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„Angela Merkel war keine große Kanzlerin“

„Angela Merkel war keine große Kanzlerin“

„Angela Merkel war keine große Kanzlerin“

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Kiel
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Professor Dr. Krause mit Siegfried Matlok beim Interview, das im ältesten Stadtteil von Kiel in Hassenkielsdamm geführt wurde. Foto: DK4

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Kieler Politologe Professor Krause auf „DK4“: mehr negative als positive Punkte in ihrer Bilanz.

Noch ist offen, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel dienstältester Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik wird,  aber der Kieler Professor für politische Wissenschaft, Dr. Joachim Krause, meint, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in der historischen Rangliste der größten deutschen Kanzler nicht ganz oben stehen wird.

Das sagte Joachim Krause in einem TV-Interview auf „DK4“ in der Sendung „Dansk-tysk med Matlok“ mit dem Untertitel „Tyskland efter Merkel“.

„Nach meiner Meinung sind Konrad Adenauer und Helmut Schmidt die größten Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gewesen, das waren Menschen von Format.“ Zum Kreis der drei Größten zählt der Professor auch Helmut Kohl, „der zwar nach 1990 ein schwacher Kanzler war, der aber bei der deutschen Wiedervereinigung ganz Hervorragendes geleistet“ habe.

„Ich glaube, dass die Bewertung von Frau Merkel in den kommenden Jahren, Jahrzehnten doch mehr und mehr von negativen als von positiven Punkten bestimmt sein wird.“

Krause, der wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Mitglied des Vorstands der Stiftung Wissenschaft und Demokratie ist und nach eigenen Worten dem  bürgerlichen Lager nahesteht, sagte,  Merkel habe in ihren 16 Jahren „der deutschen Politik ihren Stempel aufgedrückt“. Positiv sei hervorzuheben, „dass sie einen integrativen Führungsstil hat, eine typische Moderatorin“, was auch ihre Bedeutung in und für Europa unterstreicht.  „Sie kann auch radikale Akteure integrieren, sie findet gemeinsame Wege  und Kompromisse. Und es ist wichtig in einer Demokratie, dass jemand Kompromisse vermitteln kann“, lobte Krause  Merkel.

Angesprochen auf so manche Kehrtwendung in der Politik der Kanzlerin antwortete der Politologe:„In Krisenzeiten muss man auch Kehrtwendungen machen. Das ist ganz normal, denn Krisenmanagement erfordert ein sehr flexibles Vorgehen.“

Merkels Schaukelpolitik

Als Negativ-Punkte ihrer Kanzlerschaft nannte Krause den „überstürzten Ausstieg“ aus der Kernenergie, die mangelnde Organisierung in der Flüchtlingskrise, die zu einer Katastrophe hätte führen können, und vor allem die Außen- und Sicherheitspolitik.

„Merkel reagiert auf die Veränderungen in der internationalen Politik seit zehn Jahren mit einer Gelassenheit, die mich langsam nervös macht. Weder zur großen chinesischen Herausforderung, die die USA betrifft, noch zur militärischen Herausforderung durch Russland vor allem im Ostsee-Raum höre ich bei Frau Merkel irgendetwas.

Sie hat gesagt, dass Deutschland in einen Konflikt mit China und Russland nicht hineingezogen werden will, das ist eigentlich schon eine klassische Schaukelpolitik.“

Situation wie vor 1914

Krause vergleicht die Lage „mit der Situation vor 1914, wo das Deutsche Reich freie Hand haben wollte, um mit allen handeln zu können, aber am Ende war das Deutsche Reich isoliert, und ich befürchte etwas Ähnliches“.

Bei Angela Merkel befürchtet Professor Krause sogar „einen Ausstieg aus der transatlantischen Allianz in kleinen Schritten“, und es gebe da auch eine Gemengelage mit SPD und Grünen. „Da tut sich etwas, zum Beispiel in der öffentlichen Wahrnehmung der USA, von Russland und China. Wenn man Meinungsumfragen sieht, wen die Deutschen heute als Freunde oder Feinde betrachten, dann ist nicht mehr klar erkennbar, wo wir Deutschen stehen. Es entsteht Unklarheit darüber, wohin Deutschland gehen oder wo es bleiben soll.

Noch sind wir Teil der atlantischen Allianz, aber man kann die Bindung zur Allianz auch mit so vielen Bedingungen versehen, dass am Ende derjenige, der unsere Sicherheit garantiert, also die USA, dann sagt: Ich habe daran kein Interesse mehr.“

Das gesamte Interview mit Professor Dr. Joachim Krause unter anderem mit seiner Einschätzung der drei Kanzlerkandidaten findet Ihr unter:

 https://www.youtube.com/watch?v=3cfys1RUqLY

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