Dieser Tag auf Bornholm

Am großen Buffet der demokratischen Debatten

Am großen Buffet der demokratischen Debatten

Am großen Buffet der demokratischen Debatten

Allinge
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Diskussionen aller Orts: In Zelten, auf Bühnen und Schiffen Foto: Walter Turnowsky

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Beim Folkemøde gibt es Debatten und Veranstaltungen für fast jeden Geschmack. Walter Turnowsky hat sich durch eine ganze Reihe von ihnen durchgekostet, auch auf das Risiko hin, dass er der Völlerei beschuldigt wird.

Zunächst ein kleines Geständnis: Wenn hier oberhalb „Dieser Tag“ steht, so stimmt es nicht ganz. Es sind die Debatten der ersten beiden Tage, die Grundlage dieser Kolumne sind. Ganz so viel habe ich dann an einem Tag doch nicht geschafft.

Mein persönliches Folkemøde-Programm erzählte mir, dass der erste Punkt nach der Eröffnungsfeier eine Debatte über Kryptowährungen und eine E-Krone ist. Ich habe sie vornehmlich deshalb ausgewählt, weil ich von dem Thema nicht die geringste Ahnung habe. Ich habe noch nie ein Bitcoin oder ein Stablecoin in meinem Portemonnaie gehabt.

Bitcoins und Eichhörnchen

Wobei Debatte hier eigentlich ein irreführender Begriff ist, denn Diskussionsteilnehmer (es sind drei Herren) sind sich darüber einig, dass die Nationalbank schleunigst eine E-Krone einführen sollte. Hier hinke das sonst so digitale Dänemark anderen Ländern wie der Schweiz hinterher.

Ob ich die Argumente dafür, warum wir künftig elektrische Kronen auf unserem Handy mit uns herumtragen sollten, begriffen habe, das kannst du an einem der kommenden Tage selbst überprüfen. Einem Eichhörnchen gleich sammle ich nämlich für magere Zeiten. Doch im Gegensatz zu dem wendigen Nagetier liegen diese für einen Journalisten eher in den warmen Monaten.

Sehr unterschiedliche Debatten

Vor dem nächsten Programmpunkt, dem Grenzlimbo der Europabewegung, habe ich zu meiner großen Überraschung ein Loch im Zeitplan. Also schlendere ich über das Gelände, schnuppere Stimmung ein und schau mir einen kleinen Teil der 200 Bühnen und Zelte an.

Limbo unter dem Schlagbaum durch Foto: Walter Turnowsky

Ich bleibe dann bei einer Diskussion über und mit Kindern von psychisch erkrankten Eltern hängen. Wie bereits beschrieben, erlebe ich dort Gesundheitsminister Magnus Heunicke (Soz.) von seiner lauschenden und nachdenklichen Seite.

Nach dem Limbo unter dem Schlagbaum durch (Ich habe mich mit der Rolle des Beobachters begnügt), geht es weiter zu Debatten über Deutschland in dänischen Medien, die Werte der EU aus Jugendsicht und sexuelle Übergriffe in Grönland (letzteres aus rein privatem Interesse).

Verdauungspause

Nach diesem Bombardement der Eindrücke, Argumente und Informationen brauche ich erstmal eine Pause, bevor ich auch nur eine Zeile schreiben kann. Zum Glück habe ich einen Kollegen getroffen – hier nicht unbedingt ein Kunststück – und wir genehmigen uns ein Bier. Ein zweiter, mir bis dahin nicht bekannter Kollege, gesellt sich dazu, und so wird die Unterhaltung etwas länger.

Danach klappt es auch mit dem Schreiben, doch während ich dann wieder in Richtung Sommerhaus rolle, verschwindet die Sonne bereits in der Ostsee – da ich die Ostküste entlangfahre, kann ich das genaugenommen jedoch nicht sehen.

Sir Humphrey und ein aktuelles Ereignis

Freitag geht es dann um 9.30 Uhr los, und zwar mit einer Veranstaltung, bei der drei Staatssekretäre aus ihrem Alltag an der Spitze der Zentralverwaltung plaudern. Morgentreffen mit Sir Humphrey haben sie die Veranstaltung selbstironisch betitelt.

Die dänische Minderheit in Südschleswig und Grænseforeningen sind mit einem eigenen Zelt und eigenen Debatten vertreten. Foto: Walter Turnowsky

Kleine Schreibpause und dann zu einer Veranstaltung, die am Donnerstag plötzlich eine unerwartete Brisanz bekommen hatte: die Zukunft der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Nach dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und Rumänien. Und so ging es nun vornehmlich darum, dass die Ukraine EU-Beitrittskandidat werden soll.

Bei der nachfolgenden Veranstaltung ist der deutsche Botschafter Hector Pascal ebenso dabei wie bei der vorherigen, und so glückt es, ein Blitzinterview zur Ukraine zu bekommen,

Der Artikel will dann doch schnell geschrieben werden, und daher wird das innere Eichhörnchen für ein Stündchen zum Abbummeln geschickt und ein geplanter Programmpunkt fahren gelassen.  

Debatte mit Pfeffer

Die letzte Debatte des Tages (die ich während der Begrüßung durch Moderator Martin Krasnik, Chefredakteur von „Weekendavisen“ erreiche, zeigt sowohl die Stärke als auch die Begrenzung des Folkemødes. Es geht um den Zustand des demokratischen Diskurses, und dabei sind die Medienvertreter Marchen Neel Gjertsen („Jyllands-Posten“), Tom Jensen („Berlingske“) und Anna Libak („Weekendavisen“), Googles politische Chefin in Dänemark, Christine Sørensen und Kulturministerin Ane Halsboe-Jørgensen (Soz.).

Ane Halsboe-Jørgensen und Tom Jensen waren choreografisch klug auf den beiden Flügeln platziert worden. Zwischen ihnen stehen Marchen Neel Gjertsen, Martin Krasnik und Christine Sørensen. Anna Libak kam ein wenig später. Foto: Walter Turnowsky

Vor allem zwischen Tom Jensen und Ane Halsboe-Jørgensen wird der Ton der Debatte zum Teil recht scharf, was eigentlich erfrischend ist, da er respektvoll bleibt und die Kontrahenten zumindest versuchen, einander zuzuhören. Doch letztlich gelingt es dann doch nicht ganz, tatsächlich aufeinander einzugehen.

Man will dann doch allzu gerne Recht behalten, und so viel die eine wie der andere in alten Gewohnheiten zurück. Daran konnten weder Sonnenschein, die blaue Ostsee noch die Folkemøde-Stimmung etwas ändern.

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