Diese Woche in Kopenhagen

„Haftentlassung ist nicht gleich Freispruch – aber ...“

Haftentlassung ist nicht gleich Freispruch – aber ...

Haftentlassung ist nicht gleich Freispruch – aber ...

Kopenhagen
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Die Entlassung von Lars Findsen sieht ein Experte als halbe Niederlage für die Staatsanwaltschaft. Foto: Ida Guldbæk Arentsen/Ritzau Scanpix

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Die Affäre um den militärischen Nachrichtendienst FE hat auch in dieser Woche erneut für Überschriften gesorgt. Walter Turnowsky beantwortet wichtige Fragen zu dem Fall.

Am Donnerstagnachmittag beschloss das Östliche Landesgericht, die Anordnung des Kopenhagener Gerichts vom 4. Februar, FE-Chef Lars Findsens Untersuchungshaft zu verlängern, aufzuheben.

Bedeutet das, dass das Landesgericht die Beschuldigungen gegenüber Findsen aufhebt?

Nein. Es bedeutet ausschließlich, dass es die Haftgründe, die das Stadtgericht zugrunde gelegt hat, nicht als gegeben sieht. Das Landesgericht meint also, es gebe weder eine Verdunkelungs- noch eine Wiederholungsgefahr (dass Findsen sensible Informationen weitergeben könnte).

Das Landesgericht betont in seiner Entscheidung, dass es weiterhin einen „berechtigten Verdacht“ (begrundet mistanke) wegen Hochverrats gegeben sieht.

Wie schwerwiegend ist der Verdacht gegen Findsen?

„Berechtigter Verdacht“ ist die mildeste Form des Verdachts. Kann die Staatsanwaltschaft stärkere Beweise präsentieren, entscheidet das Gericht auf „schwerwiegenden Verdacht“ (særlig bestyrket mistanke). Der Rechtsexperte Lasse Lund Madsen spricht gegenüber „Berlingske“ von einer „halben Niederlage“ für die Staatsanwaltschaft.

Es ist dabei bemerkenswert, dass es der Polizei anscheinend bislang nicht geglückt ist, stärkere Beweise zutage zu fördern. Denn laut „DR“ hat der polizeiliche Nachrichtendienst (PET) die Telefone von Findsen über Monate hinweg abgehört. Außerdem hatte die Polizei während der mehr als zweimonatigen Untersuchungshaft gute Möglichkeiten weiterzuermitteln.

Was sagt Findsen selbst?

Er erklärt sich für unschuldig. Der FE-Chef hatte bislang wenig Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern. Beim Haftprüfungstermin im Januar drehte er sich kurz zur Presse um und nannte den Fall „wahnwitzig“. Der eine seiner beiden Verteidiger, Lars Kjeldsen, sagte nach der Entlassung Findsens, es würde eine „bedeutende Debatte“ auslösen, könnte die Öffentlichkeit erfahren, worum es geht.

Nach der Entlassung verlieh Findsen ausschließlich seiner Freude darüber Ausdruck. 

Was wissen wir über die Beschuldigungen gegen Findsen?

Herzlich wenig. Wir wissen, dass er beschuldigt wird, einen selten angewendeten Paragrafen über die Weitergabe von Staatsgeheimnissen übertreten zu haben. Der Wortlaut der Beschuldigung ist nicht bekannt, da der Fall bisher hinter doppelt verschlossenen Türen verhandelt worden ist.

PET hat jedoch bestätigt, dass es um die Weitergabe von Informationen an Medien und damit also nicht an fremde Mächte geht. Laut Medienberichten soll es dabei unter anderem um Informationen über die Zusammenarbeit von FE mit dem US-Geheimdienst NSA zum Aushorchen von Datenverbindungen gehen.

Hat die Affäre Dänemark im Ausland geschadet?

Ja, zumindest wenn man den Aussagen einer ganzen Reihe von ehemaligen Spitzenbeamten Glauben schenken soll. Der langjährige Staatssekretär des Justizministeriums, Michael Lunn, spricht gegenüber „Politiken“ von einer „fast ungebrochenen Kette an Fehlentscheidungen“.

Er sieht den Anfang dieser Kette bei der Kritik der Aufsichtsbehörde TET an FE im August 2020. Die Aufsichtsbehörde für die Nachrichtendienste meinte, FE habe illegal gehandelt und veröffentlichte eine Pressemitteilung. Bei der Kritik der Aufsichtsbehörde soll es laut Medienberichten um die oben erwähnte Zusammenarbeit mit dem NSA gehen. Eine Kommission kam im Dezember zu dem Ergebnis, die Kritik der TET sei gegenstandslos.

Lunn meint, man hätte dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit klären sollen. Er meint auch, dass man mit der Verhaftung von Lars Findsen einer solchen Zusammenarbeit, sollte es sie geben, noch mehr Schaden zugefügt habe, als es die bisherigen Medienberichte tun könnten. Dass auch der ehemalige Verteidigungsminister Claus Hjorth Frederiksen (Venstre) bezichtigt worden ist, mache die Sache nicht besser.

Mehrere ehemalige Staatssekretäre des Justiz- und Staatsministeriums haben sich Lunns Einschätzung angeschlossen.

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