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„Venstre wird liberaler – und bleibt klein“

Venstre wird liberaler – und bleibt klein

Venstre wird liberaler – und bleibt klein

Kopenhagen
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Zwei ehemalige große Parteien in Dänemark und Deutschland müssen einer neuen Wirklichkeit ins Auge schauen, meint Walter Turnowsky. Denn ihre Zeit als Volksparteien ist vorbei.

Es war einmal – vor nicht allzu langer Zeit – da war Venstre unangefochten die Staatsministerpartei des bürgerlichen Blocks in Dänemark.

Es war einmal – vor noch kürzerer Zeit – da waren die Unionsparteien gemeinsam stärkste Kraft in der Bundesrepublik Deutschland.

Beides ist nun so schnell Geschichte geworden, dass sich schon bald Legenden darum ranken werden.

Innerhalb der Unionsparteien – vor allem der CDU – wird es allerdings noch gewaltig krachen, bevor sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass diese Zeit nun endgültig vorbei ist. Der kommende Parteitag dürfte kaum jugendfrei werden.

Lars und Kristian

Der Parteitag von Venstre am Wochenende war friedlicher, denn hier hat sich die Erkenntnis allmählich durchgesetzt, dass es mit dem Konservativen Søren Pape Poulsen zumindest einen ebenbürtigen Anwärter auf das Amt des Regierungschefs gibt. Die Ursache hierfür ist weniger das Charisma Pape Poulsen, als die internen Querelen, die Venstre seit Jahren geplagt haben.

Zunächst war da jener Parteivorsitzende Lars Løkke Rasmussen, der mit seinem Vize Kristian Jensen eine Absprache getroffen hatte, die eher einer sehr labilen Waffenruhe als einem Schulterschluss glich. Kaum hatten die Bürgerlichen im Juni 2019 die Wahl verloren, brach sie dann auch zusammen.

Jakob und Inger

Die Partei schickte beide ins politische Abseits und erkor Jakob Ellemann-Jensen und Inger Støjberg zum vermeintlichen Traumpaar, das den liberalen und den national-konservativen Flügel der Partei einen sollte.

Doch der Traum wurde schnell zum Albtraum. Zwar standen beide deutlich für je ihre Strömung, doch von Einigkeit konnte nicht die Rede sein. Im Dezember vergangenen Jahres wurde es dann Ellemann-Jensen zu bunt, und er forderte Støjberg zum Rücktritt auf.

Der äußere Anlass war die Frage des Reichsgerichtsverfahrens, doch vermutlich wäre es auch ohne nur eine Frage der Zeit gewesen.

Wutentbrannt verließ Støjberg die Partei, und ein Teil ihrer Gefolgsleute, vor allem an der Basis, folgte ihr.

Jakob alleine

Noch bevor sie ihren Austritt bekannt gab, hat ein anderes prominentes Mitglied die Tür deutlich hörbar hinter sich zugeschlagen: nämlich der Altvorsitzende Lars Løkke Rasmussen. Hier ging es jedoch nicht um politische Zerwürfnisse, sondern mehr um die Tatsache, dass er es in der Rolle als Hinterbänkler nicht ausgehalten hat.

Nun hat er seine eigene Partei, die Moderaten, gegründet. Das Programm besteht bislang nur aus seinem Namen.

Vor diesem Hintergrund muss man Ellemann-Jensens Auftritt beim Parteitag bewerten. Erstmalig schien er sich in der Rolle als Vorsitzender wohlzufühlen – eine Tatsache, die er selbst ansprach. Ohne Løkke und ohne Støjberg kann er nun seine eigene Linie verfolgen.

Jakob und ?

Und so arbeitet er nun daran, die Partei auf einen klaren liberalen Kurs einzuschwören. Doch damit drohen ihm auch dauerhaft die national-konservativen Wählerinnen und Wähler verloren zu gehen. Venstre wird sich wohl auch langfristig daran gewöhnen müssen, eine kleinere Partei zu sein, als sie es gewohnt gewesen ist.

Parteiveteranen wie Claus Hjort Frederiksen und Anders Fogh Rasmussen wetterten am Wochenende gegen Løkke. Ellemann weiß jedoch, dass er ihn wohl brauchen wird, will er die geringste Chance haben, sich seine Staatsministerträume zu erfüllen. Denn Løkke wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seiner neuen Partei ins Folketing einziehen.

Ob das Paar dann zusammen glücklich bis ans Ende einer kommenden bürgerlichen Regierungsperiode leben wird, scheint fragwürdig.

Doch bevor die Frage, wer eine mögliche bürgerliche Regierung führen soll, überhaupt relevant ist, muss erst mal eine Mehrheit her. Und wer diese in greifbarer Nähe sieht, dem möchte ich dann doch eher die Lektüre von Märchen ans Herz legen.

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Cornelius von Tiedemann
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