EU-Parlament

„Wie können Sie nachts schlafen?“: Heftige Kritik an Dänemarks Asyl-Plänen in Brüssel

Heftige Kritik an Dänemarks Asyl-Plänen in Brüssel

Heftige Kritik an Dänemarks Asyl-Plänen in Brüssel

Brüssel/Apenrade
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Mattias Tesfaye
Mattias Tesfaye war am Donnerstag erstmals zu Gast im Europaparlament. Foto: Johanna Geron/Reuters/Ritzau Scanpix

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Geht Kopenhagens Politik auf Kosten anderer EU-Länder? Abschiebung von Flüchtlingen aus Syrien und Asylcenter-Deals mit Drittländern: Minister Tesfaye wurde zur Befragung im EU-Parlament vorgeladen. Beifall kam für ihn nur von Rechtsaußen.

Im EU-Parlament ist Dänemarks Regierung am Donnerstag scharf für ihre Asylpolitik kritisiert worden.

Wenn Kopenhagen Menschen aus Syrien den Flüchtlingsstatus aberkenne, führe das nur dazu, dass diese Menschen anderswo in der EU Schutz suchen, so der Vorwurf mehrerer Abgeordneter im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres an Mattias Tesfaye.

Der sozialdemokratische Minister für Ausländer und Integration in Dänemark war von dem Ausschuss zur Fragestunde zitiert worden, nachdem Dänemark in der Asylpolitik mit Alleingängen aufgefallen war.

Mattias Tesfaye
Mattias Tesfaye am Donnerstag in Brüssel Foto: Johanna Geron/Reuters/Ritzau Scanpix

Tesfaye: Wollen die Kontrolle übernehmen

Tesfaye verteidigte sowohl die Abschiebung einiger syrischer Flüchtlinge als auch die dänischen Gespräche mit Drittstaaten außerhalb der EU über Aufnahmezentren, die stellvertretend für Dänemark Asylbewerberinnen und -bewerber aufnehmen sollen.

„Wir wollen sicherstellen, dass Europa die Kontrolle darüber hat, wer in die EU kommt, und nicht Menschenschmuggler“, so Tesfaye.

Die dänischen Behörden seien zudem unabhängig von politischem Einfluss zu dem Schluss gekommen, dass die Rückkehr in die Region Damaskus sicher sei. Es bestehe kein persönlicher Schutzbedarf mehr für Personen, die wegen der Gefahrenlage in Damaskus geflohen seien und deshalb Schutz in Dänemark erhalten haben.

Personen, die wegen persönlicher Gefährdung Schutz erhalten haben, würden nicht nach Syrien zurückgeschickt, so der Minister.

Sozialdemokrat: Dänemark schiebt Syrerinnen und Syrer in andere EU-Länder

„Warum wurde dann Dänemarks diplomatische Vertretung in Damaskus noch nicht wieder eröffnet? Es gibt auch kein Rückführungs-Abkommen mit Syrien. So werden die Menschen in andere EU-Länder getrieben. Sie ermutigen damit die Auswanderung von Dänemark in andere EU-Länder“, so der Vorwurf des maltesischen Abgeordneten Cyrus Engerer von den europäischen Sozialdemokraten (S&D).

Minister: Sozialdemokratisch ist, was Dänemarks Sozialdemokraten sagen

Auch andere Politikerinnen und Politiker warfen Dänemark – auch in Bezug auf die geplanten Auffanglager im Nicht-EU-Ausland – eine „unsozialdemokratische“ Politik vor.

Für Tesfaye ein unberechtigter Vorwurf. „Es ist eine sozialdemokratische Idee, weil sie von den Sozialdemokraten in Dänemark vorgelegt wurde“, so seine Logik.

„Für uns ist es wichtig, einander zuzuhören und nicht Gräben zu graben. Das löst die Probleme nicht“, so Tesfayes Reaktion auf Kritik auch von der Abgeordneten der Linksfraktion, Malin Björk.

Bitte, Dänemark, wählt Menschenrechte, nordische Zusammenarbeit und nicht Visegrád!

Malin Björk

„Es fällt schwer, hier mit Dänemark an einem Strang zu ziehen“, hatte Björk gesagt.

„Die Basis gegenseitigen Vertrauens wird gebrochen. Dänemark müsste folgerichtig aus dem Dublin-Verfahren ausgeschlossen werden“, so die Schwedin, die der dänischen Regierung vorhält, das gemeinsame europäische Asylsystem (GEAS) zu untergraben.

„Bitte, Dänemark, wählt Menschenrechte, nordische Zusammenarbeit und nicht Visegrád“, so ihr Appell an Tesfaye und Co., sich nicht länger in Sachen Asylpolitik mit Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn (Visegrád-Gruppe) zu verbünden.

Peter Kofod (Archivfoto) Foto: Claus Fisker/Ritzau Scanpix

 

Beifall von ganz rechts

Der rechtsnationale italienische Abgeordnete Nicola Procaccini (Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer) beglückwünschte Tesfaye unterdessen für die Idee, das europäische Asylsystem in Drittstaaten außerhalb der EU zu verlagern. „Wir werden das mittragen als wirksames Mittel gegen den Multikulturalismus“, sagte er.

Der aus Hadersleben (Haderslev) stammende Abgeordnete der Fraktion Identität und Demokratie im Europaparlament, Peter Kofod (DF), sagte, dass sich viele im Ausschuss inspirieren lassen könnten von der dänischen Politik, auf die er stolz sei.

Tesfaye nahm das Lob an, distanzierte sich jedoch zugleich von den Rechtsparteien, indem er unterstrich, dass es der Regierung „enorm wichtig“ sei, „den internationalen Standards und Werten zu genügen. Ihre Partei hat da andere Ansichten“.

Sophie in ’t Veld
Sophie in ’t Veld (Archivfoto) Foto: Wiktor Dabkowski/AP/Ritzau Scanpix

Liberale: Dänemark verstößt gegen europäische Werte

Dass Dänemark diese Werte respektiere, stritt die liberale Abgeordnete Sophie in ’t Veld aus den Niederlanden unterdessen ab. Die Politikerin der Fraktion Renew Europe, der auch Venstre, Radikale Venstre und FDP angehören, fragte Tesfaye „wie können Sie nachts schlafen?“ und warf ihm vor, nicht oder nur ausweichend auf die ihm gestellten Fragen zu antworten.

„Sie sprechen von einem faireren und menschlicheren System. Da wäre es ja mal interessant zu hören, was die Betroffenen dazu sagen“, so in 't Veld.

Zu Tesfayes Aussage, Dänemark wolle mit seiner Strategie, möglichst wenigen Menschen in Dänemark Asyl zu gewähren, den „Zusammenhalt der Gesellschaft“ sicherstellen, sagte sie: „Welche Bedrohung gibt es denn für die dänische Gesellschaft, eine der wohlhabendsten der Welt? Und wie sollen sich die Menschen in Dänemark integrieren, wenn das Damoklesschwert der Abschiebung ständig über ihnen schwebt? Diese Politik entspricht nicht den europäischen Werten!“

„Gemischte Gefühle“ aus Deutschland

Die für die CDU gewählte Abgeordnete der Fraktion der Europäischen Volkspartei, Lena Düpont, sprach von „gemischten Gefühlen“ in Bezug auf Dänemarks Asylpolitik. „Als EVP arbeiten wir an einer europäischen Lösung“, so Düpont.

Dies sei auch das Ziel der dänischen Regierung, so Tesfaye. Deshalb hoffe er, andere Länder von dem dänischen Modell mit ausgelagerten Asylzentren überzeugen zu können.

 

Rasmus Andresen, hier bei einem Besuch am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade Foto: Karin Riggelsen

Flensburger EU-Abgeordneter: „Dänemark beschämend“

Der schleswig-holsteinische Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne/EFA) kommentiert die Aussagen Tesfayes in Brüssel in einer Pressemitteilung vernichtend: „Dänemarks Asylpolitik bleibt beschämend. Minister Tesfaye bleibt eine Antwort darüber schuldig, wie die dänische Regierung sicherstellen will, dass in den Kooperationszentren in Drittländern europäische Menschenrechtsstandards gewährleistet werden.“

Andresen meint, Dänemark sei „mit seiner Asylpolitik weitestgehend isoliert. Im Europäischen Parlament gab es zu Recht viel Kritik an Tesfaye und Staatsministerin Frederiksen.“

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