Pflege

Zu wenig Hilfe für die Alten

Zu wenig Hilfe für die Alten

Zu wenig Hilfe für die Alten

Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Casper Christoffersen/Ritzau Scanpix

73.000 ältere Menschen erhalten von der Kommune nicht die Hilfe im Haushalt (sogenannte Heimhilfe), die sie eigentlich benötigen. Das zeigen Zahlen von „Vive“, dem nationalen Forschungs- und Analysecenter für Wohlfahrt. Das bringt nun Organisationen und Vereine auf die Barrikaden. Auch in Nordschleswig wird die Entwicklung beobachtet.

Innerhalb von 10 Jahren ist der Anteil der Hilfe im Haushalt für körperlich versehrte ältere Bürger von 43 auf 25 Prozent gesunken. Das zeigen neueste Untersuchungszahlen von Vive. Für viele Ältere ein großes Ärgernis, verbunden mit eingeschränktem Lebensstandard.  73.000 ältere Menschen erhalten überhaupt keine Hilfe.  

„Das ist ein großes Problem und bringt Zweifel am Vertrauen in unseren Wohlfahrtsstaat“, meint Bjarne Hastrup, Direktor der Interessenorganisation Ældre Sagen, die sich für die Belange der Älteren im Staat einsetzt. 

Als Grund dafür sieht er die hohen Hürden, die von den Kommunen gesetzt wurden und als Referenz dafür gelten, wann die älteren Bürger Hilfe bekommen. Dabei handelt es sich zum großen Teil um Heimhilfe, das heißt Hilfe bei der Haushaltsführung. 

Zu hohe Hürden

„Die Kommunen haben eine viel zu hohe Hürde gesetzt, ab wann den älteren Menschen Hilfe zugesprochen wird. Nun gibt es 73.000 stark eingeschränkte Ältere, die eigentlich Hilfe bekommen müssten, diese jedoch nicht erhalten. 

„Das ist eine Untergrabung unserer gesamten Altenpolitik“, fügt Hastrup hinzu. 

Auf die Frage, warum die Kommunen die Hürden für die Heimhilfe immer weiter nach oben gesetzt haben, erklärt der Ældre-Sagen-Direktor: „Ich glaube, dass die umfassenden Sparmaßnahmen, die es in den vergangenen zehn Jahren für die Kommunen gab, dafür gesorgt haben, dass diese langsam aber sicher die Kriterien für Hilfe immer strammer geschnürt haben. Nun erhält nur noch ein Viertel von denen Hilfe, die es eigentlich dringend benötigen.“

Lösung: durch Pflegereform ergänzen

Hastrup schlägt gegenüber der Tageszeitung Politiken vor, die Gesundheitsreform der Regierung durch eine Pflegereform zu ergänzen. Nicht die Kommunen sollten entscheiden, wer Heimhilfe bekommt, sondern staatlich eingesetzte Ärzte, die unabhängig von den Kommunen entscheiden können, erklärt er. 

Unterstützung bekommt Hastrup von Astrid Krav, Altensprecherin der Sozialdemokraten. „Das zeigt, dass es viele ältere Bürger gibt, die Heimhilfe benötigen, sie aber nicht bekommen und somit keine gute Zeit als Senioren haben. Das ist eines Wohlfahrtsstaates unwürdig“, meint sie gegenüber der Tageszeitung Politiken. 

Schon Milliarden von der Regierung 

Altenministerin Thyra Frank (Liberale Allianz) es „bekümmernd ist, wenn den Alten im Land nicht die Hilfe zukommt, die sie benötigen“, doch sie schränkt gegenüber Politiken ein: „Die Regierung und die Dänische Volkspartei haben die älteren Menschen hoch prioritiert, unter anderem mit einer jährlichen „Wertigkeitsmilliarde (værdighedsmilliard)“ und einer halben Milliarde im Jahr für bessere Deckung durch Mitarbeiter“, meint sie. 

Jette Skive, Vorsitzende des Sozial- und Gesundheitsausschusses des Zusammenschlusses der dänischen Kommunen (Kommunernes Landsforening), sieht, ebenso wie Direktor Bjarne Hastrup, den Druck auf die kommunalen Etats als Auslöser für die Entwicklung. Der machte es notwendig, die Hilfe denjenigen zukommen zu lassen, die es am allernötigsten haben, erklärt sie.

Mit dem Blick auf immer mehr ältere Menschen, die es in Zukunft im Land geben werde,  schickt sie eine Aufforderung an die Politiker im Folketing: „Es ist notwendig, dass man sich auf Christiansborg dieser Sache annimmt, wie wir in den Kommunen auch in Zukunft diese Herausforderungen Herr werden können.“

Entwicklung auch in Nordschleswig

Hans Grundt, Abteilungsleiter beim Sozialdienst für Nordschleswig, berichtet, dass die beschriebene Entwicklung auch in Nordschleswig erkennbar sei. "Wir erleben auch bei unseren Mitgliedern, dass es immer schwieriger wird, Hilfe zu bekommen. Das gilt besonders für diejenigen älteren Menschen, denen ein Netzwerk fehlt. Ist Familie in der Nähe, kann diese oftmals unterstützten und beim Kampf für Heimhilfe unterstützen. Dann ist es nicht ganz so schwierig, Hilfe zu bekommen", konstatiert er gegenüber dem "Nordschleswiger". 

Grundt macht jedoch darauf aufmerksam, dass es für die Kommunen immer schwieriger werde, gutes Personal zu finden. "Die Pflegearbeit ist körperlich anstrengend und nicht gut bezahlt", nennt er als Gründe dafür, dass zu wenige diese Ausbildung und Arbeit machen wollen.

Bjarne Hastrup will nun an Staatsminister Lars Løkke Rasmussen (Venstre) und Staatsministerkandidatin Mette Frederiksen (Sozialdemokraten) schreiben, sodass das Problem Teil der neuen Regierungsgrundlage wird. Die Folketingswahl steht spätestens im Juni an. 

Der Bericht des nationalen Forschungs- und Analysecenters für Wohlfahrt „Vive“ definiert schwache Ältere als Menschen, die zu Hause leben, sich im Alter von 67 bis 87 Jahren befinden und nicht in der Lage sind, eine oder mehrere Aufgaben zu meistern – wie Nägel schneiden, den Einkauf erledigen, sich alleine anzuziehen oder allein eine Treppe zu nutzen.

Aus dem Bericht geht hervor, dass die Zahl der älteren Bürger, die Heimhilfe erhalten von 2007 bis 2017 von 43 Prozent auf 25 Prozent gefallen ist. Die Wahrscheinlichkeit, Heimhilfe für praktische Aufgaben zu erhalten, ist von 36 auf ebenfalls 25 Prozent gesunken. 

Die Hilfe durch Familie, Freunde, Bekannte oder Nachbarn ist in dem Untersuchungszeitraum nicht gestiegen.

Mehr lesen