Leitartikel

„Es ist an der Zeit für die Älteren, etwas zurückzugeben“

Es ist an der Zeit für die Älteren, etwas zurückzugeben

Es ist an der Zeit für die Älteren, etwas zurückzugeben

Apenrade/Aabenraa
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Die soziale Schere öffnet sich in Dänemark weiter. Das liegt auch daran, dass nicht alle Älteren aktiv darauf achten, dass die nachkommenden Generationen dieselben Chancen haben wie sie selbst, meint Cornelius von Tiedemann. Er hofft, dass sich mehr Menschen bewusst machen, welchen Preis die Jugend während der Corona-Krise gezahlt hat.

In Dänemark wird die Gemeinschaft betont. Der Umgang auf Augenhöhe. Fairness. Sicherheit.

Das hat sich auch in der Corona-Krise gezeigt.

Die allermeisten jungen Leute haben, trotz des biologischen Dranges, die sprichwörtliche Sau rauszulassen, still gehalten, in der Blüte ihrer Jugend die Corona-Regeln respektiert und, um die Älteren und Geschwächten zu schützen, auf vieles verzichtet, was zu einer erfüllten Jugend dazugehört.

Ist es nun nicht vielleicht an der Zeit, dass die Generation 50 plus ihnen etwas zurückgibt? Dass sie auch daran denkt, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen für die Kinder, Enkel und Urenkel haben?

Dabei fällt vielen zuerst die Klimapolitik ein. Doch in Dänemark macht nicht nur die Natur einen menschgemachten Wandel durch. Auch unsere Gesellschaft ändert sich. Auch deshalb, weil sich offenbar nicht mehr alle vor Augen führen wollen, dass das dänische Modell mit seiner Wohlfahrt für alle nur dann funktioniert, wenn sich alle auf seine Grundlagen besinnen – und nicht nur an den eigenen Vorteil denken.

Das dänische (Arbeitsmarkt-)Modell setzt darauf. Darauf, dass alle, die Hilfe brauchen, Hilfe bekommen. Und dass alle, die können, im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefördert – aber auch immer wieder gefordert werden, ihren Beitrag zu leisten.

Wer seinen Job verliert, soll also nicht lange in der von manch einem als „soziale Hängematte“ verunkten Abhängigkeit vom Staat liegen bleiben – sondern gleich wieder einen Job angeboten bekommen.

Und ganz häufig klappt das auch. Weil die Menschen in Dänemark sich flexibel zeigen und Karrieren hier nicht nur geradeaus gedacht werden, sondern sich entwickeln und verändern können, dürfen und sollen.

Das System funktioniert allerdings nur so lange, wie sich alle Beteiligten an die Spielregeln halten.

Wenn zum Beispiel immer häufiger vor allem jungen Leuten keine Vollzeitstellen mehr angeboten werden, sondern Honorarstellen, unbezahlte Praktika und so weiter, dann bricht ein Pfeiler weg.

Zugleich sollen die heute jungen Menschen mindestens arbeiten bis sie 72 sind, bekommen aber keine Kredite für ein Haus, weil sie keine feste Stelle haben und können sich so nicht das aufbauen, was die SUV oder Tesla fahrende Generation 50 plus, die zwischen Wohneigentum  und Sommerhaus pendelt, in vollen Zügen genießt.

Die Älteren sind der Jugend zahlenmäßig weit überlegen – und auch ihr gesellschaftlicher Einfluss ist enorm.

Durch ihre schiere Anzahl an Wählerstimmen – aber auch durch ihre finanzielle Wucht.

Viel wird von Altersdiskriminierung gesprochen – und zu Recht wird sie angeprangert, in einer Gesellschaft, die den Wert der Lebenserfahrung und die Würde des Alters nicht immer in angebrachtem Maße zu schätzen weiß.

Doch umgekehrt sind viele (längst nicht alle!), die heute den verdienten Wohlstand genießen, offenbar der Meinung, dass es ihnen selbst nur dann (noch) besser gehen kann, wenn es anderen schwer gemacht wird.

Die Gewerkschaften schlagen schon Alarm und sprechen davon, dass der gesellschaftliche Generationenvertrag einseitig aufgekündigt worden sei.

So werden seit Jahren Sozialmittel gekürzt und Sicherheiten gestrichen für die, die nicht viel haben (oft junge Menschen und Eingewanderte), und das, obwohl nicht nur die OECD davor warnt, dass die soziale Schere in Dänemark inzwischen schon viel zu weit auseinandergeht.

Wäre es jetzt nicht an der Zeit, dass diejenigen, die vom dänischen Wohlfahrtsstaat profitiert haben und sich auf die Solidarität der Jugend in der Corona-Krise verlassen konnten, sich dafür starkmachen, dass das System des fairen Gebens und Nehmens auch ihren Nachfahren erhalten bleibt?

Zum Beispiel, indem sie darauf pochen, dass alle, die sie politisch vertreten, egal, welcher Partei sie angehören, schlüssig erklären, weshalb sie der Meinung sind, dass ihre Politik im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN ist. Indem sie eine schlüssige Erklärung dafür verlangen, wie erreicht werden soll, dass die Einkommen im „unteren“ Teil der Bevölkerung mindestens so sehr wachsen wie die der Besserverdienenden.

Schließlich wird in Dänemark die Gemeinschaft betont – und der Wille, seinen Teil beizutragen. Das gilt doch wohl in alle Richtungen?

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