Diese Woche in Kopenhagen

„Warum Godot auch im Finanzministerium nicht erscheinen wird“

Warum Godot auch im Finanzministerium nicht erscheinen wird

Warum Godot auch im Finanzministerium nicht erscheinen wird

Kopenhagen
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In dieser Woche hat Finanzminister Nicolai Wammen (Soz.) in Kopenhagen seinen Haushaltsentwurf vorgestellt. Über den wird es keine realen Verhandlungen geben, denn er dient der Vorbereitung auf die Wahl, meint Walter Turnowsky.

Das Schauspiel war überzeugend, das Manuskript eher langweilig, doch konnte die aufmerksame Beobachterin oder der aufmerksame Beobachter die Inspiration eines Eugen Ionesco oder Samuel Beckett entdecken. So ungefähr könnte man die Vorstellung des Haushaltsentwurfs der Regierung am Mittwoch bezeichnen.

Ähnlich wie die beiden Vagabunden auf Godot warten, warten wir auf die Ausschreibung der Wahl. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass die Wahl im Gegensatz zu Godot kommen wird. Und genau hier zeigte sich die feinsinnige Absurdität der Inszenierung. Der Auftritt konnte nicht länger hinausgezögert werden, denn das Grundgesetz schreibt den Termin vor.

Finanzminister Nicolai Wammen (Soz.) spielte seine Hauptrolle im Stück „Dies sind Haushaltsverhandlungen wie alle anderen“ mit großer Glaubwürdigkeit. Als die Figur „der verantwortungsbewusste Kassenwart“ ermahnte er die Parteien, bei den Verhandlungen Zurückhaltung zu zeigen, große Sprünge seien nicht drin. Der Staat dürfe die Inflation nicht weiter anheizen, indem er mit Geld um sich wirft.

Geschenke könne er, obwohl Wahljahr ist, keine verteilen. Finanzpolitisch besonders Interessierten kann ich erzählen, dass der Haushaltsentwurf die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes um 0,7 Prozent dämpfen soll.

Für Menschen, die besonders hart von den steigenden Preisen betroffen sind, will er 2 Milliarden Kronen zusätzlich zu den bereits verabschiedeten Hilfspaketen bereitstellen.

Mit den Parteien will er lediglich über 550 Millionen Kronen des Haushaltes mit einem Gesamtvolumen von 1.245 Milliarden verhandeln. Das ist halb so viel wie bei den Verhandlungen um den diesjährigen Etat. Wammen hat auch schon eine gute Vorstellung davon, wie diese Mittel verwendet werden sollen: für das Gesundheitswesen und für die Psychiatrie sowie für den Seniorenbereich.

Er will nun die Parteien zu Verhandlungen einladen. Man wollte ihm den Auftritt des Finanzministers, der jetzt seriöse Verhandlungen einleiten wird, fast abnehmen. Solange man sich innerhalb der Logik des aufgeführten Stückes bewegt, waren seine Darstellungen nämlich durchaus schlüssig.

Wer jedoch auch die Geschehnisse außerhalb des Finanzministeriums verfolgt, wurde an die eingangs erwähnten Theaterautoren erinnert. Denn fast zeitgleich mit der Inszenierung im Finanzministerium teilte „DR“ mit, dass Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) am Sonntag mit den beiden Mitbewerbern um das Amt als Regierungschef, Jabob Ellemann-Jensen und Søren Pape Poulsen, bei einem Fernseh-Triell diskutieren wird. Ein deutlicheres Zeichen, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft die Wahl ausschreiben wird, gibt es kaum – falls nicht bereits kommende Woche erscheint die zweite Hälfte September mit einem Wahltermin Anfang Oktober nicht unwahrscheinlich.

Wammen müsste also in einem noch nie dagewesenen Tempo eine Absprache über den Haushalt unter Dach und Fach bringen. Und das mit Parteien, die vor einer Wahl selbstverständlich nicht das geringste Interesse haben, eine solche Verabredung einzugehen. Das ist schon nicht mehr absurdes Theater, das ist Science-Fiction. Zumal eine eventuelle neue Mehrheit eine solche Haushaltsabsprache einfach in den Mülleimer schmeißen könnte.

Die eigentliche Pointe des Stückchens im Finanzministerium sollten wir daher in seiner mehrmals wiederholten Aussage suchen, die Parteien sollten auch in einem Wahljahr keine teuren Forderungen stellen. Der Haushaltsentwurf ist aufgrund der angespannten Wirtschaftslage nicht geeignet, offensiv in den Wahlkampf zu ziehen.

Dagegen ist er prima geeignet, um politischen Konkurrenten und Gegnern ein Vabanquespiel vorzuwerfen. Forderungen von mehr Geld für die Psychiatrie und den Sozialbereich von links? Wirtschaftlich nicht zu verantworten. Forderungen von Steuererleichterungen von rechts? Sozial unverträglich und nicht zu finanzieren.

Um das vorzubereiten, musste Wammen einen so überzeugenden Auftritt hinlegen. Und dann spielt es keine Rolle, dass eine Haushaltsvereinbarung diesseits einer Wahl so wahrscheinlich ist wie das Auftauchen des Godot.

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