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„Khader – und ein Fall in Grönland“

Khader – und ein Fall in Grönland

Khader – und ein Fall in Grönland

Kopenhagen
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Nachdem Naser Khader aufgrund von Anklagen wegen sexueller Belästigung von den Konservativen ausgeschlossen wurde, verbreitete er nun die Erzählung, man haben ihn fertigmachen wollen. Walter Turnowsky hat vor eineinhalb Jahren in Grönland einen ähnlichen Fall recherchiert und meint, ein Muster erkennen zu können.

Am Montag war es ein Jahr her, dass die Fernsehmoderatorin Sofie Linde ihre mittlerweile berühmte Rede zu einem sexuellen Übergriff gehalten hat. Mit der Rede hat sie bekanntlich die zweite MeToo-Welle in Dänemark ausgelöst.

Deutlich mehr Raum in den Medien nahm jedoch einer der prominentesten MeToo-Fälle ein: der Fall Naser Khader. Vergangenen Donnerstag teilte er mit, dass er aufgegeben habe, sieben Frauen zu verklagen, die ihm sexuelle Belästigung und Übergriffe vorwerfen. Er sagt zu „Weekendavisen“, und hier sollten wir daran festhalten, dass dies seine Version ist, ein Anwalt habe eingeschätzt, dass die Anschuldigungen in fünf der Fälle nicht schwerwiegend genug seien, um den Tatbestand der Verleumdung zu erfüllen. In zwei Fällen sei es ungewiss, ein „technisches Detail“ könne dazu führen, dass er die Prozesse verlieren würde.

Für mich war es keine ganz große Überraschung, dass aus Khaders pompös angekündigter Verleumdungsklage nichts geworden ist. Denn er unterschlägt in seiner Begründung einen sehr offensichtlichen Grund, keinen Prozess zu führen: Er könnte ihn deshalb verlieren, weil das Gericht den Darstellungen der Frauen mehr Glauben schenken würde als den seinen.

Mutmaßungen und Verdächtigungen

Außerhalb des Gerichtssaals kann er nämlich nun mit Anklagen gegen die Frauen, seine ehemalige Partei und die MeToo-Bewegung im Allgemeinen um sich schmeißen, ohne dass seine Aussagen von strengen Richterinnen und Richtern auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden.

Da wäre zum Beispiel die Aussage auf Facebook, es sei schwer zu glauben, die Frauen hätten einander nicht gekannt. Es sei nicht undenkbar, dass sie sich mit ihren Aussagen gegenseitig beeinflusst hätten.

Konkrete Anhaltspunkte für diese Verdächtigungen gibt es keine. Im Gegenteil, die Reporterin Sofie Rye, die den Fall vier Jahre lang recherchiert hat, betont, die fünf Frauen, mit denen sie gesprochen hat, haben einander vorher nicht gekannt. Ihr Beschreibung, wie sie den Fall recherchiert hat, kann man in einer Folge des „DR“-Podcasts „Genstart“ hören.

Eine Verschwörung

Ryes Artikel veranlasst die Konservativen dazu, ein Anwaltsbüro mit einer Untersuchung zu beauftragen. Das Ergebnis ist, dass die Partei beschließt, Khader rauszuschmeißen.

Khader legt am Sonntag auf Facebook noch einmal nach. Er sieht eine Verschwörung in Teilen der Einwanderermilieus, die ihn fertigmachen wollten. Er beschuldigt die Journalistin Rye, sie habe mit diesen Personen zusammengearbeitet.

Wie diese Verschwörung von Frauen unterschiedlichen Alters, Hintergrunds und Wohnorts konkret ausgesehen haben soll, bleibt im Dunkeln. Gegen Khaders Auslegung sprechen die sehr konkreten und detaillierten Beschreibungen von fünf Frauen gegenüber „DR“. Die drei namentlich bekannten Frauen halten daran fest, dass sie sich weder kennen noch sich gegenseitig beeinflusst haben.

Der Fall in Grönland

Die Behauptung einer Verschwörung spielt auch in einem Fall in Grönland eine Rolle,  bei dem am Donnerstag ein Punkt gesetzt wurde. Ein ehemals machtvoller Politiker wurde wegen sexueller Belästigung in zweiter Instanz zu 40 Tagen Unterbringung in einer Anstalt verurteilt (im grönländischen Recht spricht man nicht von Haft).

Zehn Frauen hatten im Februar 2020 Briefe an die Führung der sozialdemokratischen Partei Siumut geschrieben, in denen sie sexuelle Belästigung durch den Parteisekretär Mikael Petersen beschrieben haben. Er trat zurück, verbreitete jedoch die Version, bei der ganzen Sache gehe es ausschließlich um einen internen Machtkampf in der Partei.

Daraufhin überließen die zehn Frauen mir die Briefe. Die Beschreibungen waren detailliert und konkret. Dennoch ist es selbstverständlich schwierig, solche Aussagen zu verifizieren. Die Anzahl der Aussagen und Gespräche mit einigen der Frauen überzeugten mich, dass ich genug Dokumentation für einen Artikel hatte. Selbstverständlich kam auch der Parteisekretär zu Wort.

Das Muster

Die Version des Machtkampfes hielt sich jedoch hartnäckig in den Parteibüros des grönländischen Parlaments, Inatsisartut.  So hartnäckig, dass eine andere Partei kurze Zeit später Petersen anstellte. Er sei ja weder angezeigt noch verurteilt, lautete die Begründung.

Vier der Frauen haben sich nach vielen Überlegungen sich dann doch dazu entschlossen, ihn anzuzeigen. Im Januar wurde er in erster Instanz schuldig gesprochen.

Am letzten Prozesstag des Berufungsverfahrens hat der ehemalige Vorsitzende von Siumut, Kim Kielsen, die Version vom Machtkampf noch einmal nachgebetet. Mit dem Urteil steht nun endgültig fest, der ehemalige Parteisekretär hat sexuelle Übergriffe begangen – inwiefern es auch noch einen Machtkampf gegeben hat, tut nichts zur Sache.

Dies hindert ihn übrigens nicht daran, an der eigenen Unschuld festzuhalten.

Jetzt kann man natürlich – berechtigt – fragen, warum ein Fall im fernen Grönland uns interessieren sollte.

Ich denke, er zeigt, dass sich weltweit dieselben Muster wiederholen. Dass sich Männer mit Macht, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden, sehr schnell als die eigentlichen Opfer darstellen. Sie den Frauen unlautere Motive vorwerfen. Und: Viele Menschen glauben ihnen.

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