Leitartikel

„Beiderseitige Verantwortung“

Beiderseitige Verantwortung

Beiderseitige Verantwortung

Nordschleswig/Sønderjylland
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Die Politik hat nicht die alleinige Verantwortung für unsere Demokratie. Auch wir als Bürger sind in der Pflicht, meint Chefredakteur Gwyn Nissen angesichts des neuen Folketingsjahres.

Der erste Dienstag im Oktober ist in Dänemark ein Festtag der Demokratie – an diesem Herbsttag beginnt nämlich das Arbeitsjahr im dänischen Folketing. Der „erste Schultag“ der Politiker wird feierlich begangen, und dieses Jahr gab es für die Politiker sogar einen besonderen Grund zur Freude: Ihre Glaubwürdigkeit ist gestiegen.

Laut dem Kommunikationsunternehmen „Radius CPH“ sind die Werte der Politiker in der jährlich durchgeführten Meinungsumfrage von 2,12 auf 2,34 (von fünf möglichen Punkten) gestiegen. Dies ist immerhin ein Anstieg von um die zehn Prozent, doch die Politiker bleiben mit Journalisten, Bankberatern, Autohändlern und Immobilienmaklern weiterhin im unteren Tabellendrittel stecken.

Komisch eigentlich, dass man in Dänemark oft von einer Vertrauensgesellschaft redet, wenn drei der wichtigsten Pfeiler der Gesellschaft immer wieder schlecht abschneiden: Politik, Medien und die Finanzwelt. Das gibt zu denken.

Doch die Meinungsumfrage hätte auch anders ausgehen können, denn überall in der Welt wächst die Skepsis den Politikern gegenüber – unter anderem in Verbindung mit der Hantierung der Corona-Pandemie. Daher sind die Werte der dänischen Politiker durchaus positiv zu bewerten.

Es ist allerdings noch viel Luft nach oben auf der Glaubwürdigkeitsskala, und die Politik hat vieles selbst in der Hand: Vertrauen wird unter anderem durch eine offene und ehrliche Kommunikation erreicht, dadurch, dass Versprochenes eingehalten wird, dass Entscheidungswege nachvollziehbar sind und offen dargelegt werden, dass Macht nicht missbraucht wird, dass die Nähe zum Bürger wieder hergestellt wird und dass alle gehört werden.

Das sind die Rädchen der Demokratie, die eben nicht nur am ersten Dienstag im Oktober schön geredet werden, sondern an allen anderen 364 Tagen im Jahr durch die Politik gelebt werden müssen.

Doch die Politiker haben nicht die alleinige Verantwortung für Demokratie und Vertrauen in unserer Gesellschaft. Jeder von uns steht in der Verantwortung, sich aktiv daran zu beteiligen – das geht vom Ehrenamt über die Akzeptanz demokratisch getroffener Entscheidungen (beziehungsweise sie auf demokratische Art und Weise zu bekämpfen), die Pflicht sich zu informieren und in Diskussionen unter Freunden oder in der Familie „Fake News“, Unwahrheiten und undemokratischem Gedankengut die Stirn zu bieten.

Unsere Demokratie ist wertvoll, und sie steht auf einem soliden Fundament – aber nur, wenn wir weiterhin gemeinsam daran arbeiten, das Fundament zu verstärken und gleichzeitig sichern, dass undemokratische Kräfte auf Abstand gehalten werden.

  

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