht die der dänischen Regierung.

Debatte auch in Deutschland

Auch die deutsche Bundeswehr hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zufolge ein „gigantisches Personalproblem“ und muss sich weiter zu einer modernen Organisation wandeln, meldet unterdessen die dpa. Im zivilen Bereich überaltert, kaum Systematik in der Nachwuchsgewinnung und wachsende Aufgaben vor der Brust – das sei eine schlechte Mischung, sagte von der Leyen dem Wirtschaftsmagazin der Süddeutschen Zeitung, „Plan W“. So, wie die Bundeswehr derzeit aufgestellt sei, habe sie schlechte Karten. Auch kulturell müsse sich die Organisation wandeln.

 

 

 

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