Krieg in der Ukraine

Parallelgesellschaften: Kriterien stehen der Unterbringung von Flüchtlingen entgegen

Parallelgesellschaft: Kriterien stehen der Unterbringung von Flüchtlingen entge

Kriterien stehen der Unterbringung von Flüchtlinge entgegen

Ritzau/kj
Kopenhagen
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Martin Damm (Venstre) sagt, dass die Kommunen bei der Suche nach leer stehenden Wohnungen für ukrainische Flüchtlinge vor großen Herausforderungen stehen. Foto: Henning Bagger/Ritzau Scanpix

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Die Kommunen fordern, dass die Kriterien, die dem Einzug von Ukrainerinnen und Ukrainern in leer stehende Sozialwohnungen im Wege stehen, ausgesetzt werden. Die Regierung sieht das allerdings anders.

Überall in den Kommunen laufen die Vorbereitungen für die Aufnahme vieler Tausend Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Dänemark flüchten.

Es ist eine große Aufgabe, leere Wohnungen für die vielen ankommenden Familien zu finden.

Ukrainerinnen und Ukrainer werden in den Rechtsvorschriften für Parallelgemeinschaften zu den Menschen aus Drittweltländern gezählt.

Martin Damm, KL-Vorsitzender

Nach Ansicht von Martin Damm (Venstre), dem Vorsitzenden des Verbandes der dänischen Kommunen, Kommunernes Landsforening (KL), werden die Herausforderungen für die Kommunen noch dadurch verschärft, dass eine große Anzahl von Wohnungen nicht für diesen Zweck genutzt werden kann, obwohl sie leer stehen. Der öffentliche Wohnungsbau fällt unter ein Gesetz über sogenannte Parallelgesellschaften.

Gesetz für Parallelgesellschaften

„Ukrainerinnen und Ukrainer werden in den Rechtsvorschriften für Parallelgemeinschaften zu den Menschen aus Drittweltländern gezählt. Das bedeutet, dass sie unter die Ghetto-Kriterien fallen und deshalb nicht in die Gebiete ziehen dürfen“, sagt Martin Damm, der auch Bürgermeister von Kalundborg ist.

Zwölf Gebiete in Dänemark stehen auf der neuesten Liste der Parallelgesellschaften – früher Ghetto-Liste genannt –, die auf Kriterien wie Herkunft, Bildungsniveau und Beschäftigung der Bewohnerinnen und Bewohner beruht.

Wohngebiete drohen auf Liste gesetzt zu werden

Aber in 82 Wohngebieten, die sich auf 34 Kommunen verteilen, können die Kommunen aufgrund des Gesetzes beispielsweise keine Menschen aus Drittweltländern zuweisen, weil das Wohngebiet dann Gefahr läuft, auf diese Liste gesetzt zu werden.

Es wäre verrückt, wenn eine Kommune Menschen auf Feldbetten in einer Sporthalle unterbringen müsste, wenn es auf der anderen Straßenseite freien Wohnraum gibt.

Martin Damm, KL-Vorsitzender

Nach Angaben der Organisation Danmarks Almene Boliger gibt es derzeit landesweit 1.800 leer stehende Sozialwohnungen.

KL fordert Aussetzen der Regeln

Nach Ansicht des KL-Vorsitzenden sollten die Regeln für die ukrainischen Flüchtlinge ausgesetzt werden. Die Regeln gehören nicht in eine Krisensituation wie die, in der wir uns jetzt befinden, meint er.

„Es gibt keine 20.000 leer stehende Wohnungen, die auf Menschen aus der Ukraine warten. Vor allem in städtischen Gebieten, wo es sehr schwierig sein kann, im Voraus eine Wohnung zu finden, kann es problematisch sein, eine Wohnung für Ukrainerinnen und Ukrainer zu finden“, sagt Martin Damm.

„Es wäre verrückt, wenn eine Kommune Menschen auf Feldbetten in einer Sporthalle unterbringen müsste, wenn es auf der anderen Straßenseite freien Wohnraum gibt“, fügt er hinzu.

Regierung will abwarten

Die Regierung sieht jedoch keine Notwendigkeit, die Regeln hier und jetzt zu ändern, sagt Rasmus Stoklund (Soz.), Sprecher für Einwanderung und Integration.
 

Viele derjenigen, die gekommen sind, suchen ländliche Gebiete auf, wo sie Freunde und Familien haben.

Rasmus Stoklund, Sprecher für Einwanderung und Integration

„Erstens wissen wir nicht, wie viele kommen werden. Zweitens können wir feststellen, dass viele derjenigen, die gekommen sind, ländliche Gebiete aufsuchen, wo sie Freunde und Familien haben“, sagt Stoklund.

Nach Angaben der dänischen Einwanderungsbehörde sind mehr als 10.000 Ukrainerinnen und Ukrainer nach Dänemark gekommen, seit Russland vor fast vier Wochen einen Krieg mit der Ukraine begonnen hat.

Die Regierung geht davon aus, dass es „deutlich“ mehr als die 20.000 Flüchtlinge sein könnten, für die die Kommunen bisher Platz geschaffen und mit denen sie geplant haben.

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