Diese Woche in Kopenhagen

„Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?“

Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?

Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?

Kopenhagen
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Nach einem Jahr Corona-Krise und unzähligen Pressekonferenzen überlegt Walter Turnowsky, ob Mette Frederiksen nun auch wirklich selbst Gemeinschaftssinn zeigt. Die Frage ist, ob ihre eigenmächtige Art das Risiko einer Spaltung der Gesellschaft beinhaltet.

Es ist nun ein Jahr her, dass Mette Frederiksen am 11. März den ersten Shutdown bekannt gab. Die erste Pressekonferenz mit ihr zur Corona-Epidemie fand schon eine Woche früher, am 6. März, statt.

Seither habe ich zwar nicht allen, aber doch unzähligen Pressekonferenzen beigewohnt. 

Am 8. April schrieb ich an dieser Stelle über die „Corona-Choreografie“. Von Anfang an war nämlich bei diesen Pressekonferenzen deutlich, dass die Form der Kommunikation genauestens geplant und inszeniert ist und war.

Selbstverständlich ist wichtig, dass in einer Krise klar und deutlich kommuniziert wird. Doch ging es bei der Kommunikation immer auch um die Selbstdarstellung der Staatsministerin

Die stramm gesteuerte Kommunikation und Inszenierung konnten wir in den vergangenen Tagen erneut beobachten.

Bisher hat es geheißen, dass ab 15. März höchstens eine kleine und regional begrenzte Wiedereröffnung möglich sei. Dann postete der Direktor des Serum Instituts am Montagabend ein Tweet, die Infektionszahlen hätten sich günstiger entwickelt als angenommen, eine weitere Öffnung sei möglich. Gesundheitsminister Magnus Heunicke (Soz.) legte ebenfalls auf Twitter am Dienstag nach: Eine weitere Öffnung sei möglich. In mehreren Medien tauchte aufbauend auf anonymen Quellen die Information auf, es gehe um Volkshochschulen und Nachschulen.

Ziel der Inszenierung: Die Regierung und vor allem die Staatsministerin wissen, wo es lang geht; wenn geöffnet wird, sind sie es, die die Bonbons austeilen. 

Die dringliche Reise nach Israel mitten in den Verhandlungen zur Wiedereröffnung war auch in erster Linie eine Inszenierung. Denn Konkretes herausgekommen ist bei der Reise – nichts.  

Der Spindoktor der ehemaligen sozialdemokratischen Staatsministerin Helle Thorning-Schmidt, Noa Redington, schreibt dazu in „Politiken“, Frederiksen strahle eine Überzeugung aus, ausschließlich sie und kein anderer könne Dänemark wohlbehalten durch die Krise führen. 

Entsprechend wird dann auch mit selbst gemäßigten Kritikern umgegangen. Sehr schnell wird ihnen der Vorwurf der Verantwortungslosigkeit angeheftet – meist nicht von Frederiksen selbst, sondern von ihren Gefolgsleuten. Widerspruch verträgt die Staatsministerin nur sehr schlecht.

Allmählich wachsen auch in Dänemark die Proteste gegen die Corona-Restriktionen – hier eine Demonstration der Men in Black am 27. Februar. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Dabei ist es vor allem die Einsicht der Bevölkerung in die Notwendigkeit der Vorsicht, die Dänemark bislang einigermaßen glimpflich durch die Krise geführt hat. Auch dass das Infektionsgeschehen sich jetzt positiver entwickelt, als das Serum Institut noch vor zwei Wochen angenommen hat, ist dieser Tatsache zuzuschreiben.

Der Widerstand gegen die Maßnahmen war gering und die politische Unterstützung breit. Große Demonstrationen wie in Deutschland hat es in der ersten Zeit nicht gegeben.

Doch allmählich bröckelt diese breite Unterstützung. Die Zustimmung zu den Restriktionen schwindet. Das haben Forscher der Universität Aarhus in ihrem HOPE-Projekt ermittelt.

Im Herbst begannen die Demonstrationen gegen das Epidemie-Gesetz, und nun haben die regelmäßigen Proteste der „Men in Black“ immer größeren Zulauf bekommen. Für den Jahrestag des Shutdowns hatte die Organisation „Frihedsbevægelsens Fællesråd“ ein Demonstrationsfest geplant.

Die „Men in Black“ werden gerne als Krawallmacher abgetan. Und so einige machen sich darüber lustig, dass die Demo am Donnerstag wetterbedingt abgesagt worden ist.

Gewiss, unter den Kritikern finden wir so einige Konspirationstheoretiker und Abonnenten einer alternativen Wirklichkeit. Fraglich bis fragwürdig ist jedoch, ob das Abkanzeln der rechte Umgang mit der Kritik ist.

Vielleicht sollten wir uns auch die Zwischentöne anhören. Es ist kein Zufall, dass die Kritiker häufig das Wort „Freiheit“ verwenden. Man sollte das ruhig gegen den von der Staatsministerin häufig verwendeten Begriff „Gemeinschaftssinn“ (samfundssind) gewendet verstehen. Sie sind nicht unbedingt Anhänger des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates – zumindest nicht in der Ausgabe, wie Frederiksen sich ihn vorstellt.

Dabei sollte man nicht vergessen, dass unter den Kritikern bei Weitem nicht nur Konspirationstheoretiker und Hooligans sind. Immer mehr Menschen fragen, ob der menschliche Preis der Restriktionen, verglichen mit dem Nutzen, allmählich zu hoch wird. Und die Frage sollte ernsthaft diskutiert werden, anstatt sie mit höhnischen Bemerkungen oder Hinweis auf die „globale Pandemie“ von sich zu weisen.

Ansonsten droht sich ein immer breiterer Riss durch die Gesellschaft zu öffnen.

Denn wahrer Gemeinschaftssinn ist, auch Kritikern aufgeschlossen zuzuhören und dabei auch auf die erwähnten Zwischentöne zu achten. Wer meint, die Weisheit für sich gepachtet zu haben, dem sind meist die Ohren verstopft.

Um eine gespaltene Gesellschaft sollten wir uns nämlich deutlich mehr Sorgen machen als um einige Männer in Schwarz. 

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