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„Massenüberwachung geht weiter: Kein Einsehen bei der Regierung“

Massenüberwachung geht weiter: Kein Einsehen bei der Regierung

Massenüberwachung: Kein Einsehen bei der Regierung

Apenrade/Aabenraa
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Seit Jahren versuchen wechselnde dänische Regierungen, die systematische Massenüberwachung in Dänemark am Leben zu halten – gegen europäisches Recht. Mit ihrem neuesten Gesetzesentwurf setzt die Regierung Frederiksen diese Tradition fort, meint Cornelius von Tiedemann.

Seit Jahren berichten wir und andere Medien darüber, wie die wechselnden dänischen Regierungen es immer wieder verschleppen, sich endlich an die Gesetze (!) zu halten und die digitale Massenüberwachung der Bürgerinnen und Bürger einzustellen.

Zur Empörung ihrer parlamentarischen Unterstützerparteien setzt die sozialdemokratische Minderheitsregierung den Kurs fort, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, dass die dänische Praxis illegal ist, zu umschiffen. Mehrfach hat das Gericht Kopenhagen aufgefordert, aktiv zu werden.

Immerhin: Justizminister Nick Hækkerup hat jetzt, nach Jahren, endlich einen Entwurf vorgelegt, wie die dänische Praxis mit dem europäischen Recht in Einklang zu bringen ist.

Zum Hintergrund: In Dänemark ist ein Überwachungssystem installiert, das grundsätzlich alle Verbindungs-Informationen (wer, wann, wo, mit wem) zu Kurznachrichten-, Internet- und Telefonverbindungen von den Anbietern speichern lässt, um sie auf Anforderung Polizei und Geheimdiensten vorlegen zu können.

Dass die Telekommunikationsanbieter diese Vorratsdatenspeicherung fortgesetzt haben, obwohl die dänische Justiz keinerlei Handhabe hat, sie zu bestrafen, sollten sie dies unterlassen, ist nur ein nachdenklich stimmender Nebenaspekt.

Das, was die Unterstützerparteien der Minderheitsregierung nun besonders empört: In dem neuen Vorschlag von Hækkerup ist alles darauf ausgerichtet, so viel Vorratsdatenspeicherung wie möglich aufrechtzuerhalten. Vom Geist der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ist darin nicht viel zu spüren. Und: Das Ganze soll erst im Herbst besprochen und dann wohl erst in bis zu zwei Jahren umgesetzt werden. Ein neues EU-Urteil würde dann wiederum weitere Jahre auf sich warten lassen.

Mit anderen Worten: Es soll mit solchen Tricksereien weiterhin völlig undifferenziert massenüberwacht werden.

Und das in einer Gesellschaft, in der angeblich so vieles auf der „Zusammenhangskraft“ und dem gegenseitigen „Vertrauen“ beruht. Nun, die Regierung scheint den Bürgerinnen und Bürgern ja keinen Meter zu trauen.

Dabei hat die Vergangenheit gezeigt, dass es eher die Überwachungsmethoden sind, denen nicht getraut werden sollte. Immer wieder werden verheerende Fehler im System öffentlich, die zu massiven Verstößen gegen die Persönlichkeitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern führen und zum Beispiel dazu, dass Tausende Rechtsverfahren wegen fehlerhafter Daten neu aufgerollt werden mussten und müssen.

Es ist nicht übertrieben, festzustellen, dass die dänische Überwachungspraxis ein Skandal ist.

Ein Hoffnungsschimmer ist es natürlich, wenn kleine Parteien wie die Radikale Venstre, die Einheitsliste und die Sozialistische Volkspartei (SF) sich klar gegen die Taktik der Regierung positionieren. Die versucht nun ein weiteres Mal, mit einem Entwurf, der vorsätzlich so formuliert ist, dass er nicht im Sinne des Urteils umgesetzt werden kann, zu verhindern, dass Dänemark sich dem im Namen des Volkes gesprochenen Urteil endlich anpasst.

Leider stehen diese Parteien allein auf weiter Flur – und werden gerade von solchen Parlamentariern im Stich gelassen, die sich sonst sehr gerne als Vorkämpfer für die „Freiheit“ aufspielen.

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