Pflegestreik

Analyse: Der Eingriff war absehbar

Analyse: Der Eingriff war absehbar

Analyse: Der Eingriff war absehbar

Kopenhagen
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Außer Enttäuschungen hat der Streik den Krankenpflegerinnen und -pflegerin nichts gebracht. Foto: Philip Davali/ Ritzau Scanpix

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Am Sonnabend wird der Tarifkonflikt im Krankenpflegebereich per Gesetz beendet. Nach zehn Wochen Streik gibt es eigentlich ausschließlich Verlierer, so die Einschätzung von Walter Turnowsky.

Es war keine Frage mehr, ob die Regierung in den Pflegestreik eingreifen würde, sondern ausschließlich wann. Alle gegenteiligen Lippenbekenntnisse konnten spätestens nach der vergangenen Woche an dieser Tatsache nichts ändern.

Auch der Inhalt des Antrags, der am Freitag von einer Mehrheit des Folketings per Eilverfahren angenommen werden wird, stand von vorneherein fest: Der Schlichtungsspruch wird Gesetz. Das ist bislang jedes Mal so gewesen, und auch die jetzige Regierung wird sich davor hüten, an diesen Spielregeln etwas zu ändern. Zu groß ist das Risiko, dass bei kommenden öffentlichen Tarifverhandlungen eine andere Berufsgruppe darauf setzt, dass die Regierung extra Gelder locker macht – und bewusst kein Verhandlungsergebnis erzielt.

Eingriff wider Willen

Gerne hat die Regierung nicht zu dem Mittel er gesetzlichen Regelung gegriffen. Es läuft der sozialdemokratischen DNA, nicht zuletzt der jetzigen Mannschaft, zuwider, in Verhandlungen und in Konflikte auf dem Arbeitsmarkt einzugreifen.

Deshalb wurde das eine Mal das andere, das „dänische Model“ beschworen. Deshalb dauerte es so lange, bevor der Eingriff kam. Die Regierung musste glaubhaft darstellen können, dass ein Eingriff der einzige und letzte Ausweg sei.

Das ändert nichts daran, dass ihr schon seit geraumer Zeit klar gewesen sein muss, dass es so kommen wird. Die Verhandlungen waren seit Beginn des Streiks im Juni dermaßen festgefahren, dass man schon gar nicht mehr von Verhandlungen sprechen konnte. Und auf ewig kann man eine immer größere Anzahl von Behandlungen schließlich auch nicht verschieben. Zumal die durch die Corona-Krise ausgelösten Verspätungen noch kaum eingeholt sind.

Lohnangleichung ins Ungewisse verschoben

Und damit stehen die Krankenpflegerinnen und -pfleger nun mit dem Ergebnis da, dass sie abgelehnt hatten. Die Streikkasse muss wieder gefüllt werden, eine extra Lohnerhöhung, die man dafür verwenden könnte, haben sie nicht bekommen.

Ihre einzige schwache Hoffnung ist das Lohnstrukturkomitee das Bestandteil des Schlichtungsspruchs ist, den sie abgelehnt hatten. Es soll untersuchen, ob es bei der Einstufung in Lohngruppen beim öffentlichen Dienst eine Schieflage gibt, Berufe mit vielen weiblichen Bediensteten benachteiligt werden. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ungewiss, die politische Reaktion darauf noch ungewisser.  

Gewerkschaftsspitze angeschlagen

Doch auch die Arbeitgeberseite, der Verband der Regionen, kann sich über den Ausgang nicht freuen. Frustrierte, wütende und demotivierte Pflegerinnen und Pfleger werden bei der Arbeit erscheinen. Sollte sich die düstere Vorhersage einer Flucht aus dem Pflegeberuf bewahrheiten, stehen die Krankenhäuser vor einem massiven Problem.

Die Gewerkschaftsspitze von Dansk Sygeplejeråd zählt zu den ganz großen Verlierern. Zweimal hatte sie ein Ja zu einem Vorschlag empfohlen, zweimal hat sie ein Nein der Mitglieder einkassiert. Als der Streik dann am 19. Juni eine Tatsache war, wusste die Gewerkschaftsvorsitzende Grete Christensen nicht mehr weiter, ihr schienen die Vorschläge ausgegangen zu sein.

Aufgeschobene Behandlungen

Die größten Verlierer sind jedoch die Patientinnen und Patienten, also im Prinzip wir alle. 35.500 Operationen sind aufgeschoben worden. Während dieser Buckel abgearbeitet wird, landen neue Patienten auf der Warteliste. Man muss kein Gesundheitsexperte sein, um zu wissen, dass Wartezeiten der Gesundheit nicht zuträglich sind.

Es liegt auf der Hand, dass wir uns über enttäuschtes Pflegepersonal nicht freuen können. Gewiss wird die ganze große Mehrheit weiterhin gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen. Es wäre jedoch sehr überraschend, wenn die Frustration nicht zumindest indirekte Auswirkungen haben wird.   

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