Dänemarks Botschafter in Berlin

„Es ging uns noch nie so gut“

„Es ging uns noch nie so gut“

„Es ging uns noch nie so gut“

Thomas Wendel
Kopenhagen/Berlin
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Dänemarks Botschafter in Berlin, Friis Arne Petersen, Foto: Christian T. Jørgensen/ EUP-Berlin.com

Dänemarks Botschafter in Berlin, Friis Arne Petersen, exklusiv zum Nordschleswiger über Wirtschaft, Wiedervereinigung und Aussöhnung.

Es ist genau 70 Jahre her, dass das letzte Lager in Dänemark für deutsche Flüchtlinge aus  dem Ostseeraum geschlossen wurde. Im größten Lager Oksbüll unweit von Varde und Esbjerg lebten bis Ende Februar 1949 insgesamt etwa 100 000 Menschen. Rund eine Viertelmillion Flüchtlinge aus Pommern, Danzig und Ostpreußen kamen in dänische Flüchtlingslager, teilweise über mehrere Jahre.
    
Herr Botschafter Petersen, Internierungslager, Flüchtlingslager. Wie sieht der Staat Dänemark 70 Jahre danach diese Ereignisse?

Aus heutiger Sicht ist das schwer zu beschreiben. Dänemark war zuvor besetzt gewesen, in Folge des Krieges herrschte überall Chaos. Es ging Dänemark nach Ende des Krieges darum, schnell eine pragmatische Lösung für die geflohenen Menschen zu finden. Ich will darüber nicht urteilen.
    
Wie geht Dänemark mit dieser Epoche deutsch-dänischer Geschichte heute um?

Das Lager geht auf einen Truppenübungsplatz von 1929 zurück und war später Kaserne. Es ist Teil unser Geschichte, und wir wollen zeigen, wie schlimm es damals war. Sicher hat es durch die Kriegsereignisse auch bei vielen Menschen Wut, Haß und Ablehnung für die Flüchtlinge gegeben. Das Lager und das geplante ,,Dänemarks Flüchtlingslager“ ist gleichzeitig ein gutes Beispiel, um zu zeigen, was man heute aus der Geschichte lernen kann.
    
Oksbüll war das größte Lager in Dänemark. Die Kommune Varde hat einen Verbund von sieben Museen und plant aktuell auf dem Gelände den Bau des ,,Dänischen Flüchtlingsmuseums“. Welche Bedeutung erhofft sich das Land von dieser Erinnerungsstätte?    

Wir wollen diesen historisch vorbelasteten Ort neu definieren. Besonders die Jugend soll lernen, daß man einen solchen Ort auch als Ort der Versöhnung erleben kann. Jetzt schon besuchen viele Schüler diese Gedenkstätte. Vom Museum weiß ich, dass das Sommercamp des Volksbunds Deutsche Kriegsgräber-Fürsorge im August zurückkehren wird mit Jugendlichen aus mehreren Ländern. Wenn ich überlege, wie die Minderheiten-Beauftragten in beiden Ländern früher gearbeitet haben und heute: es gibt keine Spannungen mehr. Ich bin stolz auf das Zusammenwachsen unserer beiden Länder!

Die Museumsplanung läßt sich Einordnen in die Aufgaben der Völkerverständigung zu mehreren Jahrestagen. Es jährt sich nicht nur zum 70. Mal die Schließung der dänischen Flüchtlingslager für 250.000 deutsche Flüchtlinge. Der 100. Jahrestag der Neugliederung Schleswig-Hosteins und Dänemarks steht ebenfalls bevor. Was ist Stand der Dinge?    

Die Baupläne für das Museum sind fertig. Inhalt, Präsentation und das Bildungsprogramm für deutsche und dänische Schüler obliegt den Museen der Kommune Varde. Am Programm und der Finanzierung wird noch gearbeitet. Die Regierung finanziert einen Teil.
    
Zur Erinnerung und Aussöhnung in der Region Südjütland-Schleswig-Holstein gehört der bevorstehende 100. Jahrestag der Neugliederung Dänemarks. Was ist geplant in Berlin, Schleswig-Holstein und Nordschleswig/Südjütland?

 Ich komme gerade von einer internen Abstimmungsrunde mit kommunalen Vertretern und Repräsentaten von Verbänden und Vereinen in Tondern. Wir haben uns ausgetauscht. Es wird sehr viele Veranstaltungen geben zum 100. Jahrestag der Wiedervereinigung, Konferenzen und Vorträge, natürlich auch viele Kulturveranstaltungen. Auftakt wird in Kopenhagen sein, in beiden Ländern, auch in Berlin, Schleswig-Holstein und in der Region, wird der Wiedervereinigung vor 100 Jahren gedacht.

Sie sprechen von Wiedervereinung Dänemarks 1920?    

Im Deutschen ist der Sprachgebrauch für die Ereignisse 1920 ,,Volksabstimmung“. Im Dänischen nennen wir es Genforeningen, also ,,Wiedervereinigung. Im politischen Bereich sind die Begrifflichkeiten natürlich unterschiedlich, weil jeder seinen eigenen Ausgangspunkt hat.
    
Worum geht es im Detail? Gibt es schon Einzelheiten?

Wir wollen die Geschichte der Wiedervereinigung erzählen, dazu wird es viele Veranstaltungen geben. Wir arbeiten mit verschiedenen Museen zusammen und werden Schulen miteinbeziehen. Die dänische Regierung, die deutsche Bundesregierung und die Landesregierung Schleswig-Holsteins arbeiten intensiv zusammen. Acht Millionen Kronen hat die Regierung in Kopenhagen bereitgestellt.
    
Heute ist die Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich eng und wird vom Blick in die Zukunft als Blick zurück geprägt. Wo sehen Sie Potenzial?

Unsere gemeinsame Zukunft liegt in der internationalen Zusammenarbeit. Wir sind beide in der EU und Nato integriert, und wir Dänen sind sehr stolz darauf, dass wir seit dem EU-Beitritt sehr eingepaßt sind. Unsere Länder haben eine Wertegemeinschaft. Sicherheit, Klima, Energieversorgung, Verkehr: das muss alles gemeinsam entwickelt werden. Wir Dänen können vielleicht nicht so gut reden wie Präsident Macron in Paris, aber wir entwickeln konkrete Maßnahmen für die grenzüberschreitende Entwicklung.
    
Dazu gehört die neue Ostseetrasse? Wie sehen Sie aktuell den Stand der Dinge bei der Fehmarnbelt-Querung?

Wir liegen absolut im Plan, Zeit und Kosten haben wir im Griff auf beiden Seiten. Auch Norwegen und Schweden werden vom neuen Korridor Kopenhagen-Kiel-Hamburg-Berlin profitieren. Mit dem neuen Korridor geht es nicht um ein Entweder-Oder gegen die Wirtschaft in Südjüdland oder für Lolland-Falster-Mön. Beide Landesteile werden sich weiterhin gut entwickeln. Uns geht es so gut wie niemals zuvor.

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