Leitartikel

„Und was ist mit Klima?“

Und was ist mit Klima?

Und was ist mit Klima?

Kopenhagen
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Der Pegel des Rheins ist aufgrund der Dürre extrem niedrig. Foto: Benjamin Westhoff/Reuters/Ritzau Scanpix

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Im Vorwahlkampf ist das Thema Klima bislang kaum vorgekommen. Unverständlich, meint Walter Turnowsky, denn spätestens seit Putins Angriff auf die Ukraine sollte jeder wissen, dass Klimapolitik auch Sicherheitspolitik ist.

Große Teile von Europa erleben in diesen Wochen eine Hitze- und Dürrewelle. Die Ahr läuft fast als Bächlein in den Rhein. Im vergangenen Jahr trat sie über ihre Ufer und löste jene Flutkatastrophe aus, die mehr als 130 Menschen das Leben kostete.

47 Prozent des Areals der EU sind laut European Draught Observatory von einer Dürrewarnung umfasst.  

Die Häufung solcher extremen Wetterlagen zeigt: Der Klimawandel findet hier und jetzt statt.

Das allein sollte Grund genug sein, dass das Thema Klima in dem sich jetzt anbahnenden Wahlkampf an allererster Stelle steht. Die Zeit drängt, denn wir haben bereits viel zu lange gezögert.

Spätestens seit Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine müsste außerdem jedem klar sein, dass unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen auch unsere Sicherheit bedroht. Ist es nicht die Abhängigkeit von Russland, so ist eine Abhängigkeit von nicht minder unangenehmen Regimen im Nahen Osten.

Das macht es nur noch notwendiger, dass wir bei der Umstellung auf erneuerbare Energien ganz gehörig aufs Gaspedal treten.

Von der Erkenntnis dieser Dringlichkeit spürt man im Vorwahlkampf jedoch bisher wenig. Es geht unter anderem um Wohnungspreise, Arbeitsvermittlung, Inflation, Schwangerschaftsurlaub und Integration. Das sind gewiss keine unwichtigen Themen, doch was den Ernst der Lage betrifft, überhaupt nicht vom selben Kaliber wie der Klimawandel.

Die Vorsitzende der Sozialdemokratie, Staatsministerin Mette Frederiksen, hat das Thema bei einer Pressekonferenz am Dienstag nach der Sommertagung zwar als wichtig benannt. Doch es war eines von fünf Themen und nicht das erste, das sie erwähnte, sondern das letzte. Ausgeführt, welche neuen Initiativen sie ergreifen möchte, hat sie nicht, sondern vor allem betont, wie viel man erreicht habe.

Die Konservativen bezeichnen sich gerne als die grüne Partei des bürgerlichen Lagers. Als sich Søren Pape Poulsen am Montag als Staatsministerkandidat erklärte, erwähnte er das Thema von sich aus nicht. Befragt zur Klimapolitik, freute er sich über den Konsens bei den Klimainitiativen während dieser Legislaturperiode und warnte vor einem Basar (Hjallerup Marked) während des Wahlkampfes, bei dem die Parteien versuchen, sich mit Klimaversprechen zu überbieten.

Doch gerade ein Wettstreit darüber, wer die besten und ambitioniertesten Lösungsvorschläge hat, würde diesem Wahlkampf guttun. Selbstverständlich ist das Thema zu ernst, als dass die Parteien mit unrealistischen und populistischen Vorschlägen hausieren gehen sollten. Noch unrealistischer ist jedoch, sich angesichts der Bündelung der Probleme mit der bisherigen Klimapolitik zufriedenzustellen.

Die politische Chefin der Einheitsliste, Mai Villadsen, kritisierte Papes fehlende Klimaambitionen in einem Tweet. Vielleicht sollte sie sich lieber auf die Politik der eigenen Partei konzentrieren. Anfang August hat Pelle Dragsted, der als Chefstratege der Einheitsliste gehandelt wird, in „Altinget“ erklärt, mit welchen vier Themen das rote Lager die Wahl gewinnen soll. Selbst mit einer Lupe ist das Wort „Klima“ in dem Text nicht zu finden.

Die Folketingswahl 2019 wurde zur „Klimawahl“. Dies geschah jedoch nicht auf Initiative der Parteien, sondern weil vor allem junge Menschen in der Fridays-for-Future-Bewegung von der Straße aus Druck machten. Seither ist unter den Parteien der von Søren Pape erwähnte (weitgehende) Konsens, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent zu reduzieren, entstanden.

Im Laufe der vergangenen drei Jahre sind einige Schritte beschlossen worden, um dem Ziel näherzukommen. Doch wie der Klimarat der Regierung wiederholt betont hat, reichen die Initiativen noch nicht, um es zu erreichen.

Die Notwendigkeit, sich von Putins Gas unabhängig zu machen, bedeutet auch, dass das Tempo der grünen Umstellung noch weiter erhöht werden muss. Das bedeutet auch, dass die Politikerinnen und Politiker knallhart priorisieren müssen. Alles zugleich geht nicht. Sollen ausreichend Solar- und Windkraftanlagen, neue Energie-Infrastruktur und Wärmepumpen gebaut und installiert werden, müssen andere Bauprojekte zurückgestellt werden.

Statt einer Bereitschaft zu solchen schweren Entscheidungen vermitteln die Parteien im bisherigen Wahlkampf den Eindruck, sie sonnten sich in dem bisher Erreichten – man müsse die Initiativen nur noch ein wenig ergänzen. 

Was in Wirklichkeit notwendig wäre, ist ein Klimawahlkampf, Version 2.0. 

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