Leitartikel

„Dänemark überwacht weiter ohne Anlass oder Rücksicht – und ohne rechtliche Grundlage“

Dänemark überwacht weiter ohne Anlass oder Rücksicht

Dänemark überwacht weiter ohne Anlass oder Rücksicht

Apenrade/Aabenraa
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Justitia
Justitia, die römische Göttin der Gerechtigkeit, ist nicht auf Seiten der dänischen Regierung, schreibt Cornelius von Tiedemann. Foto: Pixabay

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Die systematische Vorratsdatenspeicherung geht weiter – weil die Regierung in Kopenhagen mit Tricksereien versucht, zu verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger im Lande zu ihrem verbrieften Recht auf Datenschutz kommen, schreibt Cornelius von Tiedemann.

Wie an dieser Stelle berichtet und bedauert, hat die Regierung dieses Jahr einen Gesetzesvorschlag zum Thema Datenschutz vorgelegt, der nicht zum Ziel hat, die Menschen in Dänemark vor staatlicher Willkür, Datenmissbrauch und anlassloser Massenüberwachung zu schützen.

Stattdessen soll die in Dänemark praktizierte Vorratsdatenspeicherung legitimiert werden. Alter Wein in neuen Schläuchen also.

Nun ist dieser Gesetzesvorschlag derartig umfangreich, dass die Abgeordneten im Folketing sich mehr Zeit erbeten haben, um ihn studieren zu können, bevor sie ihm zustimmen oder ablehnen.

Dafür äußerte Justizminister Nick Hækkerup jetzt vollstes Verständnis, auch wenn er das Gesetz „schnellstmöglich“ umsetzen wolle.

Wer in der Adventszeit einen Heiligenschein sucht – zumindest einen Scheinheiligen dürften wir in Hækkerup gefunden haben.

Denn der Justizminister hat dem Parlament nur wenige Tage eingeräumt, um das für das Recht auf Privatsphäre für die Menschen in Dänemark zentrale Gesetz zu prüfen.

Und ein gesondertes Interesse daran, die derzeitigen Gesetze zu ändern, haben weder Hækkerup noch dessen Amtsvorgängerinnen und Amtsvorgänger bewiesen.

Seit Jahren verschleppen sie es, das dänische Recht nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes einzurichten. Darin heißt es klipp und klar, dass die dänische Massenüberwachung illegal ist. Hierzulande werden grundsätzlich und alle Verbindungs-Informationen (wer, wann, wo, mit wem) zu Kurznachrichten-, Internet- und Telefonverbindungen von den Anbietern gespeichert, um sie auf Anforderung Polizei und Geheimdiensten vorzulegen.

Die Regierung versucht nun ein weiteres Mal zu verhindern, dass Dänemark sich dem im Namen des Volkes gesprochenen Urteil endlich anpasst. Mit einem Entwurf, der vorsätzlich so formuliert ist, dass er nicht im Sinne des Urteils umgesetzt werden kann.

Erst wird das Parlament länger brauchen, das Urteil überhaupt zu prüfen. Dann wird es vor allem mit den Stimmen jener Parteien, die sich angeblich für mehr „Freiheit“ einsetzen und für eine vertrauensvolle Gesellschaft, in der mehr „Zusammenhang“ herrscht, durchgestimmt werden.

Wenn es dann, voraussichtlich Mitte 2022 (geplant war bisher der 1. Januar) in Dänemark in Kraft tritt, werden die Telekommunikationsunternehmen alle Hände voll zu tun haben, den Wünschen der Politik gerecht zu werden. Es soll in Zukunft neben der grundsätzlichen Vorratsdatenspeicherung auch zielgerichteter überwacht werden können.

Und dann wird der EuGH das Gesetz erneut prüfen und das Gesetz für illegal befinden. Und dann wird es wieder Jahre dauern, bis ein neues Gesetz vorliegt.

Und die ganze Zeit über wird Dänemark seine Bürgerinnen und Bürger und seine Gäste weiter illegal überwachen.

Gegen europäisches Gesetz, gegen die Warnungen von Juristen, Anwaltsverbänden, Amnesty International und andren, die allen Folketings-Mitgliedern jetzt einen Brief geschrieben haben, um sie an ihr Gewissen als Parlamentarier in einer freiheitlichen Demokratie zu erinnern.

Ob sich alle im Folketing den Brief durchlesen werden? Und ob sie den Gesetzesentwurf überhaupt gründlich lesen und auf seine die Folgen für unser aller Recht auf Privatsphäre hin prüfen werden? Wohl kaum. Ein Nein im Folketing käme bei der derzeitigen Konstellation einem Wunder gleich.

Wie ein Heiligenschein in der Adventszeit.

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