Grundgesetz-Verletzung

Tibet-Kommission erklärt: Der Fisch stinkt vom Kopf her

Tibet-Kommission erklärt: Der Fisch stinkt vom Kopf her

Tibet-Kommission erklärt: Der Fisch stinkt vom Kopf her

Kopenhagen
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Spitzenbeamten des Außenministeriums wollten Staatsgästen aus China vor dem Anblick der Tibet-Flagge verschonen (Archivfoto). Foto: Maria Albrechtsen Mortensen/Ritzau Scanpix

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Dem dänischen Außenministerium war es wichtiger, dass chinesische Staatsgäste das Gesicht wahren konnten, als Grundgesetz und Menschenrechte zu achten. Und es hat massiven Druck auf die Polizei ausgeübt. So lautet die Schlussfolgerung der zweiten Tibet-Kommission. Walter Turnowsky erläutert, worum es geht.

Chinesischen Gästen sollte bei Staatsbesuchen in Dänemark der Anblick von Tibet-Flaggen und Anhängern der Falun Gong-Reiligion erspart werden – Grundgesetz hin und Menschenrechte her, so die eindeutige Schlussfolgerung der Tibet-Kommission II.

Das dänische Außenministerium hat erheblichen Druck auf die Polizei und den polizeilichen Nachrichtendienst PET ausgeübt, um das gute Verhältnis und die Handelsbeziehungen zu China nicht zu gefährden. Der Druck zeigte Erfolg: „Nimmt ihnen die Fahne weg“, lautet der Befehl an die Polizei als der chinesische Präsident Hu Jintao 2012 im Autokorso durch Kopenhagen chauffiert wurde.

Leitung des Außenministeriums machte Druck

Letzteres ist bereits seit 2015 bekannt. Neu ist, dass die Tibet-Kommission nun zu dem Ergebnis gekommen ist, dass alles von Außenministerium ausgegangen ist, und zwar von alleroberster Stelle, nämlich von erst einem und dann einem weiteren Verwaltungschef (Departementschef).   

Neu ist auch, dass auch der PET Druck auf die Kollegen von der Kopenhagener Polizei ausgeübt hat.

Dokumente wurden verborgen

Im Bericht der ersten Tibet-Kommission wurde 2017 noch zwei Polizeibeamten der mittleren Leitungsebene die volle Verantwortung für die Missachtung des Grundgesetzes während des erwähnten Staatsbesuches und einem weiteren ein Jahr später zugeschoben. 

Es erschien schon damals unwahrscheinlich, dass das die ganze Wahrheit sein sollte, doch die Kommission konnte nur auf Grundlage der Akten und Aussagen schlussfolgern, die ihr vorlagen. Und wie „DR“ kurze Zeit später aufdeckte, hatten das Außen- und das Staatsministerium ihr Dokumente vorenthalten.

Kommission ändert Schlussfolgerungen

Diese waren entscheidend dafür, dass die zweite Kommission nun zu einem anderen Ergebnis bezüglich der Verantwortung des Außenministeriums und des Nachrichtendienstes gelangt, „Sie bieten die Grundlage für eine wesentlich andere Schlussfolgerung“, wie es im Kommissionsbericht heißt.

Neu im Vergleich zum ersten Bericht ist auch, dass die grundgesetzwidrige Praxis nicht nur die zwei Besuche betrifft, sondern etliche Staatsbesuche seit 2002.

Kritisable Kultur im Außenministerium

„Der Umgang des Außenministeriums mit den chinesischen Besuchen in Dänemark war generell von einer Verwaltungskultur geprägt, in der die Notwendigkeit, chinesische Besucher nicht zu beleidigen, um die dänischen Handelsinteressen zu wahren, Vorrang vor der Verfassung und dem Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch die Europäische Menschenrechtskonvention hatte“, heißt es in dem neuen Bericht.

Dabei wird dem damaligen Verwaltungschef Claus Grube vorgeworfen, er habe im Vorfeld des Besuches von Hu Jintao in einer Mail die Beamten des Außenministeriums dazu angehalten, Druck auf die Polizei und PET auszuüben. Der ehemalige Verwaltungschef  und Direktor des Außenministeriums, Friis Arne Petersen, habe über einen längeren Zeitraum eine entscheidende Rolle gespielt.

Keine Sicherheitsbedenken

Den Druck hat das Außenministerium in erster Linie auf den Nachrichtendienst PET ausgeübt, denn er trägt die Verantwortung für die Sicherheit bei Staatsbesuchen. Nur gab es bei den Besuchen keine Sicherheitsbedenken, sondern ausschließlich Besorgnis um die „Würde“ der Gäste.

Der PET hat den Druck dann an die Kopenhagener Polizei weitergeleitet, und zwar nicht an die Leitung, sondern an die Beamtinnen und Beamten, die mit der konkreten Planung befasst waren.

Illegale Befehle

Die Kommission sieht weiterhin die beiden Beamten in der Verantwortung, die bereits 2017 wegen der gesetzeswidrigen Befehle kritisiert worden, doch müsse dies „im Licht der jahrelangen Weitergabe der chinesischen Wünsche durch das Außenministerium und PET gesehen werden“.

Man kann also getrost den Bericht der Kommission so auslegen, dass der sprichwörtliche Fisch von Kopf her stinkt.

Die beiden ehemaligen Verwaltungsspitzen rettet der inzwischen erreichte Ruhestand vor einem möglichen Disziplinarverfahren.

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