Achtung Lebensgefahr

Das Geschäft mit illegalen Böllern boomt

Das Geschäft mit illegalen Böllern boomt

Das Geschäft mit illegalen Böllern boomt

shz.de/Birger Bahlo
Husum
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: dpa

Bis zu 850 Gramm Sprengstoff, blitzschnell abbrennende Lunten: Feuerwerk aus Osteuropa kann brandgefährlich werden – und teuer.

Das Silvester-Feuerwerk in Deutschland wird dieses Jahr womöglich armseliger ausfallen, zumindest fehlen viele Tonnen verbotener Böller und Raketen aus Osteuropa. Dem Zoll ist nämlich ein Schlag gegen illegal eingeführte Pyrotechnik gelungen. Aktuell führt er bundesweit 1400 Verfahren, 300 allein im Bereich des Zollfahndungsamtes Hamburg. Dessen Sprecher Stephan Meyns spricht von je hundert Verfahren in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Der Zoll bekämpft Ein- und Ausfuhr sowie die Durchleitung verbotener Pyrotechnik durch Deutschland (Transit).

Diese flächendeckenden Ermittlungen waren 2015 verdeckt eingeleitet worden. Die niederländische Polizei hatte eine große Menge Datensätze mit den Adressen von deutschen Käufern illegalen Feuerwerks an den Zoll übergeben. „Ein Beleg für die funktionierende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Europa“, wie es Andreas Franke, einer der Fahnder, gegenüber unserer Zeitung kommentierte. 

Einer der nordfriesischen Käufer stand jetzt in Husum vor Gericht. Der junge Soldat hatte im Sommer 2014 zusammen mit einem Kumpel, der getrennt angeklagt worden war, in einem Internet-Shop in der Slowakei, der auf einem polnischen Server errichtet ist, sechs Kilogramm Pyrotechnik im Wert von 200 Euro bestellt. Das Material hatten sie untereinander aufgeteilt. Weil die Bestellung eher zufällig über das Mailkonto der Mutter des Kumpels abgewickelt worden war, staunte die nicht schlecht, als plötzlich die Ermittler klingelten und nach den Böllern fragten. Schnell war der Zusammenhang zwischen beiden Männern und beiden Portionen hergestellt und das Material beschlagnahmt. Der Zoll spricht von zahlreichen Durchsuchungen wie dieser in Husum, wobei die Auswertungen sich dem Ende nähern. 

Die Meisten bestellen für den Eigengebrauch

Tat und Täter passen in das Bild, das die Fahnder in den meisten der jetzt verfolgten Fälle haben. Vor allem jüngere Männer wollen ihr Silvester-Feuerwerk aufpeppen.  Die meisten Käufer hätten zum Eigengebrauch bestellt, allerdings stoße der Zoll auch immer wieder auf den ebenfalls verbotenen gewerblichen Handel. So sollen sogar gelegentlich jene auf ihre Zuverlässigkeit geprüften Feuerwerker, die öffentlichen oder privaten Festen mit ihrer Lichtershow Glanz verleihen, Reste in dunkle Kanäle abgezweigt haben. 

Die Kunden des slowakischen Internet-Shops zahlen per Paypal oder mit Kreditkarte, andere ließen ihr Geld über den weltweit agierenden Anbieter Western Union bar an den Lieferanten auszahlen, wie es eine Zeugin des Zolls in dem Husumer Prozess ausführlich erläuterte. Die Bezahlwege seien inzwischen weitgehend durch Prüfungen der Bankkonten der mutmaßlichen Täter rekonstruiert worden.

Böller, so groß wie Handbälle

Bei der illegalen Pyrotechnik handelt es sich durchweg um brandgefährliches Material. Sichergestellt wurden schon Böller so groß wie Handbälle mit 850 Gramm reinem Sprengstoff, sogenannter Nettoexplosivmasse (NEM). Zum Vergleich: In durchschnittlichen Handgranaten von Militärs steckten 100 Gramm (NEM). In den in Deutschland zugelassenen Raketen sind gerade mal netto zwei, drei Gramm verpackt. Auch manche der Zündschnüre an dem illegalen Zeug würden in ihrer Brisanz völlig falsch eingeschätzt. Die kurzen Zipfel könnten durchaus mit einem Tempo von vier Metern pro Sekunde abbrennen – da bleibt nicht mal mehr Zeit zum Zuklappen des Feuerzeugs bis zum Rums. 

Das Verfahren gegen den Husumer wurde gegen Auflage eingestellt. Er muss 1000 Euro, aufgeteilt in fünf Raten, an die in Schleswig ansässige Iris-Stiftung zahlen, die Blinde unterstützt. Ihm wurde zugute gehalten, dass er geständig ist und dass er in stabilen persönlichen sowie beruflichen Verhältnissen lebt.

Ohne näher auf die Fälle in Nordfriesland einzugehen, warnen die Ermittler vor den weiteren Folgen, die der Besitz von illegaler Pyrotechnik haben kann: bei einer Verurteilung der Verlust des Jobs und bei Beamten disziplinarrechtliche Schritte. Und alle, die eine Waffenbesitzkarte mit sich führen, werden diese womöglich los – weil sie nicht länger die geforderte persönliche Zuverlässigkeit vorweisen können, also etwa jeder Mitarbeiter im privaten Sicherheitsgewerbe, aber auch Jäger oder Sportschützen.

Parallel zum Zoll ermittelt in Schleswig-Holstein auch das Landeskriminalamt (LKA) wegen des verbotenen Umgangs mit illegaler Pyrotechnik. Nach Auskunft von Carola Jeschke, der Pressesprecherin des LKA, gab es dazu im Vorjahr 208 Strafverfahren. Aktuelle Zahlen aus diesem Jahr liegen noch nicht vor.
 

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