Geschichte

Private Fotos gefragt: Archive und Museen wollen Coronakrise dokumentieren

Private Fotos gefragt: Archive und Museen wollen Coronakrise dokumentieren

Private Fotos gefragt: Archive wollen Coronakrise festhalten

Frederikshavn/Apenrade
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Nordhavn
Einsamer Schnappschuss in der neuen Metrostation Orientkaj in Kopenhagen: Das öffentliche Leben in Dänemark hat sich verändert. Die Archivare wollen dies dokumentiert wissen. Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

Über das ganze Land verteilt arbeiten Einrichtungen jetzt zusammen, um Bilder vom Einzug des Coronavirus in Dänemark zusammenzutragen. Dazu brauchen sie die Hilfe der Öffentlichkeit.

„Wir schreiben Geschichte.“ Das sagte Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen in ihrer Rede an die Nation zu Beginn der Coronakrise in Dänemark. Jeder einzelne trage nun Mitverantwortung dafür, welche Geschichte geschrieben werde.

In gewisser Weise eine Blaupause für das, was die Archive und Museen jetzt vorhaben: Die Krise möglichst umfangreich dokumentieren.

„Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass ein Ereignis unseren Alltag in solchem Umfang umgewälzt hat. Gerade jetzt gibt es riesige Eingriffe in unsere individuelle Freiheit und Erzählung und wir müssen das dokumentieren“, sagt Anders Lykke Widt, Historiker und Archivar im Stadtarchiv der Kommune Frederikshavn im äußersten Norden Dänemarks.

Schluss mit dem Joggen im Park: Wie hier auf Frederiksberg in Kopenhagen wird derzeit Geschichte geschrieben. Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

 

„Ein historischer Augenblick“

In einer Pressemitteilung der Kommune schildern er und seine Kollegin Karen Margrethe Olesen, wie sich Archive und Museen landesweit vernetzt haben, um die Bilder der Menschen im Lande zu archivieren.

„Wir haben beobachtet, dass fast alle Archive und Museen damit begonnen haben, Bilder einzusammeln, aber wir konnten auch sehen, dass niemand an eine Zusammenarbeit gedacht hat“, so Karen Margrethe Olesen, ebenfalls Historikerin und Archivarin im Stadtarchiv von Federikshavn.

„Da haben wir uns also hineingestürzt. Zusammen mit Bente Jensen vom Stadtarchiv in Aalborg haben wir mit Kollegen im ganzen Lande Kontakt aufgenommen, um sicherzustellen, dass der ganze Prozess strukturiert abläuft. Es ist ein historischer Augenblick, wo die Archive und Museen dazu beitragen können, ihn aus einer lokalen Perspektive zu dokumentieren – das ist unsere Existenzberechtigung“, berichtet Olesen.

Fotos in Smartphonezeiten Massenware – und doch schwer zu bekommen

Ein Problem für die Historiker ist dabei die schiere Masse an Aufnahmen, die die Menschen heute mit Smartphones und anderen Geräten machen. Die Bilder hätten für die Menschen nicht mehr denselben Wert wie früher, und „heute machen viele Leute, die es nicht viel weiter schaffen als aufs Telefon und in die sozialen Medien“, sagt Widt. Fotos würden aber kaum noch an die Stadtarchive übergeben – oder, in digitalen Zeiten, geschickt.

„Wir nutzen jetzt selbst die sozialen Medien. Sowohl, um dazu aufzufordern, Bilder einzuschicken, und um auf unsere Arbeit aufmerksam zu machen. Die Bilder, die die Leute jetzt machen, sind einfach zu wichtig, als dass sie verschwinden sollten, wenn soziale Medien und das Telefon das eines Tages tun“, so Karen Margrethe Olesen.

Die eigenen Bilder einsenden

„Wir wollen gerne alles haben – von groß bis klein. Ob es ein Bild einer leeren Straße ist, die kleine Luke fürs Takeaway, die am örtlichen Restaurant entstanden ist, oder vielleicht ein geschlossenes Rathaus mit einer einsamen Obstkiste davor. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, und wir brauchen sie, wenn wir Corona in die Geschichtsbücher schreiben wollen“, so Olesen weiter.

Wer Bilder einsenden möchte, soll dazu sein lokales Stadtarchiv kontaktieren, raten Olesen und Widt.

In Nordschleswig sind das Historische Archiv in Hadersleben sowie das Reichsarchiv in Apenrade naheliegende Ansprechpartner.

Auch Nationalmuseum will Daten sammeln

Die historische Situation der Corona-Krise möchte auch das Nationalmuseum zusammen mit einer Reihe von Partnern für die Nachwelt dokumentieren.

„Vor hundert Jahren überschwemmte die Spanische Grippe Dänemark und die Welt. Wir wissen, dass es mehr als 15.000 Dänen das Leben gekostet hat, und wir wissen, wie die Kranken isoliert wurden und welche Maßnahmen ergriffen wurden. Aber wir wissen nicht viel darüber, wie der gewöhnliche Däne die Angst und das Chaos während der Pandemie erlebt hat“, heißt es in einer Pressemitteilung des Nationalmuseums.

Einblick in den Alltag

„Zukünftige Generationen sollen einen Einblick in den Alltag in Dänemark während der Corona-Pandemie bekommen. Sie sollen nicht nur eine Anzahl von Infizierten, Schwerkranken, Toten und Geheilten haben“, sagt Christian Sune Pedersen, Forschungsleiter der Abteilung „Neuzeit und Weltkulturen“ im Nationalmuseum.

Das Nationalmuseum ermutigt alle Dänen, einen Fragebogen zu beantworten und detailliert aufzuschreiben, was sie tun, wo sie arbeiten, wo sie sich aufhalten, welche Gespräche sie führen und worüber sie nachdenken. All das mag trivial erscheinen, ist aber wertvolles Wissen für zukünftige Generationen.

Die Umfrage ist auf Dänisch unter natmus.dk/dagemedcorona zu finden.

Der Artikel wurde am 30. März um den letzten Abschnitt ergänzt.

 

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