Leitartikel

„Frederiksens Kommunikation ist ausgezeichnet – oder?“

Frederiksens Kommunikation ist ausgezeichnet – oder?

Frederiksens Kommunikation ist ausgezeichnet – oder?

Apenrade/Aabenraa
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Dänemarks Regierungschefin bekommt für ihre Kommunikation während der Corona-Krise einen Preis. Doch so mancher fühlte sich, gerade im deutsch-dänischen Grenzland, überhört, erinnert Cornelius von Tiedemann. Kommunikation bedeute eben mehr, als nur, sich verständlich zu machen, meint er.

Das Politmedium „Altinget“ ist bekannt für seine nüchtern-analytische Herangehensweise an das Objekt seiner Beschreibung – die Politik.  
Wenn ein solches Fachmedium, das sich selbst zuvorderst mit einem einzigen Wort beschreibt, nämlich „unparteiisch“, einen Preis für etwas vergibt, dann will es etwas. Wahrscheinlich Aufmerksamkeit.

Die hat es hiermit. Denn „Altinget“ vergibt einen Preis namens „Ting“ für „gute politische Kommunikation“. Und diesen Preis überreicht das Medium am Mittwoch Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.).

Herzlichen Glückwunsch, kann man da nur sagen. Da hat die Regierungschefin so überzeugend kommuniziert, dass nicht nur das Wahlvolk ihr die Stange hält – auch die Presse belohnt sie nun dafür.

Als Journalisten und Redakteure ist es unser Beruf, teils komplexe Sachverhalte leicht verständlich, aber nicht vereinfacht, darzustellen, Entwicklungen nachvollziehbar zu machen und diejenigen, die noch gar kein Vorwissen haben, genauso mitzunehmen, wie Experten oder solche mit vorgefertigten Meinungen.

Insofern kann die Kommunikationsleistung von Mette Frederiksen in ihrer gesamten Regierungszeit und auch während der Corona-Krise aus unserer Warte durchaus als gelungen, vielleicht sogar als ausgezeichnet bezeichnet werden.

Dass ein Plan da war, war von vorneherein klar, schließlich hatte Frederiksens langjähriger „Schattenmann“ Martin Rossen das sozialdemokratische Schiff mit ihr gemeinsam auf Linie gebracht und diszipliniert – auch und gerade in Sachen Kommunikation.

Dass Frederiksen dann auch in der vielleicht größten Krise, zumindest in dem größten gesellschaftlichen Einschnitt, seit langem, den Faden nicht verlor – oder zumindest diesen Eindruck vermittelte – ist anerkennenswert.

Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass Krisen gerade für Regierungschefs oft eine dankbare Gelegenheit sind, zu kommunizieren. In vielen Ländern haben die Landesmütter und -väter zuletzt an Beliebtheit gewonnen, einfach, weil sie da waren, sich gezeigt haben, ruhig und klar geblieben sind.

Den Oppositionen landein landaus blieb da oft nicht viel anderes übrig, als beifallend zu nicken, wollten sie nicht als Hasardeure auffallen.

Frederiksen wird nun gegen Ende dieses außergewöhnlich ereignisreichen Jahres zurecht für ihre Sprache gelobt. Eine „einfache, ansprechende Wortwahl, bei der eine massive Anzahl kurzer Sätze genutzt wird. Manchmal respekteinflößend und effektreich. Manchmal empathisch und fürsorglich. Immer gut vorbereitet“, so das Jurymitglied Lisbeth Knudsen, Chefredakteurin bei „Altinget“ und „Mandag Morgen“.

„Altinget“, das ist wichtig, belohnt mit seinem Preis ganz ausdrücklich nicht den politischen Inhalt der Botschaften, die Frederiksen gesendet hat, sondern die Art und Weise der Vermittlung. Alles andere wäre auch merkwürdig.

Doch es stellt sich die Frage: Ist Kommunikation an sich nicht schon Politik? Ist es zum Beispiel nicht auch Politik, Dinge nicht zu sagen?

Wenn etwa über Wochen und Monate keine klaren Antworten auf drängende Fragen aus dem dänisch-deutschen Grenzland gegeben werden?

Es ist das Schicksal der Minderheiten, egal wie groß, dass sie im Ringen um „das große Ganze“ oftmals übergangen und zur Nebensache werden. Das hat sich gerade in der Corona-Krise wieder gezeigt.

Glücklicherweise gibt es Politikerinnen und Politiker, auch bei den Sozialdemokraten, die zwischen allem preisgekrönten Senden auch mal zuhören. Und die so einige der Pläne und Maßnahmen, die mit breitem Pinsel über Dänemark gemalt werden, nachbessern, verfeinern, damit auch wir und andere Minderheiten berücksichtigt werden.  

Ausgezeichnete Kommunikation, das bedeutet eben nicht nur, sich verständlich zu machen – sondern auch, sich zu verständigen.

 

 

 

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