Diese Woche in Kopenhagen

„Der sichere Weg zur Wahlniederlage: Änderungen der Vorruhestandsregelungen“

Der sichere Weg zur Wahlniederlage: Änderungen der Vorruhestandsregelungen

Sicherer Weg zur Wahlniederlage: Die Vorruhestandsregelungen

Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Mit Arne hat die Sozialdemokratie 2019 die Wahl gewonnen. Arne-Plus müsste demnach der sichere Weg zu einem noch größeren Sieg sein. Warum das Gegenteil der Fall werden könnte, erklärt Walter Turnowsky.

Das hat es auch nicht so oft gegeben: Vertreterinnen der linken Parteien agitieren am Tag der Arbeit für eine Erfindung der bürgerlichen Parteien.

Doch genau das war der Fall, als die Vorsitzende der Sozialistischen Volkspartei, Pia Olsen Dyhr, und die politische Chefin der Einheitsliste, Mai Villadsen, am Montag durch die Gewerkschaftsveranstaltungen tingelten und nicht nur den Erhalt, sondern sogar den Ausbau der Seniorenrente (seniorpension) forderten. Der Hintergrund ist, dass die Sozialdemokratie, Venstre und die Moderaten sich ins Regierungsprogramm geschrieben haben, dass die Seniorenrente abgeschafft und durch eine Arne-Plus-Regelung ersetzt werden soll.

Grund für die Kritik und den Ärger: Die Seniorenrente bringt den Frühruheständlerinnen und -ruheständlern fast 5.000 Kronen mehr pro Monat als die geplante Arne-Plus-Rente.

Erste Anzeichen dafür, dass vor allem die eine der Regierungsparteien, die Sozialdemokratie, einen Rückzieher vorbereitet, gibt es bereits. Das ist kein Zufall, denn mit Diskussionen über Frührente und Vorruhestand werden in Dänemark Wahlen gewonnen – und verloren.

Wahlsieg mit Arne

Das jüngste Beispiel: Der Wahlkampf 2019, bei dem die Sozialdemokratie plakatierte „Jetzt ist Arne dran (Nu er det Arnes tur)“. Der Brauereiarbeiter Arne Juhl von Fuglsang diente der Arbeiterpartei als Beispiel für Menschen, die nach jahrzehntelanger harter Arbeit das Recht bekommen sollen, sich vom Arbeitsmarkt zurückzuziehen.

Die Arne-Rente können Menschen, die 61 Jahre alt und 42 Jahre auf dem Arbeitsmarkt gewesen sind, beantragen (Die Altersgrenzen steigt mit steigendem Rentenalter). Die bürgerlichen Parteien kritisierten, dass damit auch kerngesunde Menschen den Arbeitsmarkt verlassen und in den Vorruhestand gehen können.

Løkkes Antwort

Als Antwort auf den Vorschlag zur Arne-Rente führte die von Lars Løkke Rasmussen (damals Venstre) geführte bürgerliche Regierung im Vorwahlkampf die Seniorenrente ein. Der entscheidende Unterschied ist, dass man die nur erhält, wenn man einen ärztlichen Nachweis bringt, dass die Arbeitsfähigkeit nur noch 15 Stunden pro Woche beträgt. Dafür gibt es 6.000 Kronen mehr und man kann drei Jahre früher als bei der Arne-Rente den Arbeitsmarkt verlassen.

Rückwärts rudern und trotzdem den Kurs halten ist in der Politik keine ganz seltene, wenn auch nicht unbedingt elegante Disziplin.

Genutzt hat es Løkke nichts: Die Sozialdemokratie konnte – nicht zuletzt mithilfe von Arne – die Wahl 2019 für sich entscheiden. Und somit haben wir jetzt zwei Vorruhestandsregelungen: die Arne-Rente und die Seniorenrente. Eigentlich gibt es sogar drei, denn der „Efterløn“ existiert auch noch.

Historische Rückblende

Gerade letztere Regelung belegt, welch heißes Eisen der Vorruhestand in der dänischen Politik ist und war. Im Wahlkampf 1998 garantierte der damalige sozialdemokratische Regierungschef Poul Nyrup Rasmussen, dass der „Efterløn“ bewahrt wird – und gewann die Wahl. In der darauffolgenden Legislaturperiode sah er sich gezwungen, die Regelung trotz seines Versprechens zu reformieren. 2001 verlor Nyrup die Wahl.

Das mag einem alles als uralte Geschichten erscheinen, aber ich kann dir versichern, dass die Lehren daraus bei den Parteistrateginnen und -strategen sehr präsent sind. Das war wohl auch der Grund, weshalb Venstre während des Wahlkampfes im vergangenen Jahr, den Widerstand gegen die Arne-Rente aufgab. Der liberalen Partei war klar, dass sie mit dem Thema keinen Blumenstrauß und schon gar keine Wahl gewinnen konnte.

Arne-Rente, Seniorenrente und Arne-Plus

Arne Rente

  • Kann nach mindestens 42 Jahren auf dem Arbeitsmarkt beantragt werden, wenn man vor 1965 geboren ist. Personen, die zwischen 1965 und 1968 geboren sind, können sie nach 43 Jahren beantragen. Zwischen 1969 und 1970 nach 44 Jahren.
  • Mindestalter ist 61 Jahre.
  • Man erhält 14.008 Kronen pro Monat.

Seniorenrente

  • Kann man beantragen, wenn die Arbeitsfähigkeit höchstens 15 Stunden pro Woche beträgt.
  • Kann man frühestens sechs Jahre vor dem Rentenalter beantragen.
  • Man erhält 19.738 Kronen pro Monat.

Arne-Plus-Rente

  • Geplantes, gemeinsames Modell, nachdem man entweder nach den Kriterien der Arne-Rente oder der Seniorenrente in den Vorruhestand gehen kann.
  • Kann erst drei Jahre später als die Seniorenrente beantragt werden.
  • Man soll ungefähr 15.000 Kronen pro Monat erhalten.

Quellen: Ritzau, FOA und borger.dk

Arne-Plus oder Arne-Minus

Was blieb, war die Frage des Mangels an Arbeitskräften, zu dem die Arne-Rente beiträgt. Als die Sozialdemokratie, Venstre und die Moderaten sich im November bei den langwierigen Verhandlungen auf Marienborg immer näherkamen, mussten sie auch hier eine Lösung finden.

Das Ei des Columbus wurde, die beiden Regelungen zusammenzufassen, und die Arne-Plus-Rente war aus der Taufe gehoben. Die Empfängerinnen und Empfänger, die nach heutigen Regeln die Arne-Rente bekommen können, sollen 1.000 Kronen mehr bekommen. Dafür sollen die Menschen, die tatsächlich abgearbeitet sind und einen bedeutenden Verlust an Arbeitsfähigkeit nachweisen können, 4.000 Kronen weniger erhalten.

Allmählich ist immer mehr Menschen klar geworden, dass das für viele eher eine Minus- als eine Plus-Regelung ist. Deshalb plädieren die Gewerkschaften wie auch die linken Parteien dafür, dass die Erfindung der Bürgerlichen, die Seniorenrente erhalten, ja ausgebaut werden soll. Und auch an der sozialdemokratischen Basis rumort es.

Vorsichtiger Rückzieher

Daher war dem sozialdemokratischem Finanzminister Nicolai Wammen sichtlich unwohl, als er bei der Vorstellung zum Haushalt, Fragen zur Seniorenrente bekam. Auch die Antworten seiner Chefin Mette Frederiksen im Plenarsaal blieben unklar.

„Ich kann feststellen, dass es im Folketing keine Unterstützung gibt. Daher überlegen wir in der Regierung auch, was der nächste Schritt sein soll“, so die Staatsministerin.

Rückwärts rudern und trotzdem den Kurs halten ist in der Politik keine ganz seltene, wenn auch nicht unbedingt elegante Disziplin. Von der breiten SVM-Regierung, die mit der eigenen Mehrheit auch unpopuläre Reformen durchsetzen kann, war auf einmal nicht mehr die Rede.

Wie gesagt, die Lehre aus der Niederlage 2001 sitzt bei der Sozialdemokratie tief. Und in spätestens dreieinhalb Jahren wird es wieder darum gehen, Blumensträuße auszuteilen und Wahlen zu gewinnen.

Mehr lesen

Leserbrief

Meinung
Kristian Pihl Lorentzen
„Hærvejsmotorvejen som grøn energi- og transportkorridor“