Diese Woche in Kopenhagen

„Schwierige Verhandlungen im Schatten der Chemtrails“

Schwierige Verhandlungen im Schatten der Chemtrails

Schwierige Verhandlungen im Schatten der Chemtrails

Kopenhagen
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Nach ihrer Wahl zur zweiten Vorsitzenden der Neuen Bürgerlichen wurde Henriette Ergemann in Rekordgeschwindigkeit in der breiten Öffentlichkeit bekannt. Sie hat während der Corona-Krise so einige alternative Theorien über die Impfungen verbreitet. Der neue Vorsitzende, Lars Boje Mathiesen (im Hintergrund), will in Davos eine weltweite Schattenregierung ausgemacht haben. Foto: Bo Amstrup/Ritzau Scanpix

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In dieser Woche hat Walter Turnowsky aus Kopenhagen eine Krankmeldung, verschwundene Verteidigungsminister-Milliarden und einen Streit über blau- und braunäugige Kinder im Angebot. Doch zunächst gibt es eine Berichtigung, aus der sich auch die Überschrift erklärt.

Lass mich mit einer Berichtigung – oder zumindest einer Präzisierung – beginnen. Vor einigen Wochen schrieb ich an dieser Stelle, dass der (zu dem Zeitpunkt kommende) Vorsitzende der Neuen Bürgerlichen, Lars Boje Mathiesen, selbst kein Querdenker sei, sondern lediglich diese Klientel anspreche. Das kann man jetzt nicht mehr so eindeutig sagen.

Ich nehme nicht unbedingt an, dass er die Zeilen gelesen hat. Doch waren sie kaum geschrieben, bevor er sie dementierte. Er hat in einem Podcast das World Economic Forum, das sich jährlich im schweizerischen Davos trifft, als „weltumspannende Schattenregierung“ bezeichnet.

Die „Theorie“ von der totalitären Weltregierung, die die Neue Weltordnung schaffen will, zählt zu den beliebten unter Konspirationstheoretikerinnen und -theoretikern. Freimaurer, Illuminaten und Zionisten sollen laut Theorie auch in die Sache verstrickt sein. Ganz so weit geht Boje nicht.

Blutungen durch Umgang mit Geimpften

Während er sich noch einigermaßen vorsichtig ausdrückt, gilt das nicht für die neue Vizevorsitzende der Partei, Henriette Ergemann. In den sozialen Medien hatte sie während der Corona-Krise geschrieben, sie bekäme Blutungen, wenn sie sich in der Nähe von geimpften Personen befinde. Die damalige Unicef-Generalsekretärin Karen Hækkerup hat sie als Mörderin bezeichnet, weil die Unicef Spritzen für Covid-Impfungen gekauft habe. Der damalige Gesundheitsminister Magnus Heunicke und alle übrigen Politikerinnen und Politiker würden sich mit Salzwasser statt Impfstoff spritzen lassen.

Nachdem ihre Äußerungen von „BT“ und „Ekstra Bladet“ einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert worden waren, hat Ergemann sich am Donnerstag auf Facebook entschuldigt. So hundertprozentig distanziert von den interessanten Theorien hat sie sich nicht. Sie sei jedoch nicht der Auffassung, wir würden mit dem Impfstoff 5G-Chips gespritzt bekommen. Na, da sind wir ja beruhigt!

Ellemann hat Stress

Für die anstehenden Verhandlungen über die Verteidigungspolitik erwarte ich mir von den Neuen Bürgerlichen mindestens die Forderungen, gegen die Chemtrails vorzugehen und die Bevölkerung mit kostenloser Alufolie zu versorgen.

Apropos Verteidigungsverhandlungen: Die müssen wohl ohne Verteidigungsminister Jakob Ellemann-Jensen (Venstre) stattfinden. Der ist nämlich aufgrund von Stress bis auf Weiteres krankgeschrieben. Damit ist nicht zu scherzen. Man mag den Politikerinnen und Politikern zu Recht so einiges vorwerfen. Dass sie faul seien, nicht. Aber man kann sich natürlich schon Gedanken machen, warum die Abgeordneten sich zeitlich unbegrenzt mit vollem Lohn krankschreiben lassen können. Denn alle anderen Bediensteten müssen bei einer Krankschreibung von mehr als acht Wochen beim Jobcenter vorstellig werden.

Und wo sind die 4,4 Milliarden Kronen?

Das Verteidigungsressort – und damit auch die Verhandlungen – hat vorläufig Wirtschaftsminister Troels Lund Poulsen übernommen. Er teilte in dieser Woche nach Sondierungen mit, er werde mit sämtlichen Parteien bis auf die Einheitsliste und die Alternativen verhandeln. Allerdings wird das nicht so ganz gleich passieren.

Die Staatsrevisorinnen und -revisoren haben nämlich im Januar das Verteidigungsministerium ungewöhnlich scharf kritisiert. Es fehle der Überblick, wie 4,4 Milliarden Kronen zum Aufbau der 1. Brigade verwendet worden seien. Mit anderen Worten: Das Ministerium hat keine Ahnung, wo das Geld geblieben ist. Da will Lund Poulsen erst einmal durchblicken, bevor er verhandelt.

Das erscheint mir keine ganz dumme Idee zu sein. Immerhin ist das Ziel der Parteien, bereits bis 2030 jährlich 18 Milliarden Kronen extra in die Streitkräfte zu stecken. Da wäre es doch ganz nett zu wissen, ob mit dem Geld die gewünschten Ziele auch erreicht werden. Bei der besagten Brigade ist das bislang nicht der Fall und es ist weiterhin unklar, wann sie aufgesteckt wird. Um Ostern will der amtierende Verteidigungsminister sich einen Überblick verschafft haben. Man kann es ihm und uns nur wünschen.

Welchen armen Kindern soll geholfen werden?

Bereits in der kommenden Woche werden die Parteien auf Christiansborg verhandeln, jedoch über ein gänzlich anderes Thema. Es geht nämlich um die Inflationshilfen, ganz konkret um die Hilfen für benachteiligte Familien mit Kindern.

In der vergangenen Woche hat sich die Regierung mit einem Reigen von Parteien auf neue Inflationshilfen in der Höhe von 2,4 Milliarden Kronen geeinigt. 300 Millionen davon sollen an benachteiligte Familien gehen. Doch erst jetzt werden die Parteien darüber verhandeln, wie diese Mittel verteilt werden sollen, und hier gehen die Meinungen, gelinde gesagt, auseinander.

Der Vorsitzende der rechten Dänischen Volkspartei, Morten Messerschmidt, hat die Ansage gemacht, das Geld dürfe nicht „in den Ghettos Gewinn bringen“. Von links hält die Finanzsprecherin der Sozialistischen Volkspartei, Liesbeth Bech-Nielsen, dagegen, man könne doch nicht Kinder mit braunen Augen anders behandeln als Kinder mit blauen. Auch die Radikalen sind der Auffassung, das Geld soll an die ärmsten Familien gehen.

Sozialdemokratie und Venstre zaudern

Was die Regierung anbelangt, ist unklar, was sie meint. Einzig der Finanzsprecher der Moderaten, Henrik Frandsen, sagt laut „DR Nyheder“ ebenso wie die Radikalen, das Geld solle an die Kinder gehen, die den größten Bedarf haben – und hier seien Familien mit Migrationshintergrund nun einmal stärker vertreten.

Der Sprecher der Sozialdemokratie, Christian Rahberg Madsen, will sich gegenüber dem Sender nicht festlegen, ob er dafür oder dagegen ist. Venstre-Sprecher Morten Dahlin ist grundsätzlich dagegen, dass die Mehrzahl der Empfänger Familien mit nicht westlichem Hintergrund sind. Er will jedoch nicht ausschließen, dass seine Partei eine Regelung unterstützt, solange sie nicht permanent ist.

Die Neuen Bürgerlichen dürften wohl die Messerschmidt-Linie unterstützen, aber anscheinend hatten sie vor lauter Weltregierung und Impfschreck noch keine Zeit, die Frage zu kommentieren.

Fest steht, dass wir harte Verhandlungen erwarten dürfen. Schön werden sie wohl eher nicht werden.

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