Diese Woche in Kopenhagen

„Und wann kommt die Wahl?“

Und wann kommt die Wahl?

Und wann kommt die Wahl?

Kopenhagen
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„Der Nordschleswiger“ hat diese Woche aus Kopenhagen ein ganz besonderes Angebot exklusiv für die Leserinnen und Leser: Walter Turnowsky hat die politische Analyse zum Selberbasteln entwickelt.

Seit die Radikalen am 2. Juli ihr eigenartiges Ultimatum gestellt hatten, Mette Frederiksen (Soz.) solle spätestens am 3. Oktober Neuwahlen ausschreiben, versuchen diverse politische Orakel in und um Christiansborg die in der Überschrift formulierte Frage zu beantworten.

Doch bislang waren die politischen Wettervorhersagen nicht so recht überzeugend. Zunächst hieß es: unmittelbar nach den Schulferien oder zumindest im August. Später wurde sogar ein Datum genannt: das Sommertreffen der sozialdemokratischen Fraktion am 16. und 17. August.

Zwar könnte Frederiksen es rein theoretisch noch schaffen, im August die Wahl auszuschreiben (der Tradition zufolge geschieht das in Dänemark meistens an einem Dienstag), doch deutet darauf derzeit so wenig hin, dass ich mich hier ein wenig aus dem Fenster zu lehnen wage und sage, das wird sie nicht tun. Um die Gründe dafür zu beschreiben, muss ich ein wenig ausholen.

Es war der Bericht der Minkkommission, in dem das Staatsministerium scharf kritisiert worden war, der die Radikalen veranlasste, Neuwahlen zu fordern – ansonsten wollen sie bei der Eröffnung des Folketings am 4. Oktober einen Misstrauensantrag stellen. Damals unkten die Opposition und einige bürgerliche Kommentatoren, die Stützpartei würde eine Luftnummer aufführen, denn die Staatsministerin habe ohnehin vor, nach den Sommerferien die Wahl auszuschreiben.

Ob Mette Frederiksen tatsächlich einen solchen Plan in irgendeiner Schublade rumliegen hatte, wissen nur sie selbst und vielleicht zwei bis drei weitere Personen. Seither ist so einiges passiert, das bedeutet, dass die Regierungschefin die Wahl am liebsten so weit wie möglich hinauszögern wird.

Passiert sind vor allem die Umfragen, die eine bürgerliche Mehrheit und ein historisch schlechtes Ergebnis für die Sozialdemokratie vorhersagen. Wie in der vergangenen Woche beschrieben, hat das nicht so ganz wenig mit dem Wiederauftauchen Inger Støjbergs auf der politischen Bildfläche zu tun. Doch auch die Minkaffäre spielt keine ganz kleine Rolle, denn sie hat die Glaubwürdigkeit der Staatsministerin massiv beschädigt. Ihre persönlichen Popularitätswerte sind in den Umfragen in den Keller gerutscht.

Daher ist sie daran interessiert, so viel Abstand wie möglich zu den Minks zu gewinnen, doch die hartnäckigen Biester laufen ihr dauernd hinterher. Erst am Mittwoch entschieden die Staatsministerin und zwei ihrer Minister nach einem Vorschlag der zuständigen Behörde, welche Folgen die harte Kritik der Minkkommission für vier Spitzenbeamtinnen und -beamten haben. Dass Frederiksens Staatssekretärin (departementschef) Barbara Bertelsen mit einer Verwarnung davonkommt, muss für Erstere nicht unbedingt ein Vorteil sein.

„Doch wie sieht es nun mit dem Wahltermin aus, Walter?“ wirst du dich an dieser Stelle vielleicht als Leserin und Leser schon ein wenig ungeduldig fragen. Doch hier muss ich dich leider enttäuschen, so weit möchte ich mich dann auch nicht aus dem Fenster lehnen.

Als Trost biete ich dir die Möglichkeit, dich selbst als Wahlorakel zu betätigen und gebe dafür ein paar Hinweise.

Erster Hinweis: Am Donnerstag hat das Folketing eine Reihe von Inflationshilfen beraten. Sie sollen am 8. September endgültig abgesegnet werden. Ohne diesen Beschluss in den Wahlkampf zu ziehen, könnte unbequem werden.

Zweiter Hinweis: Vermutlich am Mittwoch, dem letzten möglichen Termin, stellt die Regierung ihren Vorschlag für den Haushalt für 2023 vor. Der Vorschlag ist immer eine Chance, die politische Richtung vorzugeben.

Dritter Hinweis: In der vergangenen Woche hat die Regierung ein Paket gegen Bandenkriminalität vorgestellt. Das war eindeutig ein Wahlkampfthema. Doch die Sozialdemokratie braucht weitere Themen, um politisch wieder in die Offensive gehen zu können. Beobachte also, wann weitere solche Vorstöße kommen – sie können ein Zeichen der nahenden Wahlausschreibung sein.

Vierter Hinweis: Mette Frederiksen ist nicht gezwungen, spätestens am 3. Oktober die Wahl auszuschreiben. Sie kann es auch darauf ankommen und die Radikalen den Misstrauensantrag stellen lassen. Unwahrscheinlich, aber du kannst es ja als Variante in deine Analyse einfließen lassen.

Fünfter Hinweis: Es gibt eine weitere unwahrscheinliche Variante. Eine Wahl muss in Dänemark mit einer Mindestfrist von drei Wochen ausgeschrieben werden, eine maximale Frist gibt es jedoch nicht. Im Prinzip kann die Staatsministerin also am 3. Oktober die Wahl für den spätest möglichen Termin, den 4. Juni 2023, ausschreiben.

Hiermit hast du nun die Bausteine, um deine eigene Analyse zu basteln und kannst bereits am Wochenende deinen Verwandten und Freunden mit überzeugender Stimmführung das wahrscheinlichste Wahldatum nennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du richtig liegst, ist genauso hoch wie bei diversen politischen Beobachterinnen und Beobachtern, inklusive des Autors dieser Zeilen.

Viel Vergnügen beim Orakeln.

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