Vergangenheitsbewältigung

Geschichte: Minderheit tauchte ins Dunkel ein

Geschichte: Minderheit tauchte ins Dunkel ein

Geschichte: Minderheit tauchte ins Dunkel ein

Nordschleswig/Knivsberg
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Das Seminar „Geschichte auf dem Berg“ soll – mit neuen Schwerpunktthemen – auf dem Knivsberg wiederholt werden, so der Wunsch von Jon Thulstup (im Vordergrund). Foto: Karin Riggelsen

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Deutsche und dänische Historiker gaben einen Einblick in die Geschichte der deutschen Minderheit – und gaben damit neue Denkanstöße für den weiteren Umgang mit der eigenen Geschichte.

Die deutsche Minderheit in Nordschleswig hat Sonnabend in der Bildungsstätte Knivsberg einen weiteren Schritt in der eigenen Vergangenheitsbewältigung gemacht. Ausgangspunkt ist ein Geschichtsseminar – „Geschichte auf dem Berg“ – mit deutschen und dänischen Historikern, die der Minderheit neue Denkanstöße gegeben hat.

Hintergrund des Seminars, an dem 60 Personen teilnahmen, ist das Forschungsprojekt des nordschleswigschen Historikers Jon Thulstrup an der Süddänischen Universität, der über die Bedeutung des Zweiten Weltkrieges für die deutsche Minderheit forscht. Unter anderem geht es dabei um die Frage des Knivsbergs als historischen Lernort.  Jon Thulstrup hatte Sonnabend ein umfassendes historisches Vortrags-Programm auf die Beine gestellt.

Hinrich Jürgensen: Die Minderheit geht heute offensiver mit ihrer Geschichte um. Foto: Karin Riggelsen

Jürgensen: „Es ist heute leichter“

„Wir sind in den vergangenen 10-15 Jahren offensiv mit unserer Geschichte umgegangen“, sagte der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, die Dachorganisation der deutschen Minderheit, Hinrich Jürgensen. Dies zeige unter anderem die Umbenennung des Ehrenhains auf dem Knivsberg in Gedenkstätte sowie die aktuelle Namensänderung des Langbehnhauses auf dem Knivsberg in Haus Knivsberg.

„Nicht, weil wir besser sind als unsere Vorfahren, aber weil es heute leichter ist“, sagte Jürgensen. Die Minderheit könne nicht vor ihrer eigenen Geschichte davonlaufen.

„Aber wir können sie erklären“, sagte Hinrich Jürgenen. „Denn nur wenn wir ehrlich und offen mit unserer Geschichte umgehen, können wir von anderen erwarten, dass sie dasselbe tun.“

Henrik Skov Kristensen hat die aktuelle Vergangenheitsbewältigung in der deutschen Minderheit in Nordschleswig angeschoben. Foto: Karin Riggelsen

Vergangenheitsbewältigung angeschoben

Der Historiker und Autor Henrik Skov Christensen, der bis vor kurzem Leiter des Museums im Frøslevlejren war, hat mit seinen Büchern – unter anderem „Straffelejren“ von 2011 – die aktuelle Vergangenheitsbewältigung innerhalb der Minderheit angeschoben.

Sein Buch habe nicht für schlechte Stimmung in der Minderheit gesorgt, sondern sei die Grundlage für eine „qualifizierte Debatte“ über die eigene Vergangenheitsbewältigung  gewesen.

Die Minderheit habe sich erst spät mit der eigenen Vergangenheit auseinandergesetzt, weil sich die Minderheit lange Zeit als Opfer der Nazizeit empfunden habe. Dies sei vor allem in den Familien der Fall – ein Viertel der Minderheit wurde in Verbindung mit der rückwirkenden Strafverfolgung (Retsopgøret) nach dem Zweiten Weltkrieg verurteilt – und deckte sich lange Zeit auch mit dem offiziellen Denken und Handeln der deutschen Volksgruppe.

 

Neuer Blick auf die Rechtsabrechnung

„Aber die Erzählung innerhalb der Minderheit, dass man nicht Teil der Naziherrschaft gewesen war, konnte nicht aufrechterhalten werden. Mit der Zeit hat die Minderheit einen nuancierten Blick auf die Rechtsabrechnung nach dem Krieg“, so Kristensen.  Auch aus diesem Grund sei sein Buch eine Notwendigkeit gewesen, um „Mythen von der Wirklichkeit zu trennen“.

Er wies auch die Kritik, Dänemark habe nach dem Krieg Gesetze mit rückwirkender Kraft eingeführt, zurück. Dies sei überall in Europa geschehen, und sei kein „typisches dänisches Verhalten“.

„Es war nötig, weil das normale Strafgesetz nicht das abdeckte, was im Krieg passierte“, sagte Kristensen. Außerdem hätten zum Beispiel die Zeitfreiwilligen – das uniformierte Korps der Minderheit in den Jahren 1943 bis 1945 – durch das dänische Sondergesetz eine mildere Strafe bekommen, als wenn nach dem normalen Strafgesetz hätten verurteilt werden sollen.

Thomas Wegener Friis von der SDU in Odense berichtete über die Überwachung der deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg. Foto: Karin Riggelsen

Minderheit wurde überwacht

Zu den weiteren Vorträgen Sonnabend gehörte auch ein Bericht des Historikers Thomas Wegener Friis von der Süddänischen Universität in Odense über die Überwachung der Minderheit in den Nachkriegsjahren.

Vor allem in den ersten fünf Jahren nach dem Krieg schaute der dänische Nachrichtendienst der Minderheit auf die Finger, erklärte der Historiker.

Mit dem wachsenden Vertrauen zwischen Deutschen und Dänen wurde die Einsammlung von Informationen unter den Deutschen in Nordschleswig in den darauffolgenden Jahren zwangsläufig heruntergefahren.

Den letzten großen Bericht des Nachrichtendienstes über die deutsche Minderheit gab es laut Thomas Wegener Friis 1955 – im selben Jahr einigten sich Dänemark und Deutschland auf die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen, die den Minderheiten beiderseits der Grenze Rechte einräumten.

Allerdings hielt der Nachrichtendienst noch bis 1961 eine waches Auge auf den Knivsberg und sein Umfeld „als problematischen Ort“ der Minderheiten-Geschichte.

65 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren Sonnabend zum Geschichtsseminar auf dem Knivsberg. Foto: Karin Riggelsen

Mehr Geschichte

Jon Thulstrup regte Überlegungen an, das Seminar „Geschichte auf dem Berg“ alle zwei Jahre mit verschiedenen Themen zu wiederholen.

Wir berichten in den kommenden Tagen auf nordschleswiger.dk über weitere historische Vorträge vom Seminar.

 

 

 

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