Leitartikel

„Die Menschen in Dänemark wollen eine andere Ausländer-Politik“

Die Menschen in Dänemark wollen eine andere Ausländer-Politik

Die Menschen in Dänemark wollen andere Ausländer-Politik

Apenrade/Aabenraa
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International fällt Dänemark heute besonders durch seine strikte Einwanderungspolitik auf. Doch die meisten Menschen im Lande sind damit überhaupt nicht einverstanden. Besonders Frauen und junge Menschen zwischen Skagen und Pattburg halten wenig von Mette Frederiksens harter Linie. Zeit für ein Ende der Spalterei, meint Cornelius von Tiedemann.

Für gewöhnlich analysieren und kommentieren wir in Leitartikeln durchgängig selbst. Heute lassen wir mal einleitend die Bevölkerung Dänemarks sprechen.

  • Von 1.033 Befragten haben in einer repräsentativen Voxmeter-Umfrage (die sich inzwischen einiger Kritik ausgesetzt sieht*) kürzlich nur 178 Personen gesagt, es sei „okay“, dass Flüchtlingsfamilien bei der Abschiebung aus Dänemark getrennt werden.
  • 323 der Befragten finden es in Ordnung, dass gesetzestreue Flüchtlinge, die abgeschoben werden, in Abschiebezentren müssen, in denen sie weder arbeiten noch sich fortbilden können.
  • 391 von 1.033 geben an, mit der dänischen Asyl- und Flüchtlingspolitik überwiegend einverstanden zu sein.
  • Mit 598 Personen sagt nur eine knappe Mehrheit, dass die Asyl- und Flüchtlingspolitik für sie bei der kommenden Wahl eine mindestens einigermaßen wichtige Rolle spielt. Nur 77 Personen (7,5 Prozent) schreiben dem Thema eine „sehr große Bedeutung“ zu.
  • 200 der 1.033 Befragten finden es richtig, dass Dänemark syrische Flüchtlinge derzeit abschiebt.
  • Bei allen Fragen zeigt sich, dass die Frauen deutlich weniger von der aktuellen Asyl- und Flüchtlingspolitik der Regierung halten als die Männer. Zugleich ist ihnen dieses Politikfeld aber wichtiger.
  • Außerdem sind die jungen Menschen im Alter 18 bis 34 Jahre besonders uneinig mit der Regierungspolitik. Die meiste Zustimmung gibt es in der Altersgruppe 50 bis 64, die Älteren sind wieder skeptischer, was die Regierung da veranstaltet.  

Das in Bezug auf die Regierungspolitik einzig Positive, was wir aus diesen Zahlen ziehen könnten, wenn wir Sarkasten wären, ist, dass die dänische Regierung es sich ganz offensichtlich zum Ziel gesetzt hat, Minderheitenpolitik zu betreiben.

Doch leider wird hier einer Minderheit in der Bevölkerung nach dem Mund geredet, die ethnische und andere Minderheiten nicht ihrerseits respektieren, nicht tolerieren, ja, sich ihrer entledigen will. Ganz so, als seien Vielfalt und Mitmenschlichkeit über Stammesgrenzen hinaus an sich ein Problem.

Diese Minderheitenmeinung stärken Regierung und Opposition, wenn sie sie als den vernünftigen Weg propagieren und die ethisch-moralischen Bedenken der eindeutigen Mehrheit der Menschen in Dänemark als Naivität abtun.

Wer es sich erlaubt, diese Politik als Zugezogener zu kritisieren, wird von ihren Verfechterinnen und Verfechtern gerne als „hysterischer Deutscher“ verunglimpft. Ich spreche aus Erfahrung.

Ein weder sachliches noch überzeugendes Argument – und es lässt dennoch tief blicken. Folgen wir der „Argumentation“ trotz allem, kommen wir aufgrund der repräsentativen Voxmeter-Umfrage zwangsläufig zu dem Schluss, dass die dänische Bevölkerung zu einem Großteil aus irgendwie undänischen Hysterikerinnen und Hysterikern besteht.

Ein ungeheuerlicher Vorwurf, den wir hier auf das Schärfste zurückweisen!

Stattdessen sei festgehalten: Wer auf kulturelle Gleichheit und ethnische Homogenität setzt und sich dabei vorzugsweise der viel beschworenen „Sorgen und Nöte“ der passiv-aggressiven Minderheit annimmt, der stärkt den gewünschten Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht. Denn der vergisst die positiven Argumente und Erfahrungen der Mehrheit der Menschen in diesem eigentlich so offenen Lande.

Wer also (Meinungs-)Minderheiten und Mehrheiten nicht zusammenbringt, sondern harte Fronten aufstellt, der spaltet die Gesellschaft.

Traurig, dass sich in der straff durchideologisierten dänischen Sozialdemokratie niemand traut, diese einfache Wahrheit anzuerkennen – und sie laut auszusprechen.

Intern scheint es mit der Meinungs-Minderheitenpolitik dann doch nicht so weit her zu sein.

*Nach Angaben der Voxmeter-Direktorin gegenüber DR können zwei von fünf Fragen in der Umfrage als wertebehaftet ausgelegt werden und die Meinung der Befragten zu dem Thema färben. Außerdem seien die Hintergrundinformationen für eine Frage nicht dokumentiert.
Fakt bleibt jedoch, dass die Menschen geantwortet haben, wie sie geantwortet haben und dass die übrigen drei Fragen eindeutig zeigen, dass die Meinung der Befragten auch ohne die angebliche Färbung durch einen Begriff wie „gesetzestreu“ (der u. a. kritisiert wird) von der der Regierung abweicht. cvt

Anmerkung: In einer früheren Version hat es versehentlich geheißen, dass 598 weniger als die Hälfte von 1.033 seien. Diesen peinlichen Rechenfehler gesteht der Autor reumütig ein und hat ihn hiermit korrigiert.

 

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