Diese Woche in Kopenhagen

„Wackelpudding in bunten Farben“

Wackelpudding in bunten Farben

Wackelpudding in bunten Farben

Kopenhagen
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Viel lächeln und möglichst wenig versprechen, das scheint derzeit das Erfolgsrezept in der dänischen Politik zu sein. Doch ob das auf die Dauer gut gehen kann, fragt sich Walter Turnowsky.

Es scheint in der dänischen Politik einen Trend zu geben: Möglichst unauffällig auftreten, und du wirst populär. Wenig sagen, vor allem über Politik, und die Wählerinnen und Wähler laufen dir zu – zumindest in den Umfragen.

Da wäre zum Beispiel Søren Pape Poulsen. Sollte dir spontan nicht einfallen, was er in den vergangenen drei Jahren politisch so betrieben hat, sei dir verziehen. Ich müsste da auch erst überlegen.

Als er 2014 den Chefsessel bei den Konservativen übernahm, war der Laden nicht gerade vom Erfolg verwöhnt. Ein Jahr später fuhr er mit 3,4 Prozent das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Partei ein. Papes Strategie, um aus dem Schlamassel herauszukommen: immer freundlich lächeln. Und so konnte er vier Jahre später faste eine Verdoppelung der Stimmenzahl erlächeln.

Seither hat er in den Umfragen die bürgerliche Konkurrenz von Venstre eingeholt zeitweise sogar überholt.

Gelächelt hat der Konservativen-Chef auch, als er sich am Montag als Staatsminister präsentierte. Über Politik hat weiterhin so wenig wie möglich gesagt. Der Versuch der Journalistinnen und Journalisten, ihm klare Aussagen zu entlocken, war ungefähr so erfolgreich wie der Versuch, Wackelpudding an die Wand zu nageln: Alle wüssten ja, wofür die Konservativen stehen. Aha!

Auf der anderen Seite des Plenarsaals, bei der Sozialistischen Volkspartei (SF), finden wir Papes weibliches Gegenstück. Pia Olsen Dyhr heißt dort die Chefin, falls dir das entfallen sein sollte. Ähnlich wie der lächelnde Konservative übernahm sie einen ziemlich maroden Laden – übrigens im selben Jahr. Erst in der vergangenen Woche hat sie sich als die langweiligste Dame auf Christiansborg bezeichnet.

Als Unterstützerin der Sozialdemokratie ist Olsen Dyhr die vergangenen drei Jahre recht unauffällig im Windschatten von Mette Frederiksen gesegelt; nur etwas grüner und etwas netter – insbesondere gegenüber Krankenschwestern und anderen öffentlich Bediensteten. Allerdings hat sie den Ruf, dass man sie, wenn sie erst einmal in einem Verhandlungszimmer sitzt, dort nicht so leicht wieder rausbringt.

Schenkt die SF-Chefin den Umfragen Glauben, kann sie der irgendwann kommenden Wahl mit gewisser Gelassenheit entgegenblicken. Sollte es danach mit dem heiß ersehnten Ministersessel nicht klappen, ist nicht ihre Partei schuld.

Schuld wäre gewissermaßen eine Parteichefin von der anderen Seite. Inger Støjberg und ihre neu gegründeten Dänemarksdemokraten schaffen es, so zumindest die Umfragen, Stimmen aus dem roten ins blaue Lager zu fischen. Ein Parteiprogramm braucht Støjberg dafür nicht, der Name der Gesetzesbrecherin ist anscheinend genug, um Wählerinnen und Wähler anzuziehen.

Kaum hatten die Dänemarksdemokraten genug Stimmen gesammelt, um kandidieren zu können, schnellten sie schon in den Umfragen nach oben. Die Politik: gegen die „Kopenhagener Salons“ wettern und für die gemeinen Bürgerinnen und Bürger eintreten – wer immer das sein mag.

Das spricht vor allem Wählerinnen und Wähler an, die die Dänische Volkspartei (DF) seinerzeit der Sozialdemokratie abgenommen hat. Mette Frederiksen hatte sie dann mit harter Rhetorik gegenüber „Ausländern“ und dem Eintreten für Arne und seine Kolleginnen und Kollegen zurückgeholt. Doch nun finden viele von ihnen Mette nicht mehr so gut, und Inger kann aus dem Vollen schöpfen.

Politik hat sie immer noch kaum, dafür seit dieser Woche zumindest mal Kandidatinnen und Kandidaten für die Folketingswahl. Nicht wenige von ihnen sind ehemalige DFer, denen Inger politisches Asyl gewährt hat. Einer der Prominenten von ihnen, Søren Espersen, wird in Nordschleswig und Südjütland auf Stimmenfang gehen. Ein fruchtbarer Boden: Ist Nordschleswig doch ehemalige DF-Hochburg, und Kopenhagener mögen viele hier auch nicht so gern.

Sollte Støjberg tatsächlich genug Wählerinnen und Wähler über die Mitte ziehen, um Søren Pape Poulsen in den Staatsministersessel zu hieven (falls sie nicht doch Jakob Ellemann-Jensen von Venstre lieber mag), ist es für ihn mit nur Lächeln und Nixsagen aus. Davon kann Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) ein Lied singen.

Zwar kann man ihr schlecht vorwerfen, dass sie nicht gern etwas sagt – häufig sogar auch über Politik, wenn sie nicht gerade von Makrele in Tomatensoße spricht –, doch mit dem Beantworten von Fragen hat sie es nicht so sehr. Während der Corona-Krise war es durchaus populär, wenn sie naseweisen Journalistinnen und Journalisten übers Maul gefahren ist. Bei ihrem Stammpublikum kommt der Stil auch weiterhin gut an, nur das wird immer kleiner. Das mit dem Nichts-sagen-Wollen stößt also auch irgendwann an seine Grenzen.

Diese Erfahrung macht derzeit ein weiterer Parteigründer, nämlich Lars Løkke Rasmussen, der die Moderaten als Beschäftigungsprojekt für sich selbst ins Leben gerufen hat. Genau das richtige Projekt für mich, dachte da der ehemalige Tondern-Bürgermeister Henrik Frandsen. Ein Parteiprogramm gibt es auch hier keines; dann braucht man auch nachher nicht zu erklären, warum man es nicht umsetzt.

Ob die Moderaten nachher überhaupt irgendetwas außer ihrer eventuellen Niederlage zu erklären brauchen, ist jedoch noch unklar. Selbst mit der schlagkräftigen Unterstützung von der Westküste liegen die Umfragewerte unter der Deichhöhe von 2 Prozent. Wahrscheinlich wird Løkke jedoch über die Sperrklausel krabbeln.

Bei all der Nicht-Politik könnte die eine oder andere Partei ja überlegen, doch mit einem schlüssigen politischen Projekt in den Wahlkampf zu ziehen. Wenn nicht aus anderen Gründen, dann einfach, um etwas anderes zu tun und nicht in dem ganzen personenbezogenen Wackelpudding unterzugehen.

Sollte einer Partei noch eine Wahlkampfstrategie fehlen, stelle ich ihr hiermit diesen Vorschlag zur Verfügung – sogar kostenlos.

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Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
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