Diese Woche in Kopenhagen

„Hilfsbereitschaft in der Tragödie“

Hilfsbereitschaft in der Tragödie

Hilfsbereitschaft in der Tragödie

Kopenhagen
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Viele Menschen, professionelle wie gemeine Bürgerinnen und Bürger, haben nach dem Schussangriff in Fields geholfen. Das machte Walter Turnowsky ein wenig Hoffnung, während er die Ereignisse am Sonntagabend bis in die Nacht hinein verfolgte.

Diese Kolumne sollte ja eigentlich am Freitag erscheinen, aber vergangenen Freitag stellten sich die Minks und eine mehr als zweistündige Pressekonferenz der Staatsministerin quer. Daher hatte ich mir für Montag ein Thema zurechtgelegt, über das ich locker und flockig schreiben wollte. Doch locker und flockig war nach den Ereignissen am frühen Sonntagabend in keiner Weise angebracht.

Der erste Hinweis taucht um 18.18 Uhr auf meinem Handy auf, als die Nachrichtenagentur „Ritzau“ eine Eilmeldung verschickt, beim Einkaufszentrum Fields seien Schüsse gefallen. Zunächst denke ich mir nicht so viel dabei, sondern vermute ein wenig zynisch, dass es sich „nur“ um eine Auseinandersetzung unter kriminellen Banden handelt. Solche Schießereien hat es seit etlichen Jahren immer wieder gegeben.

Daher setze ich mich auch ganz gemütlich zum Abendessen auf den Balkon. Doch allmählich werden die Eilmeldungen immer besorgniserregender: Die Polizei zeigt massive Präsenz, und mehrere Personen sind von Schüssen getroffen. Über mögliche Todesopfer gibt es zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Angaben.

Als dann das Königshaus bekannt gibt, dass der Tour-de-France-Empfang auf der Dannebrog abgesagt ist, ist klar, dass die Lage sehr ernst sein muss.

Vom Balkon aus sind verstärkt Martinshörner zu hören, später auch Hubschrauber. Kann das wirklich mit der Situation bei Fields zu tun haben? Schließlich wohnen wir so ziemlich am anderen Ende der Stadt.

Ja, es kann. Die Polizei ist in ganz Kopenhagen in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Sie hat einen sogenannten „Manhunt“ eingeleitet, obwohl es keine konkreten Hinweise auf Mittäter gibt. Doch in so einem Fall kann die Polizei kein Risiko eingehen.

Allmählich drängt sich die Frage auf, ob ich journalistisch aktiv werden soll, aber Chefredakteur Gwyn Nissen ist bereits an der Sache dran. Die Berichterstattung verfolge ich trotzdem auf mehreren Kanälen gleichzeitig, teils als Bürger, aber eben auch als Journalist.

Den mutmaßlichen Täter hat die Polizei bereits 18 Minuten nach dem ersten Schuss und 12 Minuten nach dem Notruf verhaftet. Das geschieht somit, bevor die ersten Meldungen über die Tragödie an die Öffentlichkeit dringen. Zumindest das ist ein wenig beruhigend.

Dann das erste Pressebriefing der Polizei um 20.45 Uhr: Es gibt „mehrere Tote“. Eine Zahl kann der Polizeisprecher noch nicht nennen, die Situation sei weiterhin in einer „chaotischen“ Phase.

Nachdem Gwyn die Informationen vom Pressebriefing geschrieben hat, übergibt er die Berichterstattung. Ich schreibe einen Überblick darüber, was wir wissen. Viel ist es nicht.

Und auch in den kommenden Stunden gibt es nur wenige konkrete Informationen. Das ist nicht ungewöhnlich bei großen Tragödien, wie ich als ehemaliger Kriminalreporter weiß. Es gibt immer eine Phase, in der sich Polizei und Einsatzkräfte einen Überblick verschaffen müssen. Neue Informationen von Augenzeugen gibt es zu diesem Zeitpunkt auch kaum.

Das lässt Raum für Spekulationen. Das war schon immer so, doch in Zeiten der sozialen Medien verbreiten sich die Gerüchte noch schneller.

So waren schnell Vermutungen über ein rassistisches oder ein frauenfeindliches Motiv im Umlauf. Alles ohne Grundlage, wie sich herausgestellt hat. Der Bedarf, schnell eine Erklärung zu finden, ist verständlich. Aber so schnell gibt es ganz einfach keine sicheren Informationen.

Daher ist entscheidend, dass wir in den Medien besonders genau arbeiten. In so einer Situation spielt „Der Nordschleswiger“ selbstverständlich nur eine nebensächliche Rolle. Die Menschen verfolgen die großen Medien, um zu erfahren, was geschehen ist.

Soweit ich beobachten konnte, haben die Kolleginnen und Kollegen dort es gut gemacht. Gewiss, es gab Fehler. Aber insgesamt ist die Balance zwischen dem Bedarf der Bevölkerung an Informationen und der Absicherung dieser Informationen gelungen.

Verstärkt tauchen in den sozialen Medien mitten in der Tragödie Postings auf, die ein wenig Hoffnung machen. Menschen mit Wohnungen in der Nähe von Fields bieten Unterschlupf an. Andere fahren zur Metrostation Vanløse, zu der die Gäste des Harry-Styles Konzertes mit der Metro evakuiert worden sind.

Augenzeugen erzählen den Fernsehsendern von Angestellten in den Geschäften in Fields, die alles taten, damit Kundinnen und Kunden in Sicherheit gelangen konnten. Nachbarn öffneten ihre Wohnung, damit Menschen, die aus dem Einkaufszentrum geflüchtet waren, sich ein wenig ausruhen und einen Schluck Wasser trinken konnten.

Auch diese Hilfsbereitschaft ist ein wichtiger Teil der Erzählung über den 3. Juli. Bei Tragödien wie dieser zeigen sich immer wieder viele Menschen von ihrer besten Seite.

Auch der schnelle und effiziente Einsatz der Polizei und Einsatzkräfte gehört zu der Erzählung. 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsdienst erschienen an den Krankenhäusern der Hauptstadt und in den Krankenwagen innerhalb kürzester Zeit zum Einsatz.  Fünf Teams von Ärzten und Notfallsanitätern mit besonderer Sicherheitsausrüstung konnten im Einkaufszentrum lebensrettende Hilfe leisten, noch bevor die Polizei das Gebäude gesichert hatte.

All das ändert selbstverständlich nichts daran, dass ein 17-jähriges Mädchen, ein 17-jähriger Junge und 46-jähriger Mann ihr Leben verloren haben. Vier weitere Menschen liegen schwer verletzt in den Krankenhäusern. Sie sind jedoch außer Lebensgefahr.

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