Fehmarnbelt

Nur ein Viertel Tunnel genehmigt?

Nur ein Viertel Tunnel genehmigt?

Nur ein Viertel Tunnel genehmigt?

Henning Baethge/shz.de
Leipzig
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Nachbesserungsforderungen des Gerichts können den Bau des Tunnels verzögern. Foto: Femern A/S

Dienstag begann der Mammutprozess um den Fehmarnbelt-Tunnel. Gleich am ersten Tag stritt man sich um juridische Spitzfindigkeiten.

Neuneinhalb Kilometer und damit rund die Hälfte des geplanten deutsch-dänischen Fehmarnbelt-Tunnels liegen auf deutschem Gebiet und müssen daher vom Land Schleswig-Holstein genehmigt werden – doch geht es nach der gegen den Tunnel klagenden Fährgesellschaft Scandlines, dann fehlt für einen Teil des deutschen Tunnelabschnitts die Bau-Erlaubnis. Das bemängelte der Prozessvertreter der Reederei gestern vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zum Auftakt der mehrtägigen mündlichen Verhandlung um die Baugenehmigung für den gut sieben Milliarden Euro teuren Belttunnel. 

Streitpunkt sind die Grenzen

Grund für die Einschätzung von Scandlines ist ein Wort im sogenannten Planfeststellungsbeschluss der Genehmigungsbehörde des Kieler Verkehrsministers Bernd Buchholz. Darin hat sie festgehalten, dass die Bau-Erlaubnis für den Straßen- und Schienentunnel auf deutscher Seite bis zur "Staatsgrenze" gilt.

Der Haken dabei ist: Die deutsche Staatsgrenze reicht in der Ostsee vor Fehmarn nicht bis zur dänischen Grenze, sondern endet einige Kilometer davor. Zwischen den beiden Ländern liegen noch ihre jeweiligen "Ausschließlichen Wirtschaftszonen", kurz AWZ, die nicht zum Staatsgebiet gehören, aber von ihnen ökonomisch genutzt werden dürfen. "Der Tunnel ist nur bis zur deutschen Staatsgrenze genehmigt", resümierte Scandlines’ Rechtsanwalt Herbert Posser. "Wir werden daher einen Antrag dazu stellen, ob überhaupt eine Regelung für die AWZ getroffen worden ist."

"Sehr formaljuristisch"

Daraufhin wandte sich der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier an die Vertreter Schleswig-Holsteins: "Was wollten Sie eigentlich regeln? Einen halben Tunnel oder nur einen viertel?", fragte er spöttisch – wobei offen blieb, ob sich der Spott gegen die Ungenauigkeit des Landes richtete oder die Spitzfindigkeit der Reederei.

Schleswig-Holsteins Prozessvertreter wies den Vorwurf jedenfalls als "sehr formaljuristisch" zurück. Denn aus allen weiteren Unterlagen und Karten im Planfeststellungsbeschluss gehe klar hervor, dass die Genehmigung sich bis zum Ende der deutschen AWZ erstrecken solle. "Es ist eindeutig, dass der ganze Tunnel in Deutschland gemeint ist", sagte er. Das Gericht äußerte sich dazu dann nicht mehr – dürfte aber letztlich der Argumentation Schleswig-Holsteins folgen. 

Neben der zwischen Fehmarn und Lolland verkehrenden Fährlinie Scandlines klagen noch sechs andere Parteien in Leipzig – zwei weitere Reedereien, der Naturschutzbund Nabu, das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung, die Stadt Fehmarn und ein Landwirt.

Vor der Leipziger Kongresshalle, in die das Gericht wegen der großen Zahl von 160 Prozessbeteiligten und 20 Medienvertretern ausweichen musste, protestierte zudem der Verein "Beltretter" gegen den Tunnel.

Einer der Kläger wird bald aber womöglich nicht mehr dabei sein: Das Gericht machte deutlich, dass es an der Klagebefugnis der Fährlinie Nordö Link zweifelt. Die Reederei verkehrt zwischen Travemünde und dem schwedischen Malmö und fürchtet wegen des Tunnelbaus um ihre Existenz. Doch weil ihre Schiffe nicht direkt auf dem Belt fahren, stellte Richter Bier die Zulässigkeit der Klage in Frage. "Wenn man das zu Ende denkt, wäre sonst jeder Betreiber einer Fähre in der Ostsee klagebefugt", sagte er. Irgendwo müsse man aber eine Grenze ziehen.

Tunnel wird von Dänemark bezahlt

Der Nabu erneuerte gestern vor Gericht den Vorwurf, dass es angesichts von täglich nur 12.000 erwarteten Autos keinen Grund für den Bau einer vierspurigen Autobahn durch den Tunnel zwischen Fehmarn und Lolland gebe. Normalerweise seien solche Schnellstraßen für 80.000 Fahrzeuge gedacht, auf Schleswig-Holsteins Autobahnen würden durchschnittlich immerhin rund 40.000 Autos fahren, rechnete Nabu-Experte Malte Siegert vor. Verglichen damit sei der Belttunnel keine Magistrale, sondern eine "Marginalie".

Das Gericht stellte diese Argumentation allerdings in Frage – weil es um eine transeuropäische Strecke von und nach Skandinavien gehe. "Skandinavien ist viel dünner besiedelt als Deutschland", sagte Richter Bier. "Muss man das nicht einbeziehen bei der Frage, welche Qualität eine Verkehrsverbindung zwischen Hamburg und Kopenhagen braucht?"

Nachbesserungsforderungen der Richter?

Die Gerichtsverhandlung geht Mittwoch und Donnerstag weiter. Nächste Woche sind ebenfalls drei Tage eingeplant. Am 6. Oktober stehen dann gesondert die Klagen der Stadt Fehmarn und des prozessierenden Landwirts auf der Tagesordnung. Voraussichtlich schon heute oder morgen wird es auch um die streng geschützten Ostsee-Riffe gehen, die die Planer der staatlichen dänischen Projektfirma Femern AS nach Angaben des Kieler Verkehrsministeriums auf und an der Tunneltrasse übersehen haben. FDP-Minister Buchholz rechnet daher mit Nachbesserungsforderungen der Richter.

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