Leitartikel

„Mit Weitsicht die Bahn elektrifizieren“

Mit Weitsicht die Bahn elektrifizieren

Mit Weitsicht die Bahn elektrifizieren

Apenrade/Aabenraa
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Nordschleswiger-Redakteur Volker Heesch beschäftigt sich mit der positiv zu bewertenden Aussicht, in Dänmark durch Einsatz von Batterie-Zügen auch auf Nebenstrecken umweltfreundliche Technik einführen zu können. Doch dürfen nicht plötzlich neue moderne Züge geliefert werden, während die Strecken nur mit Bummelzutempo befahrbar sind.

Vor einigen Tagen hat das staatliche dänische Bahn-Infrastrukturunternehmen Banedanmark einen Bericht zur Umstellung dänischer Eisenbahnstrecken auf elektrische Fahrzeuge mit Batterien zur Energieversorgung vorgelegt. Transportminister Benny Engelbrecht (Sozialdemokraten) hatte das Gutachten in Auftrag gegeben, unter anderem, nachdem während der deutsch-dänischen Verkehrskonferenz die Pläne Schleswig-Holsteins vorgestellt wurden, die derzeit eingesetzten Dieseltriebwagen auf Neben- ,aber auch auf Hauptstrecken, durch elektrische Züge mit Akkumulatoren zu ersetzen.

Laut Banedanmark-Bericht könnten auf 770 Kilometern Bahn-Nebenstrecken in Dänemark anstelle von Zügen mit Verbrennungsmotoren neue elektrische Triebwagen eingesetzt werden, die mit Batterien ausgerüstet auf den Strecken wie Bramming-Tondern oder Vejle-Thisted ohne Ausstoß von klima- und gesundheitsschädlichen Abgasen fahren. Minister Engelbrecht sprach bereits von einer unglaublich interessanten Analyse der seinem Ministerium unterstellten Gesellschaft Banedanmark. Auf Begeisterung stößt vor allem die Angabe, dass es „nur“ 750 Millionen Kronen kosten würde, die Strecken mit Ladetechnik für die Versorgung der Akkumulatoren auszustatten. Eine sonst für eine elektrische Traktion erforderliche Ausrüstung der Nebenbahnen mit Oberleitungen würde mindestens 12 Milliarden Kronen verschlingen.

Gegenüber der Zeitung „Jyllands-Posten“, die bereits von einer elektrischen Revolution auf den dänischen Bahnstrecken sprach, mit Aussicht auf eine komplette Elektrifizierung der dänischen Bahn innerhalb von zehn Jahren, äußerte sich Engelbrecht begeistert von den neuen Perspektiven. Er weist auch darauf hin, dass ohnehin in den kommenden Jahren viele Dieseltriebwagen in Dänemark so alt sein werden, dass neue Fahrzeuge angeschafft werden müssten.

Der ausführliche Bericht von Banedanmark enthält viele interessante Informationen. Sogar ein Foto eines ersten Elektrotriebwagens mit Akkumulator aus Deutschland, in Betrieb genommen 1907. Und es wird erläutert, dass Batterietriebwagen bis 1995 in Deutschland im Einsatz waren – übrigens auch in Schleswig-Holstein, wo Eisenbahnfreunde noch heute von der Baureihe ETA 150 schwärmen, die sogar als Eilzug nur mit einem leichten Summen der Elektromotoren über die Rendsburger Kanalhochbrücke von Husum nach Kiel fuhr.

Die Autorinnen und Autoren des Gutachtens haben aber offenbar aktuelle Berichte aus Deutschland nicht gelesen, die Informationen enthalten, dass in Schleswig-Holstein die Weichen für eine weitgehende Umstellung vieler Strecken auf Batteriezüge schon gestellt worden sind. Nicht nur die Züge sind bei der Industrie bestellt worden, sondern auch schon Unternehmen mit dem Betrieb der Strecken beauftragt. Bei den Planungen im Nachbarland hätte man auch Details aufgreifen können, dass die neuen Batteriezüge mit bis zu Tempo 140 unterwegs sein werden und ihre Batterien während der Fahrt auf Streckenabschnitten mit elektrischer Oberleitung aufnehmen und auf Bahnhöfen mit Ladetechnik.

Die Nutzung eines Abschnitts mit Oberleitung zum Aufladen der Batterien wird im dänischen Gutachten auch für die Verbindung Esbjerg-Bramming-Tondern als technische Variante präsentiert. Daran schließt sich aber die irritierende Passage an, dass die Strecke mit der angepeilten Batteriereichweite zu bedienen sei, wenn Ladetechnik in Tondern installiert wird, „und der Zug nicht weiter nach Süden fährt“. Es folgt dann allerdings der Hinweis, dass man nach Niebüll fahren könnte, wenn dort für Ladetechnik gesorgt wird, was allerdings eine deutsche Angelegenheit sei. Die Ausführungen lassen nichts Gutes erahnen, wie tief das Team von Banedanmark in das Verkehrswesen vorgedrungen ist. Denn in Niebüll läuft eine Elektrifizierung des Bahnhofs und der Strecke der NEG Niebüll nach Dagebüll, damit dort künftig auch neue Intercityzüge der Deutschen Bahn rollen können. Allerdings mit einer anderen Bahnstromspannung bzw. Wechselstromfrequenz als in Dänemark. Wenn solche Fragen nicht geklärt werden, könnte der vorbildliche grenzüberschreitende Verkehr Niebüll-Tondern auf dem Abstellgleis landen.

Überlegenswert wäre, neue Batteriezüge für beide Systeme zu beschaffen. Am besten mit der Perspektive wieder Züge von Niebüll nach Flensburg rollen zu lassen, um die deutsch-dänische Grenzregion auf klimafreundlichen Verkehr einzurichten. Doch auch andere Fragen werden im Banedanmark-Gutachten nicht geklärt. Die künftig elektrisch befahrenen Strecken müssen technisch für höhere Geschwindigkeit ausgebaut und mit moderner Signaltechnik ausgestattet werden. Denn nur so werden im Rahmen des dringlichen Klimaschutzes mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, die derzeit Reisenden mit Ziel Tondern in Bramming fast eine Stunde Umsteigepause zumuten, weil die Züge seit Jahrzehnten wie Bummelzüge unterwegs sind, weil es die dänische Verkehrspolitik es nicht schafft, mit teilweise kleinen technischen Modernisierungen die Reisenden mit deutlichen Reisezeitverkürzungen für Bahnreisen zu gewinnen.

Es kann mehr Tempo auf der Strecke Niebüll-Tondern-Bramming realisiert werden, die Batteriezüge laden dazu ja ein, und Pläne gibt es seit Jahren. Und es darf jetzt auch keine neuen Debatten geben, dass das seit Jahrzehnten verschleppte Elektrifizierungsprogramm des dänischen Hauptstreckennetzes in Frage gestellt wird, weil man ja lieber billige Batteriezüge einsetzen könnte.

Wichtig ist, dass die Fernverkehrsstrecken mit Oberleitungen versehen werden, damit schnelle internationale Züge neben Kopenhagen auch ganz Jütland erreichen können, als Alternative zum Klimakiller Flugverkehr, der in Dänemark seit Jahrzehnten subventioniert wird. Nicht vergessen werden darf elektrischer Zugverkehr im Gütertransport, weshalb Oberleitungen auch in nordjütische Hafenstädte verlegt werden müssen, um den klimabelastenden Straßengüterverkehr verringern zu können. 

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