Leitartikel

„Entscheidend wird sein, wer alles nicht wählt“

Entscheidend wird sein, wer alles nicht wählt

Entscheidend wird sein, wer alles nicht wählt

Apenrade/Aabenraa
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Es komme weniger darauf an, welches Lager größer ist als vielmehr darauf, ob mehr der Ja- oder Nein-Sagerinnen und -Sager am Mittwoch zur Wahl gehen, meint Cornelius von Tiedemann. Manches deute darauf hin, dass die, die den Verteidigungsvorbehalt abschaffen wollen, in der Überzahl sein werden.

Wenn am Mittwoch in Dänemark darüber abgestimmt wird, ob Dänemark sich, wie alle anderen EU-Mitgliedsländer auch, vorbehaltlos grundsätzlich an der militärischen Zusammenarbeit beteiligen soll, dann gehen längst nicht alle Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Wahl.

Und genau das könnte die Wahl entscheiden. Denn der große Vorsprung des Ja-Lagers ist zuletzt, wenn wir denn den Umfragen glauben können, wieder etwas geschrumpft.

Was macht die Wahlbeteiligung deshalb so wichtig?

Erstens sind nicht alle Menschen, die in Dänemark heimisch sind, arbeiten und Steuern zahlen, dänische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Weshalb diese rund 10 Prozent der Bevölkerung schon mal wegfallen. Der Gedanke, dass besonders viele eben dieser Menschen, die vielfach aus dem EU-Ausland kommen, dafür stimmen würden, europäische Vorbehalte abzuschaffen, liegt auf der Hand.  

Dass sie nicht mitwählen, senkt die Wahlbeteiligung nicht, schließlich berücksichtigt diese Statistik immer nur die sogenannten Wahlberechtigten. Doch es senkt den Anteil der pro-europäischen urbanen Wahlteilnehmerinnen und -teilnehmer deutlich.

Die übrig gebliebenen Wahlberechtigten sind in der EU-Frage logischerweise in zwei Lager gespalten. Das Ja-Lager und das Nein-Lager. Die Umfragen lassen vermuten, dass das Ja-Lager größer ist. Dabei könnte der Schein trügen. Denn am Mittwoch wird es weniger darum gehen als darum, aus welchem Lager mehr Menschen ihren Stimmzettel abgeben.

Denn bekanntlich locken Wahlen zum Thema EU in Dänemark (und anderswo) weniger Menschen in die Wahllokale als nationale Entscheidungen und Wahlen.

Besonders jene, die der Europäischen Union ablehnend, kritisch, skeptisch oder gleichgültig gegenüberstehen, bleiben solchen Wahlen fern, wenn sie nicht von Protestparteien mobilisiert werden.

Diese Gruppe besteht nicht nur, aber überwiegend aus Menschen mit kürzeren Bildungsverläufen, aus Menschen, die in Jobs im unteren Lohnbereich arbeiten und die außerhalb der großen Städte leben.

Das sind in Dänemark, auch und gerade in Nordschleswig, viele Menschen.

Weshalb es interessant sein wird zu sehen, wie sich gerade das Grenzland in dieser Frage entscheiden wird. Denn wer glaubt, dass die Mehrheit hier im Musterland der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vorbehaltlos europäisch denkt, hat sich schon früher eines Besseren belehren lassen müssen.

Auch hier, wo wirtschaftlich und kulturell so vieles vom Miteinander abhängt, ziehen viele Menschen geschlossene Grenzen und nationales Einzelgängertum vor – weil sie die Chancen und Möglichkeiten eines offenen Europas nicht als ihre eigenen Chancen und Möglichkeiten erkennen.

Wer daran schuld ist? Das bis Mittwoch zu klären, ist müßig.

Entscheidend wird sein, wie viele dieser Menschen sich dazu aufraffen, aus Protest gegen ein demokratisches System, in dem sie sich unverstanden fühlen, demokratisch aktiv zu werden und einmal mehr gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen.

 

 

 


 

 

 

 

 

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